Hamburg. Familienunternehmen aus Elmshorn profitiert vom Homeoffice der Kunden. Wie Geschäftsführer von Boetticher die Pandemie erlebt.

Früher waren sie ein Arme-Leute-Essen. Heute feiern sie ein Comeback und werden von Ernährungsexperten sogar als Superfood gefeiert: die Haferflocken. Neben Cranberries und Chiasamen hat sich das heimische Naturprodukt inzwischen einen Stammplatz auf dem Frühstückstisch von Freunden gesunder Ernährung erobert. Und dass Getreide sehr lange sättigt, wusste schon Peter Kölln. Als junger Mann führte er Anfang des 19. Jahrhunderts am Hafen in Elmshorn eine Hafermühle.

Die Idee: Seefahrer sollten mit nahrhaftem Proviant versorgt werden, Kölln lieferte Schiffszwieback für Reisen nach Grönland. Der Grundstein für die Firma war gelegt, und im Jahre 1820 ließ sich Kölln als Grützmacher und Kornhändler in das Handelsregister zu Hamburg Altona eintragen. Es war der 10. November vor 200 Jahren, die Geburtsstunde des heutigen Betriebs „Peter Kölln GmbH & Co. KGaA“.

So sahen die Verpackungen im Jahr 1939 aus.
So sahen die Verpackungen im Jahr 1939 aus. © Peter Kölln GmbH & Co. KGaA

Heute leitet Christian von Boetticher das Unternehmen, das zu einem der größten Arbeitgeber im südlichen Schleswig-Holstein gewachsen ist. Der Geschäftsführer, ehemaliger EU-Abgeordneter und Ex-Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, erzählt gerne über seine persönliche Frühstücksvorliebe: „Ich starte täglich mit hundert Gramm Müsli in den Tag.“ Und er ist offensichtlich nicht der Einzige.

Vor mehr als 80 Jahren wurden „Blütenzarte Köllnflocken“ als Warenzeichen eingetragen

80 Prozent der Deutschen kennen die Marke Kölln heute. Und dazu hat ein weiteres Familienmitglied der Unternehmerdynastie beigetragen: Peter Klaus Diedrich Kölln entwickelte eine hell- und dunkelblaue Verpackung in Schachbrettmuster und schuf damit eine der ersten Markenikonen überhaupt. Vor mehr als 80 Jahren wurden „Blütenzarte Köllnflocken“ als Warenzeichen eingetragen – bis heute sind sie das Flaggschiff der Marke und das bekannteste Produkt des Unternehmens, das sich auch in der siebten Generation noch immer im Familienbesitz befindet.

Von Boetticher, der sich seit Anfang Juli nebenbei als ehrenamtlicher Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie engagiert, hat im Frühjahr wegen Corona die wohl größte Nachfrage nach Haferflocken in der Geschichte des Unternehmens erlebt. „Wir haben Tag und Nacht produziert“, sagt der promovierte Jurist. Die Verbraucher hätten sich zu Hamsterkäufen hinreißen lassen. Und das, „obwohl Getreide immer geerntet werden konnte und nie knapp war“, sagt der 49-Jährige über die unbegründete Sorge der Kunden vor Engpässen.

Firma verzichtet trotz des Jubiläumsjahres wegen Corona auf Feierlichkeiten

Von Boetticher leitet in dem Traditionsunternehmen seit 2015 die Geschäfte und ist dort für mehr als 350 Mitarbeiter verantwortlich. Die Firma verzichtet trotz des Jubiläumsjahres wegen Corona auf Feierlichkeiten und hat zudem zwei Trauerfälle in der Gründerfamilie zu verarbeiten. Ernsthermann Kölln senior starb im Januar im Alter von 96 Jahren, Elfriede „Elfi“ Kölln, folgte ihrem Mann im Mai mit 97 Jahren. Hauptanteilseignerin ist nun Friederike Driftmann, die sich derzeit auch um die Kommunikation zwischen den Gesellschaftern kümmert.

