Hamburg. Mehrere Hundert Arbeitsplätze sollen wegfallen, ein Großteil davon in Hamburg. Betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen.
Die Wortwahl ist drastisch und lässt keine Missverständnisse zu. In dem Schreiben, mit dem sich die Eurogate-Geschäftsführung an die „lieben Kolleginnen und Kollegen“ wendet, werden diese auf harte Zeiten eingeschworen. Die Situation, in der sich die Unternehmensgruppe befinde, sei dramatisch, heißt es da etwa. Bis Ende September hätten die deutschen Eurogate-Gesellschaften einen operativen Verlust von 23 Millionen Euro gemacht. „Wir stehen damit am Jahresende 2020 vor einer existenziellen Herausforderung.“
Die Lösung, mit der die Geschäftsführung der finanziellen Notlage begegnen will, liefert diese gleich mit. 84 Millionen Euro muss Eurogate in Deutschland strukturell bis 2024 einsparen, 38 Millionen davon am Eurogate-Containerterminal Hamburg. Am Dienstag informierte die Führung die rund 980 Mitarbeiter am Standort in einer Videobotschaft über die Details des Sparprogramms.
Eurogate setzt in Hamburg umfangreiches Sparprogramm auf
Das Hafenunternehmen Eurogate betreibt Umschlagterminals in verschiedenen europäischen Häfen, drei in Italien, je eines im portugiesischen Lissabon und im marokkanischen Tanger sowie eines in Limassol auf Zypern. Kernstück sind aber die Terminals in Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg. Starke Veränderungen in der von Reederei-Allianzen geprägten internationalen Containerschifffahrt und ein erheblicher Marktdruck durch europäische Wettbewerber stellen Deutschlands Häfen vor besondere Herausforderungen. Letztere müssen nun Personal- und Sachkosten reduzieren. „Zukunft Eurogate“ heißt das Sparprogramm, von dem der JadeWeserPort in Wilhelmshaven zunächst einmal ausgenommen ist.
Dabei sei ein „sozialverträglicher“ Stellenabbau vorgesehen, heißt es aus dem Unternehmen. Nach Informationen des Abendblatts plant Eurogate, mehrere Hundert Stellen zu streichen, ein Großteil davon in Hamburg. Wie viele es wirklich sind, sagt das Unternehmen nicht. Die Höhe des Stellenabbaus sei abhängig von den Verhandlungsergebnissen mit dem Betriebsräten und werde sozialverträglich gestaltet, etwa durch Vorruhestands- und Abfindungsregelungen, hieß es lediglich in einer Mitteilung.
Diese Themen seien in ihrer Ausgestaltung Gegenstand der jetzt startenden Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern, ebenso wie die Umsetzung aller weiteren notwendigen Einzelmaßnahmen, erklärte die Geschäftsführung. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden, sind aber nicht ausgeschlossen.
Eurogate-Geschäftsführung will Pausen und Ablösezeiten reduzieren
Nicht nur die Mannschaften an der Kaikante, sondern auch die Konzern-Holding muss sparen. Überkommene Strukturen sollen abgebaut und nicht mehr notwendige Leistungen gestrichen werden. Doppelte Strukturen im Vertrieb und in der Holding werden abgeschafft, der Einkauf wird gebündelt.
Die Eurogate-Geschäftsführung will zudem die Pausen und Ablösezeiten am Hamburger Terminal reduzieren. So haben die Terminalmitarbeiter in Hamburg drei Pausen pro Schicht. Beim Konkurrenten Antwerpen ist es nur eine. Insgesamt bestehe das den Arbeitnehmervertretungen vorgestellte Maßnahmenpaket aus mehr als 100 verschiedenen Einzelmaßnahmen.
Dazu gehörten auch eine neue, optimierte Führungsstruktur im Container Terminal Hamburg (CTH) und mehr Kundenorientierung beim Personaleinsatz am Terminal. Die Arbeitszeit der Hafenarbeiter soll sich mehr an die Schiffsfahrpläne angleichen, das gilt auch und insbesondere am Wochenende, Auch das gehört zum Sparprogramm.
Auslöser des Sparprogramms ist der hohe Konkurrenzdruck, dem die Terminals in Hamburg und Bremerhaven ausgesetzt sind. „Im Wettbewerbsvergleich verlieren die deutschen Standorte Hamburg und Bremerhaven insbesondere gegenüber den europäischen Konkurrenzhäfen Antwerpen und Rotterdam, sowohl bei Personalkosten, in der Produktivität der Containerbrücken als auch beim Personaleinsatz bei der Container-Abfertigung eines Schiffes“, steht in der Mitteilung.
Ausbau der Terminals sorgt für starke Preiskämpfe
Bereits im Juli hatte ein Vergleich der Unternehmensberatung McKinsey ein Ungleichgewicht in der Effizienz der Terminals festgestellt. Demnach schafft der Hafen in Antwerpen 30 bis 32 Containerbewegungen pro Stunde. In Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven seien es gerade einmal 20 bis 25. Dabei seien die Kosten hierzulande 50 Prozent höher als dort. In Antwerpen würden durchschnittlich acht Leute in einem Gang arbeiten, hier 11,3.
Ein Gang bezeichnet eine Gruppe von Hafenarbeitern, die an einer Containerbrücke eingesetzt werden. „Moves per Hour“, Containerbewegungen pro Stunde, ist eine wichtige Maßeinheit für die Effizienz eines Umschlagterminals. In Hamburg soll diese wieder auf 28 Containerbewegungen angehoben werden. Zudem führt europaweit der stetige Ausbau der Containerterminal-Kapazitäten derzeit zu Unterauslastungen und Preiskämpfen. Insbesondere mit der 2014 begonnenen schrittweisen Erweiterung des Rotterdamer Umschlags an der Maasvlakte sind die Überkapazitäten deutlich geworden.
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Gleichzeitig verändern sich Warenströme, beispielsweise im Mittelmeer und in der Ostsee, und erweitern das Feld der Wettbewerber zusätzlich. Hier sind Terminalbeteiligungen derzeit sehr beliebt. China sicherte sich etwa den Hafen von Piräus. Der Eurogate-Konkurrent HHLA hat wiederum die Mehrheit an einem Umschlagterminal im Hafen von Triest gekauft.
Das Mittelmeer ist Europas erste Anlaufstelle für die großen Containerdienste im Asien-Europa-Verkehr. Von hier aus werden – mit finanzieller Unterstützung der EU – Verkehrswege ins Hinterland ausgebaut, auf den Balkan und ins mitteleuropäische Festland, das eigentlich bisher über Hamburg und Bremerhaven bedient wurde. Das Angebot für die Reeder zum Umladen ihrer Ware wird größer, und sie können den Druck auf den Hamburger Hafen erhöhen, ihre Ladung abzuziehen, wenn er seine Preise nicht senkt.
„Wir müssen uns jetzt verändern, Strukturen in erheblicher Weise verbessern und unsere Umschlagprozesse beschleunigen. Nur dann können wir unsere Eigenständigkeit bewahren und aus eigener Kraft unternehmerische Entscheidungen treffen“, sagen die beiden Eurogate-Chefs Thomas Eckelmann und Michael Blach.