Hamburg. Treibstoffe erzeugen zu viel CO2. Hoffnung bringt ein Ansatz aus dem kleinen Elbe-Hafen Brunsbüttel – es gibt dabei nur einen Haken.

Die weltweite Handelsschifffahrt steht unter Druck. Jahrelang haben es die Reedereien versäumt, weniger klimaschädliche Antriebstechniken voranzutreiben – und nun läuft ihnen die Zeit davon. Die gesamte Flotte ist für zwei bis drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Bis 2030 muss sie ihre globalen CO2-Emissionen um 40 Prozent senken, bis 2050 halbieren. Das haben die Mitgliedsstaaten der UN-Seeschifffahrtsorganisation IMO (International Maritime Organisation) bereits 2018 beschlossen.

Der Dachverband der weltweiten Reedereien, International Chamber of Shipping, geht jetzt noch weiter. Er fordert auf Veranlassung des Verbands Deutscher Reeder (VDR) die IMO nun dazu auf, die Branche bis 2050 komplett klimaneutral zu stellen. Doch um alle diese Ziele zu schaffen, taugen die Brennstoffe, mit denen die Schiffe heute auf den Weltmeeren unterwegs sind, nicht.

Hapag-Lloyd und Co: Treibstoffe erzeugen viel CO2

Alle Treibstoffe, die derzeit auf dem Markt zu kaufen sind, erzeugen bei der Verbrennung zusätzliches Kohlendioxid (CO2) Von einer Lösung des Problems ist die Branche meilenweit entfernt. Ein Stück Hoffnung setzt sie in eine Aktion, die weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit vor kurzem im kleinen Elbe-Hafen Brunsbüttel stattfand.

Der Motorenhersteller MAN Energy Solutions hat dort den kleinen Containerfrachter „Elbblue“, der im Besitz der Reederei Elbdeich ist und von dem Charterer Unifeeder betrieben wird, erstmals mit einem klimaneutralen Kraftstoff betankt. Das 153 Meter lange Schiff erhielt 20 Tonnen zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien hergestelltes synthetisches Gas (SNG).

Dazu wird Wasserstoff aus Strom von Photovoltaikanlagen und Windrädern gewonnen und durch den Zusatz von CO2 methanisiert. Das Verfahren ist nicht CO2-reduzierend, es wird aber auch nicht mehr Klimagas produziert, sondern es wird soviel CO2 an die Umgebung abgegeben, wie man ihr zuvor zur Herstellung des Kraftstoffs entnommen hat. Das Schiff fährt also klimaneutral.

Das Containerschiff
Das Containerschiff "ElbBlue" wird im Elbe-Hafen Brunsbüttel mit klimaneutralem Kraftstoff betankt. © dpa

Dem Hafen und den Reedereivertretern war dieser Betankungsvorgang sogar ein Festakt wert, zu dem der schleswig-holsteinische Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) und der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Norbert Brackmann (CDU), eingeladen wurden. „Durch den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen, die aus erneuerbaren Energien hergestellt werden, können die Schiffe sowohl während der Fahrt als auch während der Hafenliegezeiten klimaneutral betrieben werden. Die heutige Bebunkerung zeigt, dass der Einsatz von Kraftstoffen dieser Art bereits heute Realität und umsetzbar ist“, sagte der Geschäftsführer des Hafens Brunsbüttel, Frank Schnabel.

Klimakrise: Synthetisches Gas für Reeder kaum zu bekommen

Es gibt dabei nur ein Haken, und zwar ein gewaltigen: Synthetisches Gas ist kaum zu bekommen. Schon gar nicht als Massentreibstoff für die Weltschifffahrt. Sie wird mit ihren weltweit mehr als 50.000 Handelsschiffen enorme Mengen alternativer Energie benötigen, um den Seetransport von Waren aufrecht erhalten zu können. Allein die deutsche Handelsflotte umfasst rund 2000 Schiffe. Mit einem weltweiten Anteil von 12,5 Prozent an der Containerschifffahrt rangiert Deutschland auf Platz zwei. „Wir deutschen Reeder spielen international eine wichtige, antreibende Rolle, wenn es darum geht, Lösungen zu entwickeln, um Schifffahrt und Klimaschutz zu vereinen“, sagt VDR-Sprecher Christian Denso.

„Synthetisches Gas kann Teil dieser Lösung sein, aber auch Methanol, Ammoniak oder etwa Wasserstoff haben das Potenzial für den Kraftstoff, der große Seeschiffe in Zukunft antreibt. Das Problem für Reedereien derzeit ist: Wir wissen noch nicht, welche Kraftstoffe sich am Ende durchsetzen werden. Alle haben ihre Vor- aber eben auch Nachteile.“ In welchem Umfang diese weltweit zukünftig bereitstünden, sei offen. Das mache es Unternehmen natürlich schwer, weitreichende Investitionsentscheidungen für Schiffe zu treffen, die 20 Jahre und mehr im Fahrt sein würden, so Denso.

