Elmshorn. Peter Kölln in Elmshorn, „Erfinder der Haferflocken“, feiert Geburtstag. Wegen Corona ohne große Feier, dafür mit neuen Sorten.
Absagen von Feierlichkeiten und Events sind aktuell nichts Außergewöhnliches – nicht mal, wenn es um ein Geburtstagskind geht, das doppelnullt. Bei Peter Kölln in Elmshorn war mit Hochdruck an den für Mitte August geplanten Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag auf dem firmeneignen Gelände und während des Hafenfestes gearbeitet worden. Aufgrund der unsicheren Corona-Lage sagte das Unternehmen das Event ab. Eine Feier mit Abstandsregelungen und Masken sei nicht realisierbar, und die Gefahr einer Ansteckung wäre viel zu hoch. Ein Ersatztermin steht noch nicht fest.
Geburtstag hat Deutschlands bekanntester Haferflockenhersteller trotzdem. Ob „Blütenzarte Köllnflocken“, „Kölln Zimtiges Hafer-Porridge“ oder seit einiger Zeit sogar „Zarte Köllnflocken Glutenfrei“: Die blaue Packung mit Haferflocken gehört in vielen Haushalten zum Frühstücksritual. Die „Blütenzarten Köllnflocken“ in der blau-blauen Tüte sind wohl eine der bekanntesten und ältesten Sorten von Kölln und so etwas wie das Flaggschiff des Unternehmens.
Doch gibt es neben den klassischen Flocken längst zahlreiche Müslis, Snacks sowie Haferdrinks, Milchzucker von Edelweiß und Pomps Kindergrieß. Und seit 2004 gehören auch Speiseöle und Pflanzenfette wie Biskin, Livio, Palmin und Mazola zum Portfolio.
Innovationsführer im Müslibereich
Exportiert wird in mehr als 40 Länder, hauptsächlich nach Österreich, Spanien und Italien. Mit 380 Mitarbeitern erzielt das große Familienunternehmen Kölln GmbH & Co. KGaA einen Umsatz von rund 125 Millionen Euro (Stand 2018) und gehört zu den Top-Mittelständlern in Schleswig-Holstein. Das Unternehmen in seinen Backsteingebäuden im Zentrum Elmshorns gilt in der Branche als Innovationsführer im Müslibereich, als größter Anbieter von Cerealien in Deutschland und als Erfinder des Schokomüslis.
Es ist das Unternehmen, das dem bis dahin in Reformhäusern beheimateten Müsli Mitte der 70er-Jahre den Weg in den Lebensmitteleinzelhandel und auf die Frühstückstische der damals noch viel weniger als heute ernährungsbewussten deutschen Haushalte ebnete. Grund genug also für das Unternehmen, stolz auf 200 Jahre Geschichte zurückzublicken.
Dass es keine offizielle Feier gibt, bedeutet aber nicht, dass Kölln nicht weiter auf das besondere Jahr hinweist. Für Müslis-Fans gibt es zum Jubiläums neue Hafer-Müslis, etwa mit mit Beeren und mit Schokolade. Diese Knusperkreationen sind nur zwei von insgesamt sieben neuen Produkten, die die Marke Kölln in diesem Jahr auf den Markt bringt. Der ist hart umkämpft. Immer mehr Unternehmen drängen in das Segment der Frühstücksflocken vor, dessen Umsätze wie in kaum einem anderen Bereich steigen.
Kölln Flocken: Anfänge reichen bis 1795 zurück
Sich selbst haben die Hafer-Experten auch ein Geschenk gemacht, ein ziemlich großes sogar: Am 27. August wurde auf dem Dach der Hauptverwaltung ein neuer Schriftzug angebracht. Nachdem im Jahr 2018 nach mehr als 50 Jahren der alte aus Verkehrssicherheitsgründen entfernt wurde, weist der neue Schriftzug in der Westerstraße wieder auf eines der bekanntesten Elmshorner Unternehmen hin.
