Hamburg. Lockdown light zwingt Hamburger Freizeitbranche zur erneuten Schließung. Neue Probleme für Nordwandhalle, Chocoversum, Rabatzz.

In der Nordwandhalle in Hamburg ist es zuletzt wieder bergauf gegangen – nicht nur bei den Sportlern, die an den steilen Wänden in die Höhe klettern. Auch wirtschaftlich war Geschäftsführer Christian Erenyi mit der Entwicklung der Kletterhalle in Wilhelmsburg zufrieden. Die Umsätze hätten nach der coronabedingten Schließung im Frühjahr in der Folgezeit fast bei 100 Prozent der Vorjahreswerte gelegen. „Die Monate waren überraschend positiv“, sagt Erenyi.

Doch seit Montag ist mit dem Aufwärtstrend Schluss. Es herrscht wieder gähnende Leere im Betrieb. Im Zuge des von der Politik verhängten „Lockdowns light“ muss die Nordwandhalle für den gesamten November die Tore schließen. „Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, sagt Erenyi. Zum einen sei es richtig, dass aufgrund der gestiegenen Infektionszahlen mit dem Coronavirus die Maßnahmen verschärft wurden. In dieser Phase hätten Gebote allein wohl nicht mehr geholfen, so Erenyi: „Aber ob es richtig war, unsere Anlage auf Eis zu legen, darüber kann man nachdenken.“

Hamburg Dungeon war vor dem Lockdown "jeden Tag ausverkauft"

Ebenso wie Gastronomie und Kulturstätten muss die Freizeitbranche zum zweiten Mal komplett die Schotten dicht machen. Der Tenor der Betroffenen ist ähnlich, ergab eine Umfrage des Abendblatts: Verständnis ja, aber auch deutliche Kritik an den Beschlüssen der Politik, die Konsequenzen für die Beschäftigten und die Wiedereröffnung haben.

Mitte Juli gingen im Hamburg Dungeon in der Speicherstadt die Tore wieder auf. „Wir waren jeden Tag ausverkauft“, sagt Marketingleiterin Britta Englisch. Vom Umsatz der Vor-Corona-Zeit war das Gruselkabinett zwar weit entfernt, weil man wegen der Hygieneregeln mit vergrößertem Abstand die Kapazität von 1600 auf 400 Besucher täglich reduzieren musste. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen lief es aber zufriedenstellend, auch wenn unterm Strich ein Minus stehen blieb. Über natürliche Fluktuation und das Auslaufenlassen von Zeitverträgen wurde die Belegschaft von 120 auf 90 Mitarbeiter reduziert. Nun ist fast das gesamte Personal wieder in Kurzarbeit.

Warum das Hamburg Dungeon keine Corona-Hilfen bekommt

„Wenn man sich die Corona-Zahlen ansieht, gab es wohl keinen anderen Weg“, sagt Englisch. Auch wenn die Freizeitbranche kein Hotspot für Infektionen gewesen sei, es im Dungeon keinen Covid-19-Fall gegeben habe. Die von der Bundesregierung geplanten Unterstützungsmaßnahmen seien eine hübsche Idee, aber ihrem Unternehmen helfen sie nicht.

Die Politik will bis zu 75 Prozent des Umsatzes aus dem November 2019 erstatten. „Wir werden aber höchstwahrscheinlich kein Geld kriegen“, sagt Englisch. Zwar zahle die Dungeon Deutschland GmbH ihre Steuern in der Bundesrepublik, aber ebenso wie der Heide Park Soltau oder das Sea-Life-Aquarium in Timmendorfer Strand ist sie Teil der Merlin Entertainments Group. „Weil wir zu einem Konzern gehören mit Sitz in England, haben wir auf diese Fördermittel keinen Anspruch“, sagt Englisch.

Jump House hatte auf bis zu 85 Prozent des Vorjahresumsatzes gehofft

Eine sehr gedämpfte Stimmung ob der geplanten 75-Prozent-Regel gibt es beim Jump House. Freude herrsche über die Erkenntnis der Politik, dass nicht Einzelne allein die Last der Krise tragen können, sagen die beiden Geschäftsführer Christoph Ahmadi und Till Walz: „Das ist gegenüber dem Frühjahr ein wichtiger Schritt.“ Allerdings seien die genauen Rahmenbedingungen der Hilfe noch nicht klar. Und die Erfahrung aus dem ersten Lockdown würde zeigen, „dass es meist nicht ganz so einfach ist, wie es zunächst klingt, und es viele Wenn und Aber gibt“.

