Hamburg. Kreuzfahrtschiffe gelten als CO2-Schleudern, doch sind Urlaubsflieger wirklich besser? Hamburgs Nabu-Chef sieht es differenziert.

Malte Siegert, Vorsitzender des Nabu-Landesverbandes Hamburg, gehört zu den schärfsten Kritikern der Kreuzfahrtbranche. In der Abendblatt-Interviewreihe „Auf ein Wort an einem besonderen Ort“ spricht der Umwelt- und Naturschützer am Cruise Terminal Altona über schlechte Luft, moderne Antriebstechnologien und antwortet auf die Frage, unter welchen Umständen er selbst ab Hamburg auf Kreuzfahrt gehen würde.

Herr Siegert, wann waren Sie das letzte Mal hier im Cruise Terminal Altona, um mit einem Kreuzfahrtschiff in die Nordsee zu fahren?

Siegert: Ich bin noch nie mit einem Kreuzfahrtschiff in die Nordsee gefahren, obwohl ich in diesem Terminal schon oft gewesen bin.

Sie waren noch nie an Bord eines Kreuzfahrtschiffes für eine private Reise?

Siegert: Nein. Allerdings habe ich mir Schiffe von TUI Cruises, Hapag-Lloyd Cruises, AIDA und MSC im Hafen angesehen. Die Reedereien hatten uns eingeladen, um ihre technologischen Neuerungen zu zeigen.

Es müsste Sie doch freuen, dass hier in Altona wegen der Pandemie jetzt gähnende Leere herrscht. Das schont die Umwelt.

Siegert: Kreuzfahrten sind eine Urlaubsform, die bei vielen Menschen sehr beliebt sind. Das muss jeder für sich entscheiden. Ich persönlich bin nicht gern mit 3000 oder 4000 Leuten zusammen auf einem Schiff. Die einzige Erwartung, die wir als Nabu haben ist: Dass in einer Branche, in der extrem viel Geld verdient wird, sich die Schiffe auf dem technologisch besten Niveau befinden. Das ist bei einem Gros der Industrie leider nicht der Fall.

Sie haben vor einiger Zeit im Hamburger Hafen während der Cruise Days Luftmessungen vorgenommen. Was kam dabei heraus?

Siegert: Man kann sagen, dass in einer solchen Konstellation mit vier oder fünf Kreuzfahrtschiffen und der ohnehin vorhandenen Belastung durch den Hafen die Luft extrem viel Feinstaub, Ultrafeinstaub und Stickoxid enthält. Die Belastung entlang der Wasserlinie zwischen Wedel und HafenCity ist groß. Kein Kreuzfahrtschiff hat einen Rußpartikelfilter, wenige Katalysatoren, fast alle fahren mit vergleichsweise dreckigem Sprit. Wenn man eines von diesen Schiffen von einer internationalen Wasserstraße wie der Elbe an Land ziehen und als Industrieanlage betreiben würde, wäre es schon längst stillgelegt, weil es überhaupt nicht mit europäischer Regulierung übereinstimmt.

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Die "Europa 2" von Hapag-Lloyd Cruises im Hamburger Hafen – sie gehört zu den wenigen Kreuzfahrtschiffen, die mit Landstrom versorgt werden können. © dpa | Christophe Gateau

Haben Sie mit den Menschen vor Ort gesprochen?

Siegert: Aber Ja! Sie halten ihre Fenster geschlossen, wenn die Kreuzfahrtschiffe im Hafen liegen.

Ist Landstrom ökologisch besser für die Versorgung, wenn die Dampfer im Terminal liegen?

Siegert: Hier in Altona wurde eine Landstromanlage für elf Millionen Euro installiert. Aber die allermeisten Kreuzfahrtschiffe, die Hamburg anlaufen, verfügen an Bord über keine Technik, um Landstrom aufnehmen zu können. Ich kenne nur zwei Ausnahmen: Die „Aida sol“ und die „Europa 2“. Für die Reedereien ist die Nutzung von Landstrom nämlich ein Kostenfaktor. Wenn sie ihren Strom an Bord selbst produzieren, kostet das acht bis zehn Eurocent pro Kilowattstunde. Beim Landstrom als Ökostrom sind es mehr als 30. Diesen Kostenfaktor versuchen die Reedereien zu vermeiden. Es kann aber nicht sein, dass die Reedereien für ihre Kapitalinteressen die Luft der Anwohner verunreinigen. Das muss sich ändern!

Welche Kreuzfahrtschiffe sind aus Ihrer Sicht ökologisch relativ unbedenklich?

