Hamburg. Bereits am Wochenende haben Handwerker die Arbeit niedergelegt. Großdemo am 19. Dezember. Dabei geht es nicht um den Lohn.

Im Hamburger Hafen wird normalerweise rund um die Uhr gearbeitet. Am vergangenen Wochenende war das aber nicht der Fall. Der Burchardkai – größter und wichtigster Containerterminal der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) – musste von Sonnabend 18 Uhr bis Montagmorgen 7 Uhr seinen Betrieb einstellen. Grund waren Arbeitsniederlegungen der Handwerker. Sie kümmern sich auf dem Terminal um die Reparatur großer Maschinen. Und sie sind bei Störungsmeldungen sofort zur Stelle.

Am Wochenende war aber kein Handwerker verfügbar, so musste der Umschlagbetrieb aus Sicherheitsgründen ruhen. Es war nicht das erste Wochenende, an dem die Handwerker nicht erschienen sind, schon Ende November hatten sie gestreikt. Damals konnte die HHLA den Ausfall aber noch mit auswärtigen Arbeitern verhindern.

Seit Monaten streiten die 106 Handwerker am Burchardkai und am Containerterminal Altenwerder mit der Geschäftsführung über neue Tarifverträge, mit denen sie den anderen Hafenarbeitern an den Terminals tariflich gleichgestellt werden wollen. Dabei geht es weniger um den Lohn als vielmehr um weitere Zusagen: Aufhebung der verpflichtenden Wochenendarbeit, Zusage vermögenswirksamer Leistungen oder etwa heißer Tee ab Temperaturen unter fünf Grad Celsius. Doch in mittlerweile acht Verhandlungsrunden hat es kein Ergebnis gegeben. Denn auch die Gegenseite bleibt hart.

Mindestens 500 Stellen stehen im Hamburger Hafen auf dem Spiel

Die Auseinandersetzung ist nur ein Vorspiel oder eine Facette dessen, was dem gesamten Hamburger Hafen bevorsteht, ohne dass die Politik es bisher zur Kenntnis genommen hat: ein harter Arbeitskampf. „Die Stimmung ist nicht nur bei den Handwerkern, sondern bei allen Kollegen im Hafen extrem aufgeheizt. Sie sorgen sich um ihre Zukunft und bangen um ihre Existenz“, sagt Stephan Gastmeier, für den Hafen zuständiger Gewerkschaftssekretär bei der Gewerkschaft Ver.di.

Auslöser der Unruhe sind die Ankündigungen der beiden großen Terminalbetreiber HHLA und Eurogate, massive Kosteneinsparungen vorzunehmen und die Produktivität an den Terminals zu steigern, um diese effizienter und wirtschaftlicher zu machen. Es geht um Automatisierung und Digitalisierung, aber vor allem auch um eine Reduzierung der Arbeitsplätze. Dabei schließt Eurogate sogar betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. Mindestens 500 Stellen stehen im Hafen auf dem Spiel. „Es können aber auch sehr viel mehr Arbeitsplätze gefährdet sein“, sagt Gastmeier.

Kurz vor Weihnachten wird der Konflikt das erste Mal eskalieren: Am Sonnabend, dem 19. Dezember, ist eine Großdemonstration der Hafenarbeiter geplant. Beschäftigte der großen Terminalbetreiber und des Gesamthafenbetriebs wollen die Stadt und die Politik aufrütteln und auf das aufmerksam machen, was aus ihrer Sicht auf dem Spiel steht. Mit Videos im Internet werden die Arbeiter mobilisiert. „Es geht doch nicht nur um die Jobs, die akut wegfallen sollen“, sagt der Konzernbetriebsratsvorsitzende der HHLA, Norbert Paulsen. Die könne man möglicherweise durch Vorruhestandsregelungen und Altersteilzeit sozial verträglich abfedern. „Es geht vielmehr darum, dass hier viele Arbeitsplätze im Hafen dauerhaft wegfallen werden. Sie sollen einfach verschwinden. Wir lassen uns nicht aus dem Hafen drängen.“