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Durch die Einführung neuer, in die Zeit passende Produkte hätte man wahrscheinlich in diesem Monat 80 bis 85 Prozent des Vorjahresumsatzes erzielt und damit mehr als die nun von der Regierung zugesagten Hilfen. Bezogen auf die stark eingeschränkte Kapazität sei man mit dem Restart zufrieden gewesen, was zum Beispiel auch an einem sehr erfolgreichen Trampolin-Camp in den Herbstferien gelegen habe. „Wenn wirklich 75 Prozent kommen, dann hilft uns das natürlich für diesen Lockdown enorm – es gleicht aber nicht im Ansatz den Schaden der letzten acht Monate aus“, sagt Ahmadi.

Jump House sagte in Hamburg 100 Geburtstagsfeiern ab

Angesichts der dramatisch gestiegenen Positiv-Testungen müsse natürlich etwas getan werden. Aber das Manager-Duo hätte sich gewünscht, dass alternative Maßnahmen als die Schließung ganzer Bereiche gefunden worden wären. Zumal es dank des Hygienekonzeptes keine einzige nachgewiesene Infektion bei Gästen oder Jump-House-Mitarbeitern gegeben habe. „Insofern fühlt es sich natürlich nicht gut an und frustriert, trotz aller Anstrengungen nun wieder geschlossen zu sein“, sagt Walz: „Am meisten Sorge bereitet uns, dass es nun zu einem dauerhaften Wechsel zwischen Öffnen und Schließen im Monatstakt kommen könnte – das wird für viele nicht zu überleben sein.“ Für die meisten der knapp 300 Beschäftigten dürfte nun wieder Kurzarbeit angesagt sein.

Ein solider Umsatzbringer sind normalerweise Geburtstagspartys. Zwar gibt es in Hamburg eine Lex Kindergeburtstag, die das Feiern von bis zu zehn Kindern aus mehreren Haushalten ermöglicht. Dies gilt aber nur für Privatwohnungen. Das Jump House musste daher knapp 100 Geburtstagsfeiern in den beiden Hamburger Häusern in Poppenbüttel und Stellingen absagen. Deutschlandweit seien es an den insgesamt sechs Standorten um die 400. Zu dieser Zahl käme noch hinzu, dass viele Kunden gar nicht erst buchen würden. Denn sie seien verunsichert, wann die Trampolinhallen wieder öffnen dürften.

Auch Indoor-Spielplatz Rabatzz hätte sich "spezifischere Lösung gewünscht"

Im Rabatzz in Stellingen werden im Normalfall im November etwa 350 Kindergeburtstage gefeiert. In diesem Herbst waren wegen der unklaren Lage viele verunsicherte Eltern sehr zurückhaltend. Es gab wenige Buchungen für den Indoor-Spielplatz, die meist schon vor Bekanntgabe des Lockdowns storniert wurden. Grundsätzlich habe er Verständnis, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, sagt Geschäftsführer Achim Landvogt. Aber: „Angesichts der inzwischen akzeptierten Erkenntnisse, dass erstens Kinder keine Treiber der Infektionen sind und zweitens während des ersten Lockdowns alle auf den Bewegungsmangel bei Kindern hingewiesen haben, hätten wir uns eine spezifischere Lösung gewünscht.“

Während in engen Privatwohnungen bis zu zehn Kinder aus zehn Haushalten Geburtstag feiern können, „stehen bei uns 3500 Quadratmeter mit vorbildlicher Lüftungsanlage, täglich gereinigt, mit Desinfektionseinrichtungen, mit Tischen auf Abstand und reduzierten Besucherzahlen einfach mal wieder für einen Monat leer“, sagt Landvogt: „Das passt alles nicht zusammen.“ Zumal Kinder im Unterricht, auf Pausenhöfen und auf Spielplätzen viel zusammen seien.

Rabatzz-Chef nennt Lockdown-Hilfen "Bruchteil einer Kompensation"

Bis Ende Juni hatte Landvogt früheren Angaben zufolge das Umsatzminus im laufenden Jahr auf etwa 730.000 Euro beziffert. Nach dem traditionell schwachen Sommergeschäft hätten die Umsatzverluste um die 50 Prozent gependelt. Schulklassen und Kindergärten fielen als Kunden praktisch weg. Vermutlich hätten Lehrer und Erzieher keinen Rechtfertigungsdruck gegenüber den Eltern haben wollen, sagt er. Auch im November hätte das Rabatzz nur mit etwa der Hälfte des Vorjahresumsatzes gerechnet.