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Die Tochter des 2016 verstorbenen Kölln-Chefs Hans Heinrich Driftmann gilt zudem als designierte Unternehmenschefin. Gerade hat sie ihre Promotion im Lebensmittelrecht abgeschlossen. Im kommenden Jahr steht noch das zweite juristische Staatsexamen an. Zugleich bereitet sich die 28-Jährige mit Kursen in Unternehmensführung auf ihre zukünftige Aufgabe vor. Der Vertrag von Boettichers läuft im Jahr 2025 aus.

Hans Heinrich Driftmann verabschiedete sich 2015 als geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens in den Ruhestand – nach knapp 30 Jahren an der Spitze der Firma. Der erfolgreiche Unternehmer, der zugleich als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) die Politik bis hinauf zu Bundeskanzlerin Angela Merkel in Wirtschaftsfragen beriet, hatte sich mit von Boetticher für einen nicht minder bekannten Nachfolger an der Spitze des Unternehmens entschieden.

Noch heute gehört das Schokomüsli zu Deutschlands beliebtesten Müslimischungen

Noch immer erinnert die Villa der Gründerfamilie inmitten der Werkhallen an die Anfänge des Unternehmens. Auch Driftmann gehörte durch die Ehe mit der Unternehmenserbin Gesche Kölln zur Familie, er hatte Ernsthermann Kölln zu dessen 70. Firmenjubiläum an der Spitze des Aufsichtsrats abgelöst.

Ernsthermann Kölln wiederum, Ururenkel des Gründers Peter Kölln, hatte die Firma aus der Nachkriegszeit geführt und war maßgeblich verantwortlich für das heutige Bild des Firmensitzes in Elmshorn. Bereits 1962 ließ er das charakteristische Kontorgebäude an der Westerstraße errichten; 1965 erfolgte der Bau eines großen Getreidesilos, dessen Schriftzug „Köllnflocken“ bis heute weithin sichtbar ist. Zudem erfand Ernsthermann Kölln als Erster eine Rezeptur aus Haferflocken und Schokolade. Eine bis dahin unvorstellbare Mischung – die zu einem Erfolg wurde. Und noch heute gehört das Schokomüsli zu Deutschlands beliebtesten Müslimischungen.

Neuheiten bei Porridge und Müsli sind geplant

Das Kölln-Werk an der Krückau im Zentrum Elmshorns gehört zu den Top-Mittelständlern in Schleswig-Holstein.
Das Kölln-Werk an der Krückau im Zentrum Elmshorns gehört zu den Top-Mittelständlern in Schleswig-Holstein. © Peter Kölln GmbH&Co KGaA | Peter Kölln GmbH&Co KGaA

In Zukunft will Kölln weitere Müsli- und Porridge-Neuheiten auf den Markt bringen. Das bisherige Corona-Jahr hat der Hersteller wirtschaftlich gut hinter sich gebracht, denn auch die Sparte mit Ölen wie Biskin oder Livio lief durchaus ordentlich. „Die Leute kochen wieder mehr, man spürt, dass viele im Home­office sind“, begründet von Boetticher den Bedarf. Und auch sein eigenes Leben hat sich geändert in der Pandemie.

Der Manager, der im Kreis Pinneberg wohnt, verbringt die Zeit, die er sonst auf Veranstaltungen gehen würde – immerhin ist er auch Landesvorsitzender des Wirtschaftsrats der CDU und Kreisvorsitzender der Partei – nun gerne mit einem Buch daheim. Zuletzt hat er die Biografie von Michelle Obama gelesen. „Mit Büchern, etwas Arbeit auf dem Balkon und Baumarktbesuchen bin ich gut über die Zeit gekommen“, sagt von Boetticher.

Dennoch wünscht sich der Geschäftsführer kaum etwas sehnlicher als ein baldiges Ende der Pandemie. „Es kommt nun eine schwierige Zeit, die Wintermonate dürften mit Corona und den Kontaktbeschränkungen nicht leicht werden“, sagt von Boetticher, der aber zuversichtlich ins nächste Jahr schaut. „Mit etwas Glück können wir dann unser Jubiläum nachfeiern.“