Hamburg. Friederike Driftmann führt die Traditionsfirma mit nur 29 Jahren in die Zukunft. Im Abendblatt spricht sie über ihre Pläne.
Friederike Driftmann ist Hauptgesellschafterin des bekannten Haferflockenherstellers Peter Kölln in Elmshorn. Die 29-Jährige hat Jura studiert, promoviert und bereitet sich auf die Unternehmensnachfolge vor. Die Tochter des 2016 verstorbenen ehemaligen Geschäftsführers, Hans Heinrich Driftmann, der in die Kölln-Familie eingeheiratet hat, überrascht die Mitarbeiter schon jetzt mit eigenen, ungewöhnlichen Ideen. Im Abendblatt-Interview erzählt sie, welche neuen Impulse sie dem Unternehmen gibt und berichtet über ihr Buch „Generation Verantwortung“, das am 11. Mai erscheint.
Frau Driftmann, Sie sind jetzt 29. In der Familie wurde entschieden, dass Sie die Nachfolge an der Spitze des Unternehmens übernehmen. Wie ist der Zeitplan?
Friederike Driftmann: 2015 hat sich die Familie entschieden, erstmals ein fremdes Management einzusetzen. Der Vertrag von Herrn Dr. von Boetticher läuft zehn Jahre. Insofern habe ich noch etwas Zeit, und den genauen Zeithorizont lasse ich mir offen. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen, auf das ich mich gerade vorbereite, möchte ich noch Wissen zum Thema Bilanzen und Controlling vertiefen und strebe einen Postgraduiertenmaster an. Dazu schaue ich mir gerade Hochschulen im In- und Ausland an. Eventuell sammele ich anschließend noch Erfahrung in einem anderen Familienunternehmen, bevor es für mich dann zurück nach Elmshorn geht.
Die vergangenen Jahre waren geprägt von Schicksalsschlägen. Ihre Eltern und Großeltern sind verstorben. Sie haben noch drei Schwestern. War die Entscheidung, dass Sie das Unternehmen einmal leiten werden, schon länger klar?
Friederike Driftmann: Ich habe mich schon immer dafür begeistert und bin schon als kleines Mädchen an der Hand meines Großvaters Ernsthermann Kölln durch die Fabrik gelaufen. Es war klar, dass ich mich hier einbringen wollte. Meine Geschwister haben andere Wege eingeschlagen.
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Ein rätselhafter Auftrag änderte Friederike Driftmanns Leben
Sie wohnen jetzt in Hamburg, sind aber in der historischen Gründer-Villa auf dem Werksgelände in der Innenstadt Elmshorns aufgewachsen. Bald treten Sie die Nachfolge an in einem Unternehmen, das eine 200-jährige Tradition hat. Wie fühlt sich diese Herausforderung an?
Friederike Driftmann: Es ist eine große Herausforderung, denn die unternehmerische Verantwortung schließt vieles mit ein. Zum Glück habe ich Leidenschaft für unsere Produkte – aber das ist ja auch leicht, denn Hafer ist an sich schon toll. Insofern bin ich gut aufgestellt, denn von außen wird erwartet, Interesse für seine Produkte zu haben, dieses zu leben und Neuheiten auf den Markt zu bringen. Ich habe schon immer eine Leidenschaft dafür, bin von klein auf in Hafer verliebt. Es ist ein tolles Unternehmen, mit einer tollen Marke. Doch ich wünsche mir, dass wir die Zukunft in diesem wahnsinnig traditionsbewussten Umfeld noch mehr betonen und damit wachsen.
Inwiefern?
Friederike Driftmann: Etwa mit der digitalen Erreichbarkeit, gerade für junge Menschen. Wir bauen unser Engagement auf Facebook, Instagram und bald auch auf TikTok und Youtube aus. Über diese neuen Kanäle erreichen wir die jungen Zielgruppen, können für sie mit Humor und einem Augenzwinkern unsere Marke erlebbar machen. Hoffentlich werden dann auch sie, wie Generationen zuvor, sagen: Ich bin mit Kölln aufgewachsen.
Auch Sie sind in mehrfacher Hinsicht mit Kölln aufgewachsen. Wie beeinflussen Sie das Unternehmen schon jetzt?
Friederike Driftmann: Ich gebe Impulse, bin an einigen Tagen in der Woche hier im Büro. Ich arbeite mit der operativen Geschäftsleitung zusammen, denn eine Nachfolge von einem auf den anderen Tag wird nicht funktionieren. Es ist ein fließender Übergang, ein Prozess.
Was machen Sie, mal abgesehen von der Präsenz in den digitalen Medien, anders als Ihre Vorgänger?
