Berlin. Die Politik will die Rechte von Strom-, Sportstudio- oder Streamingkunden stärken. Viele übliche Vertragspraktiken werden verboten.
Es betrifft jeden geschäftsfähigen Konsumenten in Deutschland: Das sogenannte Gesetz für faire Verbraucherverträge soll die Rechte von Millionen Strom-, Gas-, Telefon-, Streaming- oder Fitessstudio-Kunden stärken.
Nach vielen Diskussionen ist der Entwurf des Kabinetts beschlossen worden, jetzt sind Bundestag und Bundesrat am Zug. Eine Zustimmung gilt als sicher, kleine Änderungen gelten als möglich. Ein Überblick:
Verträge sollen sich nicht mehr automatisch verlängern
Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind sie ein Ärgernis: automatische Verlängerungen von Verträgen. Diese greifen dann, wenn die Kündigungsfrist verstrichen ist. Meist hat man schlicht vergessen, sich den entsprechenden Termin zu notieren.
Laut einer Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) war bereits jeder vierte Konsument davon betroffen, in 62 Prozent der Fälle sei ein finanzieller Nachteil entstanden. Jede ungewollte Verlängerung habe im Schnitt 335 Euro gekostet.
Das soll sich künftig ändern: „Verträge können automatisch über drei Monate bis zu einem Jahr nur noch dann verlängert werden, wenn das Unternehmen den Kunden rechtzeitig auf seine Kündigungsmöglichkeit hinweist“, erklärt das zuständige Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV).
Wie genau das gehen soll, steht im Gesetzentwurf: in Textform, spätestens zwei, frühestens jedoch vier Monate vor Ablauf der Vertragsdauer. Der Text muss folgende Informationen enthalten: Zeitpunkt des Vertragsendes; Zeitraum, um den sich der Vertrag verlängert, wenn er nicht rechtzeitig gekündigt wird; Zeitpunkt, zu dem die Kündigung beim Anbieter eingehen muss.
Mindestvertragslaufzeiten sollen eingeschränkt werden
Nach den ursprünglichen Plänen des Ministeriums sollte es künftig gar keine Mindestvertragslaufzeiten von mehr als einem Jahr mehr geben. Weder für Handy- noch für Strom- oder Fitnessverträge. Die aktuell übliche Laufzeit von zwei Jahren, so die Begründung, sei verbraucherunfreundlich und behindere den Wettbewerb.
Daran gab es viel Kritik, vor allem vonseiten der Telekommunikationsanbieter. Sie pochten auf den Erhalt der 24-Monats-Verträge, weil Anschlusskosten oder Raten für den Kauf neuer Smartphones sonst in sehr kurzer Zeit refinanziert werden müssten. Die Preise der Monatsbeiträge, so argumentierte etwa Anbieter Vodafone in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf, müssten bei einem Verbot „stark steigen“. Darüber hinaus gehe Planungssicherheit für milliardenschwere Investitionen in die Infrastruktur verloren, was den Ausbau der Netze behindern könnte.
Am Ende gab es einen Kompromiss. Eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren bleibt erlaubt, soll aber eingeschränkt werden: „Eine Laufzeit von über einem Jahr soll künftig nur wirksam sein, wenn dem Verbraucher auch ein Angebot über die gleiche Leistung mit einer Laufzeit von einem Jahr gemacht wird“, erklärt das Ministerium. Der Preis pro Monat dürfe dabei nicht um mehr als 25 Prozent höher sein.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband ist mit dieser Regelung unzufrieden: „Einjährige Verträge dürfen auf den Monat gerechnet ein Viertel teurer sein als zweijährige Verträge“, erklärt der Verband. Damit sei zu erwarten, „dass Zweijahresverträge auch in Zukunft Standard bleiben und nur Verbraucher mit höherem Budget sich kürzere Verträge leisten können“.
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Die Kündigungsfrist soll verkürzt werden
Die Kündigungsfrist von Verbraucherverträgen soll verkürzt werden: von bisher meist drei auf einen Monat vor Vertragsende. Davon ausgenommen sind allerdings Versicherungsverträge.
Der vzbv, aber auch Kreise des Bundestags fordern darüber hinaus die Einführung eines Kündigungsknopfes. Hier müsse das Gesetz nachgebessert werden. „Genauso schnell und einfach wie man online einen Vertrag abschließen kann, muss er auch wieder kündbar sein“, sagt der Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Sebastian Steineke. Orientierung böte hier der seit 2012 im Online-Handel vorgeschriebene „Jetzt-kaufen-“ oder „Kostenpflichtig-bestellen-Knopf“.
Der vzbv geht sogar noch weiter: Er fordert auch eine Pflicht zu einer automatischen Eingangsbestätigung für alle Kündigungs- und Widerrufsschreiben per E-Mail.
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Lieferverträge für Strom und Gas nur in Textform erlaubt
Seit etwa anderthalb Jahren häufen sich Berichte über telefonisch vermittelte Lieferverträge für Strom und Gas. Die Verbraucherzentrale spricht in diesem Zusammenhang von „Aufdrängen“. Nun soll für Haushaltskunden – unabhängig vom Vertriebsweg und außerhalb der Grundversorgung – die Pflicht zur Textform eingeführt werden.
Das bedeutet: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen den Vertrag per Schreiben oder E-Mail abschließen, damit er wirksam wird. „Dadurch bekommen Verbraucher Gelegenheit, in aller Ruhe zu prüfen, ob sie ihren Energielieferanten oder ihren Vertrag wirklich wechseln möchten“, so das BMJV. Sie könnten so zudem besser davor geschützt werden, dass ihnen ein Vertrag gegen ihren Willen untergeschoben werde.
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Telefonwerbung soll nur mit Einwilligung erlaubt sein
Telefonwerbung ohne Zustimmung ist seit 2013 wettbewerbswidrig. Bei Verstößen drohen Strafen. 2020 hat die zuständige Bundesnetzagentur Bußgelder in Höhe von 1,35 Millionen Euro verhängt. Trotzdem gehen bei ihr weiter Tausende Beschwerden über Verstöße ein, im vergangenen Jahr waren es 63.273, fast 9000 mehr als 2019.
Mit dem jetzt geplanten Gesetz werden Unternehmer verpflichtet, Einwilligungen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu Telefonwerbung zu dokumentieren und fünf Jahre aufzubewahren. Diese Pflicht soll abschreckend wirken.
Ein Klauselverbot soll Abtretungen verhindern
Verbraucher scheuen sich oft, berechtigte Forderungen gegen Unternehmen gerichtlich durchzusetzen, auch wenn die Erfolgsaussichten hoch sind. Darauf hat der Markt reagiert: Immer häufiger bieten Firmen an, diese Geldforderungen durchzusetzen. Sie kaufen die Ansprüche der betroffenen Verbraucher oder lassen sie sich abtreten.
Das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat hier eine Gegenbewegung festgestellt: Viele Unternehmen versuchen, solche Abtretungen durch Verbraucher an Dritte durch Vertragsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu verhindern. Ein neues Klauselverbot soll diese Praxis in Zukunft unwirksam machen.
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