Nabu warnt: Wasserstoff rettet die Klimaziele nicht

Malte Siegert, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) in Hamburg, warnt vor überzogenen Hoffnungen. „Erstens benötigen wir zur Herstellung der synthetischen Kraftstoffe achtmal soviel Energie, als wenn wir sie direkt verbrauchen würden. Und zweitens haben wir nicht einmal in Ansätzen genügend Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff“, so Siegert. Nicht nur die Schifffahrt, auch die Industrie, Luftfahrt und andere Verkehrsträger würden Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ansehen. „Dabei werden wir mittelfristig nicht in der Lage sein, ausreichende Mengen herzustellen.“ Es sei unehrlich und gefährlich der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass man so weitermachen könne wie bisher, weil ja Wasserstoff alle Klimaziele rette.

Unter besonderem Druck steht die Kreuzfahrtindustrie, weil hier die Belastung durch die Schiffsemissionen unmittelbar von den Passagieren und den Hafenbesuchern wahrgenommen wird. Da es auch ihr an einem tragfähigen Antrieb der Zukunft fehlt, hat sie für ihre Schiffe eine Zwischenlösung eingeführt, die von der Handelsschifffahrt nach und nach übernommen wird: die Betankung mit flüssigem Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG).

Wird LNG in den Motoren verbrannt, enthalten die Abgase 90 Prozent weniger Schwefeldioxide und Feinstaubpartikel als herkömmliche Kraftstoffe. Das klimaschädliche CO2 wird aber nur um 15 bis 20 Prozent reduziert. „Es ist eben ein fossiler Brennstoff. für die Luftreinhaltung in den Häfen ist das gut. Dem Klima hilft das nicht weiter“, sagt Umweltschützer Siegert. Zudem käme es beim Einsatz von LNG durch Undichtigkeiten in den Leitungen immer wieder zum Austritt von Methan in die Atmosphäre. Und der sei für das Klima 30-mal schädlicher als CO2.

Hapag-Lloyd setzt auf LNG als Zwischenlösung

Hapag-Lloyd setzt wie viele anderen Reedereien dennoch auf LNG als Zwischenlösung. Das Unternehmen betreibt derzeit 258 Schiffe und ist damit die fünftgrößte Reederei der Welt. Die Hamburger haben jüngst zwölf Großcontainerschiffe mit einem modernen Hochdruck-Dual-Fuel-Motor bestellt, der mit LNG betrieben werden soll. Hapag-Lloyd hat sich eigene, strengere Klimaziele auferlegt. Bereits im Jahr 2045 soll die gesamte Flotte klimaneutral betrieben werden.

„Wir wollen diese Ziele erreichen, indem neue und effiziente Schiffe gekauft, alte Schiffe ausgemustert, alternative Kraftstoffe verwendet sowie zusätzliche Maßnahmen zur Emissionsreduzierung eingeleitet werden“, sagt Unternehmenssprecher Tim Seifert. Allerdings räumt auch er ein: „Zurzeit ist noch nicht ganz klar, wie genau die klimaneutralen Treibstoffe der Zukunft in der Schifffahrt aussehen werden, die auch in ausreichenden Mengen verfügbar sein können und zudem mit Blick auf die Bunkerlogistik ebenso wie in der Handhabung praktikabel und sicher sind.“

Um dem Klimawandel wirksam entgegenzuwirken, seien Forschung und Entwicklung im Zusammenhang mit emissionsfreien Technologien und Treibstoffen ebenso wie Investitionen in eine entsprechende Infrastruktur zur Produktion und Distribution klimafreundlicher Kraftstoffe von entscheidender Bedeutung und müssten dringend gestärkt werden. „In dieser Hinsicht wäre es sinnvoll, wenn die Einnahmen aus einer CO2-Abgabe – wie auch immer diese letztendlich ausgestaltet wird – in entsprechende Forschungs- und Entwicklungsinitiativen investiert würden“, sagt der Hapag-Lloyd-Sprecher.

Rotorsegel in der Schifffahrt gegen die Klimakrise?

Sogar das Segeln wie vor 200 Jahren kommt mit Blick auf den Klimawandel auf den Weltmeeren wieder in Mode. So hat die Reederei Scandlines auf der „Copenhagen“, einer zwischen Rostock und dem dänischen Gedser verkehrenden Fähre, ein Rotorsegel installiert. Dabei handelt es sich um einen 30 Meter hohen, rotierenden Zylinder, bei dem der Wind auf der einen Seite des Zylinders beschleunigt und auf der anderen Seite verlangsamt wird. Wie bei den Tragflächen eines Flugzeugs entsteht ein Druckunterschied, der das Schiff vorantreibt.

Sieht aus wie ein Schornstein, ist aber ein Rotorsegel: Die Fähre „Copenhagen“ von Scandlines fährt damit auf der Route zwischen Rostock und Gedser.
Sieht aus wie ein Schornstein, ist aber ein Rotorsegel: Die Fähre „Copenhagen“ von Scandlines fährt damit auf der Route zwischen Rostock und Gedser. © dpa

Nur eine Spielerei? „Nein“, heißt es von Scandlines. Das Unternehmen will die CO2-Emissionen ihrer Fähre mithilfe des Rotorsegels um vier bis fünf Prozent reduzieren. Scandlines hat zudem angekündigt, ab 2024 auf der Vogelfluglinie zwischen Puttgarden und Rødby eine Fähre einzusetzen, die vollelektrisch betrieben werden kann. Die Strecke ist gerade einmal 19 Kilometer lang. Auch diese Idee ist nur ein Baustein hin zur Klimaneutralität der Weltschifffahrt, aber nicht die Lösung.