Berlin. Die Fitnessstudios haben im vergangenen Jahr Hunderttausende Mitglieder verloren. Viele Betreiber müssen jetzt ums Überleben kämpfen.
- Die Fitnessstudios sind wegen Corona weiterhin geschlossen
- Zwar gibt es Licht am Ende des Tunnels - doch für viele Studios dürfte das nicht mehr ausreichen
- Kunden müssen den Mitgliedsbeitrag nicht bezahlen, wenn das Studio wegen der Pandemie geschlossen ist - das hat Folgen
„Da eine Wiedereröffnung im Mai 2021 unwahrscheinlich ist, bitten wir Sie weiterhin um Geduld und Solidarität mit Ihrem Club“ – mit diesen Worten bittet eine bundesweit vertretene Fitnesskette um Verständnis dafür, dass der Monatsbeitrag von 75 Euro trotz verriegelter Türen abgebucht wird. Wann die seit November geschlossenen Betriebe wieder aufmachen, ist vielerorts weiter offen. Immer mehr Mitglieder können oder wollen sich das nicht mehr leisten – und kündigen.
Diesen Trend kann der Kündigungsdienstleister Aboalarm in Zahlen fassen: 2020 registrierte das Portal 16 Prozent mehr Kündigungen von Fitness-Verträgen als im Vorjahr. Das geht aus einer Auswertung hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Das stimmt nahezu mit offiziellen Angaben der Branche überein. Nach Angaben des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) ging die Mitgliederzahl der Studios 2020 um 13 Prozent auf 10,31 Millionen zurück.
Fitnessstudios: Drei von vier Ex-Mitgliedern wollen nicht zurückkommen
Vor allem aber eine weitere Zahl aus der Erhebung dürfte den Betreibern der Fitnessstudios Anlass zur Sorge geben: 72 Prozent der Ex-Mitglieder wollen nicht mehr zurückkommen. Sie beklagen etwa mangelndes Entgegenkommen der Betreiber: Fast alle Befragten gaben an, dass sie trotz geschlossener Studios weiter Beiträge zahlen sollten (88 Prozent) und dafür keine Gutscheine als Entschädigung erhielten (87 Prozent).
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Damit endet vorerst der Höhenflug der Fitnessbranche: Das Jahr vor der Corona-Pandemie war für die Muckibuden das erfolgreichste ihrer Geschichte. Die Studiobetreiber kamen 2019 nach DSSV-Zahlen auf 5,51 Milliarden Euro Umsatz. Das war ein Plus von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Mitgliederzahl der 9669 Studios stieg auf den Rekordwert von 11,66 Millionen.
Pandemie bremst die erfolgsverwöhnte Branche aus
Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 änderte sich alles. Monatelang mussten die Studios schließen. Nach einer kurzen Öffnungsphase erzwangen die hohen Infektionszahlen im Herbst einen erneuten Trainingsstopp. Immer mehr Mitglieder würden nun die Geduld verlieren. „Sie stellen sich die Frage: Warum sollen wir für eine Leistung bezahlen, die wir nicht in Anspruch nehmen können?“, sagt Ralph Scholz, Chef des Deutschen Industrieverbands für Fitness und Gesundheit.
Rechtlich sind Mitglieder von Fitnessstudios nicht verpflichtet, bei geschlossenen Studios ihre Beiträge weiterhin zu bezahlen. Darauf weist unter anderem die Verbraucherzentrale Hamburg hin. Jedoch gibt es Einschränkungen: Wurde der Vertrag vor dem 8. März 2020 geschlossen und der Beitrag bereits überwiesen, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher in der Regel einen Gutschein akzeptieren. Inzwischen hat die Politik die Rechte von Sportstudio-Kunden gestärkt.
McFit-Sprecher: „Enorm dankbar für Treue der Mitglieder“
Die Folgen für die Branche sind gravierend. „Auch wir als Marktführer sind betroffen und spüren die Folgen“, sagt Pierre Geisensetter, Sprecher der Kette McFit, unserer Redaktion. Er spricht von einer „enormen Herausforderung“, da viele Mitglieder ihren Vertrag pausierten und kaum neue Verträge abgeschlossen würden. Um den in der Pandemie geänderten Ansprüchen nachzukommen, hat die Kette unter anderem einen monatlich kündbaren Tarif eingeführt.
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Trotz der schwierigen Zeit hielten aber viele Mitglieder zu der Kette. „Das freut uns sehr und über die Treue sind wir enorm dankbar“, sagt Geisensetter.
Aus wirtschaftlicher Sicht könnten die Betreiber durch die Pandemie um Jahre zurückgeworfen werden. „Ein Monat geschlossen kostet uns ein Jahr, um den Schaden wiedergutzumachen“, sagte DSSV-Präsidentin Birgit Schwarze kürzlich. Ihr Verband bezifferte den Schaden für die Branche für 2020 auf 865 Millionen Euro.
Geisensetter: „Nicht alle Studiobetreiber werden überstehen“
Das Ausmaß werde in den Jahren 2021 und 2022 eher noch steigen. Dann müssen die Studios die Folgen des Lockdowns erst richtig abfedern. Die meisten Anbieter entschädigen ihre Mitglieder mit Gratismonaten oder Gutscheinen.
McFit-Mann Geisensetter ahnt: „Diesen langen Lockdown werden nicht alle Studiobetreiber überstehen.“ Das sei „unglaublich schade“, sagt er. Denn die Formel des Marktführers lautet so: Je mehr Sportstudios es gibt, um so mehr Sportlerinnen und Sportler ziehen sie an.
Doch die könnten sich längst umorientiert haben: In der Corona-Krise nehmen sie nicht nur an Online-Kursen teil, die viele Betriebe mittlerweile ihren Mitgliedern anbieten. Immer mehr Fitnessbegeisterte rüsten sich professionell aus mit Kurzhanteln, Trainingsbänken, Spinningrädern und Laufbändern.
Das Geschäft der Fitnessgeräte-Hersteller boomt
So boomt das Geschäft des US-Anbieters Peloton, der Fitnessbikes fürs Heimtraining verkauft. Auch Ausrüster von Fitnessstudios wie der Marktführer Technogym aus Italien wenden sich jetzt direkt an Sportler: Fürs Wohnzimmer-Work-out verkauft Technogym etwa eine Trainingsbank, in der sich die ganze Ausrüstung verstauen lässt.
Wie geht es weiter für die Branche? Mit den derzeit deutlich sinkenden Ansteckungsraten rückt eine Öffnung der Studios näher, mancherorts ist Training unter starken Auflagen bereits wieder möglich. Ab wann was erlaubt ist, regeln die Bundesländer selbst, und das stark unterschiedlich: In Niedersachsen, NRW und Schleswig-Holstein etwa ist Training bereits wieder möglich, in Berlin, Hamburg und Thüringen bleibt das Gym vorerst weiterhin geschlossen. Lesen Sie auch: Hanteltraining für Einsteiger: So halten sich Anfänger fit
Ketten wie McFit gehen bisweilen kreative Wege, um die Schließungen zu umgehen – und haben Trainingsgeräte zum Freilufttraining auf den Parkplatz geräumt.
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