Siegert: Das sind die Schiffe, die während der Liegezeit an Landstrom angeschlossen werden können. Auch Schiffe mit fossilem LNG (Flüssiggas) sind zumindest in Bezug auf Luftschadstoffe gut, weil weniger Ruß, Stickoxide und Feinstaub ausgestoßen werden. Aber wir haben keinen wirklichen Gewinn bei den klimaschädlichen Gasen. Diese Form des Antriebs ist also nicht wirklich zukunftsweisend.

Welche technologische Innovationen gehen denn Ihrer Ansicht nach in die richtige Richtung?

Siegert: Kreuzfahrtschiffe, die heute gebaut werden, sind ungefähr 30 Jahre unterwegs. Es ist momentan keine Technik verfügbar, von der ich sagen kann, dass die Schiffe im Jahr 2050 klimaneutral fahren können. Wir haben fast nur die fossilen Brennstoffe, unter Umständen künftig verstärkt auch mehr Wasserstoff, Methanol und Batterien für die Spitzenzeiten. Diese Energieträger sind aber noch sehr teuer. Mit bestimmten Applikationen könnte man jedoch schon jetzt einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dazu gehören Solarpanele, Segel und Windrotoren.

In Hamburg hat die Reederei von Hermann Ebel ihren Sitz. Sie schickt mit der Sea Cloud II luxuriöse Segelschiffe auf Reisen. Ist das gutes ökologisches Modell?

Siegert: Das ist durchaus sinnvoll. In der Containerschifffahrt werden bereits ergänzend vereinzelt Teleskop-Segel eingesetzt. Die internationale Kreuzfahrtindustrie ist allerdings noch nicht bereit, flächendeckend neue Technologien auszuprobieren. Die deutschen Unternehmen, also Aida, Tui Cruises und Hapag-Lloyd Cruises, heben sich da positiv ab.

Wo die Kreuzfahrtschiffe ablegen: Nabu-Chef Malte Siegert am Cruise Center Altona am Hamburger Hafen.
Wo die Kreuzfahrtschiffe in Hamburg ablegen: Nabu-Chef Malte Siegert am Cruise Center Altona. © Funke Foto Services | Roland Magunia

Weil der Nabu Druck aufgebaut hat?

Siegert: Der Nabu mit dem europaweiten Dachverband Transport & Environment (T&E) hat bei der Kreuzschifffahrt viel erreicht. Zunächst hat die Industrie versucht, uns zu bekämpfen. Aber als sie gemerkt hat, das funktioniert auch in der Öffentlichkeit nicht, hat die Branche angefangen, mit uns zusammenzuarbeiten. Inzwischen haben wir einen kritisch-konstruktiven Austausch.

Ist es eine gute Idee, Kreuzfahrten verstärkt mit Abfahrten von deutschen Häfen anzubieten, weil dann mindestens ein Flug entfällt? Das Cruise Terminal hier in Altona ist dafür ideal.

Siegert: Das machen neben den deutschen Unternehmen über zum Beispiel Rostock, Kiel oder Hamburg auch MSC Kreuzfahrten. Sie starten in Italien, die Anreise erfolgt vermehrt mit der Bahn. Wenn man nur die Kreuzfahrt an sich ohne Flüge hätte, dann wäre der CO2-Fußabdruck vergleichsweise kleiner. Der Gau ist freilich, ich fliege in die Karibik, mache dort eine Kreuzfahrt und fliege wieder nach Hamburg zurück. Das ist die maximal schlechteste ökologische Bilanz.

Was würden Sie mit einem Mitarbeiter des Nabu machen, der genau das tun will?

Siegert: Es gibt bestimmt auch bei uns Mitarbeitende, die Lust haben, eine Kreuzfahrt zu machen. Dann wäre mein Rat: Wählt die Reedereien und Destinationen, bei denen Ihr den kleinsten Fußabdruck habt. Die Kreuzfahrt ist, unter bestimmten Bedingungen, wahrscheinlich weniger CO2-lastig, als wenn ich einen Flieger nehme, irgendwo hinfliege und dann ein Hotel nehme.

Wenn Sie selbst Urlaub machen, wo geht es dann hin?

Siegert: Ich gehe gern wandern, in den Alpen und in den Pyrenäen, und ich bin gern in Südfrankreich. Meistens fahren wir mit der Bahn, und – wenn wir voll besetzt sein können – mit dem Auto. Zur Wahrheit gehört auch: Ich bin auch schon geflogen.

Was müsste passieren, damit Sie ein Kreuzfahrtschiff für eine private Reise nutzen?

Siegert: Ich würde gern mal mit einem Schiff fahren, das ökologisch gesehen den kleinsten Fußabdruck bietet. Das wäre dann die Sea Cloud, aber die kann ich mir leider nicht leisten.