Die von der Politik geplanten bis zu 75 Prozent Umsatzerstattung für den laufenden Monat seien der „Bruchteil einer Kompensation für über vier Monate 100 Prozent Umsatztotalausfall, um unsere hohen Verluste zu minimieren“, sagt Landvogt, der mit seiner Ehefrau Brigitte auch die Minigolfanlage Schwarzlichtviertel betreibt, die ebenfalls dicht ist. Die Sichtweise auf einen Monat sei nicht zielführend. Seit Monaten würde man nur durch Rücklagen überleben. Die Mitarbeiter seien wieder komplett in Kurzarbeit, Minijobber pausierten unbezahlt.

Chocoversum: Schokoladenmuseum schließt bis zum Frühjahr

Auch das Chocoversum schickte den Großteil des Teams wieder zu 100 Prozent in Kurzarbeit. Weil die Verträge von Minijobbern und Werkstudenten ruhen gelassen werden, bricht ihnen ein weiteres Mal ihre Geldquelle komplett weg – und das wird weit über den November hinaus so bleiben. „Wir planen das Chocoversum erst wieder mit Beginn der Hamburger Märzferien zu öffnen“, sagt Marketingleiterin Irit-Marie Lenz.

Der Schritt sei nicht leicht gefallen, aber man erhoffe sich dadurch mehr Planungssicherheit in unsicheren Zeiten. November und Dezember seien gewöhnlich starke Monate für das Gruppengeschäft, bei dem das Schokoladenmuseum am Meßberg zum Beispiel für Weihnachtsfeiern gebucht wird. 2020 sind Anfragen von Gruppen massiv gesunken. Januar und Februar seien traditionell touristisch schwierig. Wirtschaftliche Aspekte gaben also den Ausschlag für die längere Schließung bis Ende Februar (der Shop ist nächste Woche noch von Mittwoch bis Sonnabend offen und bietet 25 Prozent Rabatt).

Chocoversum-Chefin über Corona-Hilfen: "Helfen auf jeden Fall sehr"

Dazu bei trugen auch die Corona-Regeln. Die Einführung der Mindestabstände sorgt für eine Reduzierung der Kontingente. In den Ferienzeiten sei man zwar sehr gut ausgelastet gewesen, teilweise habe die Nachfrage das Angebot überstiegen. Nach den Herbstferien brachen die Buchungen aber ein. Wegen des wegfallenden Gruppengeschäfts hatte das Chocoversum für den November mit rund 40 Prozent des Vorjahresumsatzes gerechnet. Die vom Bund avisierten 75-Prozent-Erstattungen begrüßt Lenz: „Sie helfen auf jeden Fall sehr und sind für uns ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“

Zustimmung zu den Berliner Erstattungsplänen kommt auch aus Wilhelmsburg. „Ich finde, das ist ein sehr gutes und faires Angebot“, sagt Nordwandhallen-Chef Erenyi. „Da darf man nicht jammern.“ Er sei froh und glücklich über jede Unterstützung. Die nimmt er jetzt auch wieder bei den Gehaltszahlungen in Anspruch. Fast alle der 35 Mitarbeiter sind erneut in Kurzarbeit, bei der der Staat einen Großteil des Lohns übernimmt. Kündigen will er niemandem.

Nordwandhallen-Chef: "Solidarität sollte auch in der Wirtschaft nicht haltmachen"

Im ersten Lockdown wurde gestrichen, die Gastronomie modernisiert, der Kinderbereich umgebaut. Boulder- und Seilkletterrouten wurden neu gesetzt, was Erenyi nun auch wieder vorhat. Aus der Schließzeit im Frühjahr schleppt er ein Umsatzminus im niedrigen sechsstelligen Bereich herum. Im Sommer war es noch größer, sodass er die Zukunft der Kletterhalle gefährdet sah.

Durch die positiven Sommer- und Herbstmonate sei nun aber viel Druck raus. Im November hätte die Nordwandhalle bei einer Öffnung wohl mehr Erlöse erzielen können als mit der 75-Prozent-Regelung, so Erenyi. Aber er sieht es angesichts der Corona-Krise gelassen: „Solidarität sollte auch in der Wirtschaft nicht haltmachen. Das ist halt unser Beitrag.“