Die mannshohen alten blauen Metallbuchstaben lagerten ungenutzt bei Kölln, nun stehen sie im Rosengarten und im Liether Wald. Kinder sollen die Buchstaben suchen und verschiedene Schätz- oder Knobelaufgaben lösen. 50 Preise verlost Peter Kölln unter allen, die bei der Rallye mitmachen. Zu gewinnen gibt es Back-Sets, Waffeleisen oder ein Frühstück für eine Klasse oder Kindergartengruppe.
Am gleichen Standort wie heute beginnt das Unternehmen im Gründungsjahr 1820. Die Anfänge reichen jedoch bis 1795 zurück, als Hans Hinrich Kölln (1770–1812) eine kleine, von Pferden betriebene Grützmühle erwirbt und ausbaut, um die von Elmshorn nach Grönland auslaufenden Seefahrer mit Schiffszwieback zu versorgen. Das Geschäft wird nach dem Tod von Hans Hinrich durch dessen Frau weitergeführt, später übernimmt Sohn Peter. Er gründet 1820 das heutige Unternehmen. Peter Kölln setzt auf den technischen Fortschritt und ersetzt schon bald den Pferdeantrieb durch eine Dampfmaschine.
Der Standort des Unternehmens ist günstig: Per Schiff wird das Importgetreide über die Krückau aus dem Hamburger Hafen nach Elmshorn angeliefert, dort zu Schrot gemahlen und unter anderem als Tierfutter an die Viehzüchter in der Region geliefert. Noch bis ins 21. Jahrhundert kommt das Getreide für die Kölln-Produkte größtenteils per Binnenschiff. Damals beitzt das Unternehmen im Zentrum Elmshorns sogar vier eigene Schiffe. Erst 2001 stellt der Hafer-Experte endgültig auf Lkw um, da die zunehmend verschlickte Krückau nicht mehr schiffbar ist.
Sammelbilder machen die Blütenzarten zum Verkaufshit
Neben der Haferverarbeitung ist im 19. Jahrhundert der Getreidegroßhandel ein Schwerpunkt des Geschäfts. In der vierten Generation kommt es zu einem entscheidenden Meilenstein der Unternehmensgeschichte: Peter Klaus Diedrich Kölln (1890–1956), Urenkel des Gründers, bringt in den 30er-Jahren seine Haferflocken in der praktischen hellblau-dunkelblauen Haushaltspackung auf den Markt und lässt die „Blütenzarten Haferflocken“ 1938 als Marke eintragen.
Ein genialer Werbetrick lässt die Menschen zum Produkt greifen: In jeder Packung gibt es Sammelbildchen mit Märchenmotiven. Besonders beliebt sind die Serien der österreichischen Künstlerin Roswitha Bitterlich. Bis in die 1950er-Jahre verkauft das Unternehmen Sammelalben wie „Mit Roswitha ins Wunderland“ und unterhält eine Tauschzentrale. Die kleinen Haferflockenbilder finden noch heute Sammler.
Im Dritten Reich macht das Unternehmen gute Geschäfte, denn beim Reichsarbeitsdienst und bei der Wehrmacht gehören Haferflocken zur Verpflegung. Die Firma profitiert ebenfalls von der Arbeitskraft von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern. 55 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligt sich das Unternehmen am Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter.
Nach sechs Generationen der Familie Kölln wird die Haferflocken-Dynastie seit 2015 mit Christian von Boetticher, ehemaliger Landwirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, erstmals von einem externen Geschäftsführer geleitet, um es zu einem späteren Zeitpunkt an die siebte Generation der Familie zu übergeben, an Ernsthermann Kölln sen. Enkeltochter Friederike Driftmann (Tochter von Gesche Driftmann und dem 2016 verstorbenen Hans Heinrich Driftmann) als Hauptgesellschafterin.