HHLA und Eurogate müssen hohe Millionenbeträge einsparen

Paulsen und die anderen Arbeitnehmervertreter wollen den Umbau des Hafens zum Thema der nächsten Tarifverhandlungen machen, damit sie auch Maßnahmen des Arbeitskampfes wie Streiks anwenden können. Der derzeit gültige Tarifvertrag der Hafenarbeiter läuft Ende Mai 2021 aus. Wie bereits berichtet, will der Vorstand der HHLA am Burchardkai vom Jahr 2025 an im Vergleich zu 2019 jährlich 50 Millionen Euro einsparen. Dazu sollen die automatischen Blocklager ausgebaut und der Containertransport auf dem Terminal auf fahrerlose Fahrzeuge umgestellt werden. „Die Einsparungen sollen ausschließlich beim Personal erfolgen. Das Gesamtarbeitsvolumen am CTB soll dadurch bis zum Jahr 2025 auf fast die Hälfte fallen“, kritisiert Paulsen.

Bei Eurogate ist die Ausgangslage nicht weniger dramatisch: Der Terminalbetreiber will bis 2024 insgesamt 84 Millionen Euro strukturell einsparen, auf Hamburg entfallen dabei 38 Millionen Euro. Auch hier geht es darum, die Produktivität an der Kaikante zu steigern und den Personaleinsatz zu verringern. Mehrere Hundert Stellen stehen in Hamburg und Bremerhaven zur Disposition. Die Eurogate-Geschäftsführung will zudem die Pausen und Ablösezeiten am Hamburger Terminal reduzieren. So haben die Terminalmitarbeiter in Hamburg drei Pausen pro Schicht. In Antwerpen ist es nur eine. Die Arbeitszeit der Hafenarbeiter soll sich zudem mehr an die Schiffsfahrpläne angleichen, das gilt auch und insbesondere am Wochenende.

Hafenbetriebe stehen unter Druck der Konkurrenz

Die Sparankündigungen der Hafenbetriebe haben einen ernsten Hintergrund. Sie stehen selbst mit dem Rücken zur Wand. Der hohe Konkurrenzdruck und Überkapazitäten bei den Wettbewerbshäfen in Nordeuropa zwingt sie dazu, effizienter zu werden. Die Macht der Reedereien, die sich zu starken Konsortien zusammengeschlossen haben, verlangt Preissenkungen beim Hafenumschlag. Sonst verlagern sie ihre Warenströme. Allein Eurogate hat in diesem Jahr in Deutschland bis Ende September Verluste von 23 Millionen Euro eingefahren. Bereits im Juli hatte die Unternehmensberatung McKinsey ein Ungleichgewicht in der Effizienz der Terminals im Vergleich zu den Konkurrenzhäfen festgestellt. Demnach schafft der Hafen in Antwerpen 30 bis 32 Containerbewegungen pro Stunde. In Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven seien es gerade einmal 20 bis 25. Dabei seien die Kosten hierzulande 50 Prozent höher als dort. Auch der Containerterminal Burchardkai schreibt rote Zahlen, die HHLA kann die Verluste nur durch Gewinne in anderen Bereichen auffangen.

„Das berechtigte Interesse am Erhalt von Arbeitsplätzen im Hafen müssen wir mit den Veränderungen in unserem Geschäft und den Forderungen unserer Kunden in Einklang bringen. Die HHLA hat solche Transformationsprozesse in der Vergangenheit gut bewältigt, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam Lösungen erarbeitet und umgesetzt haben“, sagt HHLA-Arbeitsdirektor Torben Seebold dem Abendblatt: In dieser sozialpolitischen Tradition wolle man auch jetzt die notwendigen Schritte gehen, um weiter im Wettbewerb zu bestehen. „Dabei setzen wir auf die aktive Beteiligung unserer Mitbestimmungspartner und unserer Beschäftigten, um die Zukunft der HHLA gemeinsam und robust zu gestalten“, so Seebold.

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Enttäuscht zeigen sich Ver.di und Betriebsräte auch vom Senat. „Uns wurde von der Politik versprochen, dass man sich nach der Bürgerschaftswahl mit uns zusammensetzen wolle. Passiert ist nichts“, sagt Gastmeier. „Wir haben mehrmals um ein Gespräch gebeten. Bis heute hatten wir nicht einmal ein Angebot dazu“, ergänzt Paulsen Das sei umso erstaunlicher, als die HHLA mehrheitlich im Besitz der Stadt ist. Die Wirtschaftsbehörde weist den Vorwurf zurück. „Bei uns haben die Betriebsräte um kein Gespräch gebeten. Wir hätten das auch nicht zurückgewiesen.“