Hamburg. Hier war schon Helmut Kohl zu Gast, nun ist das Kleine Hotel Heimfeld in Harburg häufig leer. Inhaber verlangt eine Perspektive.

An diesem Morgen war Peter Hufnagel wieder der erste. Er hat die Kaffeemaschine gestartet, in der Küche Käse- und Wurstplatten vorbereitet, Marmelade abgefüllt und die Brötchen rangiert. Denn ab 6.30 Uhr gibt es Frühstück im Kleinen Hotel Heimfeld. Normalerweise ist eine Mitarbeiterin dafür zuständig. „Aber für zwei Gäste lohnt sich das nicht“, sagt Hotelchef Hufnagel. Er erledigt jetzt möglichst viel selbst. „In den vergangenen Monaten habe ich schon sämtliche Jobs hier im Haus gemacht.“ Frühstücksvorbereitung, Rezeptionsdienst, Rasenmähen, Reparaturen. Auch die Zimmer hat der studierte Diplom-Kaufmann schon geputzt. Und es sieht so aus, dass sich das so schnell auch nicht ändern wird.

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Der November-Lockdown trifft den Hotelier hart. Schon seit die Infektionszahlen vor drei Wochen anfingen zu steigen, geht es in Mails und Anrufen immer seltener um Zimmerbuchungen – sondern meistens um Stornierungen. Anfang dieser Woche waren von den 33 Einzel- und Doppelzimmern in dem Traditionshaus gerade mal die Hälfte belegt – zumindest für zwei bis drei Tage.

Am Wochenende ist das Hotel komplett leer

„Die Gäste sind Geschäftsreisende und Handwerker auf Montage“, sagt Hotelier Hufnagel. Er rechnet damit, dass auch sie in den nächsten Wochen immer häufiger zu Hause bleiben werden. Kostenlose Stornierungen sind bei ihm jetzt sogar noch bis 18 Uhr am Anreisetag möglich. Am Wochenende, wenn in normalen Zeiten Touristen kommen, ist das Hotel inzwischen komplett leer. Denn touristische Reisen sind nach den aktuellen Corona-Einschränkungen nicht erlaubt. Trotzdem wird Peter Hufnagel sein Haus nicht komplett schließen. „Das kommt gar nicht in Frage“, sagt der 52-Jährige. „Sonst verlieren wir auch noch unsere Stammgäste.“

Das Kleine Hotel Heimfeld hat insgesamt 33 Zimmer.
Das Kleine Hotel Heimfeld hat insgesamt 33 Zimmer. © Michael Rauhe

Vor knapp zwei Jahren hatte er das Hotel gemeinsam mit einem Immobilienentwickler aus Münster gekauft und komplett renoviert. Die Ursprünge des Hauses, in dem schon Langzeit-Bundeskanzler Helmut Kohl, Schlagerstar Roberto Blanco und der Rennfahrer Leopold „Poldi“ Prinz von Bayern zu Gast waren, sind zwei Gründerzeit-Villen. In den 1970-er Jahren waren sie mit einem Flachbau verbunden worden.

Zum Ensemble gehört noch eine weitere Villa, die als Gästehaus mit Pensionszimmern dient. Eine mittlere sechsstellige Summe hat das Unternehmer-Duo in die Neugestaltung der Zimmer investiert und sie mit neuen Betten, modernem Farbkonzept und abgeschliffenen Böden ausgestattet. Den Betrieb übernahm Geschäftsführer Peter Hufnagel, mit einem erfahrenen Hotelmanager an seiner Seite. Das Haus im Heimfeld, so der Plan, soll eine Art Blaupause sein für weitere Übernahmen. Im August des vergangenen Jahres eröffnete das Kleine Hotel Heimfeld wieder.

Beim Start lag die Auslastung bei 80 Prozent

„Der Start lief besser als erwartet“, sagt Hufnagel, der zuvor als selbstständiger Immobilienkaufmann sein Geld verdient hatte. In den ersten Monaten habe die Auslastung bei 80 Prozent gelegen, bei Preisen ab 69 Euro für ein Einzelzimmer. Gäste kamen über Firmen in der Umgebung, die Technische Universität Hamburg oder die Asklepius-Klinik in Harburg, die nur einen Steinwurf entfernt ist. „Es ist ein Standort mit Potenzial“, sagt der Chef des Hotels auf Drei-Sterne-Niveau. „Es gibt viele, die die persönliche Ansprache schätzen und bewusst ein Haus wie unseres aussuchen.“

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Positiv wirkte sich auch eine Kooperation mit dem renommierten Luxus-Privathotel Lindtner in der unmittelbaren Nachbarschaft aus. So war das Kleine Hotel Heimfeld ab Mitte März wegen einer großen Firmenveranstaltung für vier Wochen lang komplett ausgebucht. Dann kam der erste Corona-Lockdown. Für Hufnagel und sein fünfköpfiges Team ein ökonomisches Desaster. Die Veranstaltung wurde abgesagt. „Wir hatten einen Monat keinen einzigen Gast.“ Ein Umsatzverlust von etwa 50.000 Euro war die Folge.