Friederike Driftmann: Mein Großvater war eine Respektsperson und bescheiden, er ging durch die Gänge, gratulierte den Mitarbeitern, wenn ein Kind konfirmiert wurde. Es ist wichtig, die Beschäftigten in den Vordergrund zu stellen, gerade in einem Produktionsbetrieb, das sind unsere Helden. Ich habe mich für Weihnachts- und Geburtstagskarten für alle Mitarbeiter eingesetzt, die einen persönlichen Gruß von uns enthalten. So lerne ich auch alle kennen, und es ist Teil der Wertschätzung. Aber: Eine andere Zeit bringt auch eine geänderte Unternehmenskultur mit sich, eine neue Generation steht für ein neues Miteinander. Ich möchte die alten Werte mitnehmen, sie aber auch transferieren in eine neue Zeit.
Was meinen Sie damit?
Friederike Driftmann: Ein Beispiel: Wir haben für alle Mitarbeiter dunkelblaue Hoodies (Kapuzenjacken, d. Red.) gekauft, mit dem Firmenlogo. Diese können sie immer tragen und dadurch entsteht ein Teamcharakter, ein neuer Zusammenhalt. Ich habe die Vision vor mir, dass wir hier bei Kölln, an diesem tollen Ort, einen Platz der gemeinsamen Inspiration schaffen. Und: Der Hoodie wird nachhaltig bei Trigema hergestellt, in Deutschland, und damit ebenfalls bei einem Familienunternehmen.
Sie haben gerade gemeinsam mit dem Experten für Familienunternehmen, Christian Bochmann, das Buch „Generation Verantwortung“ herausgegeben, in dem 24 Unternehmensnachfolger von den Umbrüchen eines Generationswechsels in bekannten Familienunternehmen berichten, darunter bekannte Namen wie Christina Block von Block House oder Philip Hitschler-Becker von Hitschler. Was ändert sich gerade?
Friederike Driftmann: In dem Buch berichten die Autoren von ihren ganz persönlichen Erfahrungen in der Unternehmensnachfolge; von den Herausforderungen, aber auch Chancen, die eine Übergabe an die nächste Generation bedeuten. Jeder aus seinem Blickwinkel für seinen Geschäftsbereich. Aber wir sind uns alle einig: Die Zeit der absoluten Profitmaximierung und der absoluten Hierarchien ist vorbei. Ich habe tolle Vorbilder, aber zur Zeit meines Großvaters war der Betrieb sehr hierarchisch organisiert, die Mitarbeiter haben ihn sehr respektiert. Ich möchte mehr auf die Verantwortung und das Knowhow jedes einzelnen setzen, ich bin eine Teamplayerin. Es gilt eher zu motivieren, als zu führen. Das Unternehmen ist sehr geschichtsträchtig, doch die Tradition soll nicht zum Arbeitsbegriff werden.
Die Familienunternehmen gelten nach ihren Worten im Buch als Stabilitätsanker der deutschen Wirtschaft. Wie erfüllen die Nachfolger diese große Verantwortung?
Friederike Driftmann: Deutschland lebt von seinen Familienunternehmen. Und bei der Nachfolge geht es nicht um die bloße Verwaltung von Vermögen. Die Entscheidung, die Verantwortung für eine Firma zu übernehmen, geht weit über das eigene Leben hinaus, denn sie umfasst die Mitarbeiter, die Gesellschaft, die Produkte und die Familie. Anders als viele Konzerne, die für Quartalszahlen arbeiten, denken wir generationenübergreifend.
Haben Sie sich schon einmal einen anderen Lebensweg gewünscht?
Friederike Driftmann: Nein, ich bin so sozialisiert worden, und denke nicht in Alternativen. Außerdem mache ich das ja nicht allein. Wir sind sieben Gesellschafter aus der Familie und arbeiten zusammen an der Zukunft des Unternehmens.
Wie unterstützen sie sich gegenseitig?
Friederike Driftmann: Mein Großvater hat vor 50 Jahren das Schokomüsli erfunden. Die Familie wurde schon damals in alle Prozesse eingebunden, so traf sie sich zum Beispiel zum Probeessen. Und das ist auch noch heute so: Wir entscheiden gemeinsam. Und natürlich müssen wir uns den Pioniergeist meines Großvaters erhalten. Aber ich muss auch sagen, dass wir eine tolle Familie sind – nicht nur, aber auch geeint in dem Wunsch, Peter Kölln erfolgreich in das dritte Jahrhundert zu führen.
Mit welchen Ideen wollen Sie die Kunden überraschen?
Friederike Driftmann: Ich bin ein großer Fan von Haferdrinks und Porridge. Hier sind weitere Produkte denkbar. Aber auch bei Sportlernahrung mit mehr Proteinen sind neue Entwicklungen möglich. Die ganze Welt spricht von Disruption. Und mit Hafer kann man so vieles machen. Vielleicht führen wir irgendwann sogar Hafer als Fleischersatz ein. Wer weiß, was die Zukunft bringt? Wir gucken in alle Richtungen. Wichtig ist mir aber, dass es bei Kölln keine Vorschriften und Verbote gibt, dass weiterhin auch Genuss gelebt wird. Es muss ja auch Schoko-Momente geben im Leben.