Der Hotelier hat nicht mit zweiten Lockdown gerechnet

Erst im Juni war das Geschäft wieder angelaufen. Genaue Zahlen nennt er nicht. Aber man sieht ihm an, wie weh das tut. Hufnagel hatte seine Mitarbeiter ab März in Kurzarbeit geschickt und Corona-Soforthilfe beantragt. „Wir haben 14.000 Euro bekommen. Das war gut, aber angesichts unserer Verluste ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Der Hotelchef stellte eine Plexiglasscheibe auf den Rezeptionstresen, rückte die Tische im Frühstücksraum auseinander – und hoffte, dass es ein Sommergeschäft geben würde.

Im August kamen die Gäste wieder. Im September wuchs die Zuversicht, dass das Jahr vielleicht doch nicht ganz verloren sein wird. Die Auslastung stieg auf 70 Prozent. Auch Städtereisende buchten wieder. „Ich hatte zwar nicht das Gefühl, dass wir über den Berg sind“, sagt der Familienvater, der mit Ehefrau und drei Schulkindern im Landkreis Harburg wohnt. „Aber es sah ganz gut aus.“ Mit einem zweiten Lockdown hat er einfach nicht mehr gerechnet.

Seit Anfang des Monats ist es aber wieder soweit. Deutschland fährt herunter. Und im Hotel wird es wieder leer. Dafür häufen sich in Hufnagels Mail-Postfach die Angebote von Beratern und Dienstleistern, die Produkte und Services anbieten, die den Hotelbetrieb auch unter Corona-Beschränkungen gewährleisten können. Der Hotelier lacht trocken. „Geschäftemacherei“ nennt er das. Sein Hygiene-Konzept greife. Im Kleinen Hotel Heimfeld habe es noch keinen Covid-19-Fall gegeben.

Klarheit zur Ausgestaltung des Entschädigungsfonds gefordert

Inzwischen ist der Optimismus nach dem guten Start vor einem Jahr weg. Es geht jetzt nur noch ums Überleben. Miete, Gehaltszahlungen, Energiekosten und Kreditzinsen laufen weiter. Auch die Tilgung, die die Hausbank während des ersten Lockdowns ausgesetzt hatte, werde wieder fällig. „Das geht nur, wenn man auf Eigenmittel zurückgreift“, sagt Hufnagel. Aber er sagt nicht, wie lange. Staatliche Hilfen wie das Überbrückungsgeld kämen für das junge Unternehmen nicht in Frage.

Und wie sich die Ankündigung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), den von Corona-Beschränkungen betroffenen Betrieben für den November bis zu 75 Prozent des Vorjahresumsatzes zu ersetzen, auf sein Hotels auswirken, ist noch unklar. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband fordert schnelle Klarheit zur konkreten Ausgestaltung des Entschädigungsprogramms. „Die Betriebe verlassen sich auf das gesprochene Wort der Politik“, sagte Präsident Guido Zöllick.

In Hamburg sind 400 Hotels betroffen

In Hamburg sind gut 400 Hotels betroffen – von Luxusherbergen wie dem Vier Jahreszeiten oder Atlantik bis zum inhabergeführten Haus mit einem Dutzend Zimmern. Die Krise trifft den Wachstumsmarkt Tourismus mit voller Wucht. Laut amtlicher Statistik hat die Elbmetropole inzwischen 63.000 Betten in etwa 40.000 Hotelzimmern. Allein im vergangenen Jahr waren zehn neue Hotels mit mehr als 2000 Zimmern entstanden – und gut gebucht. Und die Pläne für weitere Unterkünfte liegen in den Schubladen der Architekten.

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DEHOGA rechnet mit Insolvenzen

Jetzt sind einige Hotels, wie das Tortue in den Stadthöfen schon zum zweiten Mal in diesem Jahr geschlossen. Auch das edle Hotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee wird erneut dicht gemacht. „Es geht nicht nur um den November, auch Buchungen im Dezember werden storniert. Die Unsicherheit ist groß“, sagt der Präsident des Hamburger Hotel- und Gaststättenverbandes Franz J. Klein. Das werde erhebliche Folgen für die Betriebe haben. „Wir rechnen damit, dass es eine Reihe von Insolvenzen gerade auch bei den kleineren privatgeführten Hotels geben wird.“

Peter Hufnagel vom Kleinen Hotel Heimfeld will sich aber nicht geschlagen geben, er ist ein Kämpfer. Auch er rechnet nicht damit, dass Kontakt- und Reisebeschränkungen im Dezember wieder zurückgenommen werden. Dann kommt der Januar, für die Branche sowieso kein guter Monat. „Wir brauchen jetzt eine Perspektive vom Staat, der uns Hilfen zur Selbsthilfe gibt“, sagt der Unternehmen. Er wolle nichts geschenkt, aber ohne einen Rahmen, in dem man kalkulieren kann, werde es nicht gehen. Er setzt jetzt vor allem auf einen Neustart im Frühjahr. „Es wird nicht wieder wie vorher, aber ich hoffe, dass wir über die Runden kommen.“