Hamburg. Im ersten Interview spricht der neue Hauptgeschäftsführer über die Finanzlage, die Strategie 2040 und sein Gehalt.
Wegen interner Streitigkeiten in der Handelskammer hatte Hauptgeschäftsführerin Christi Degen vor einem Jahr ihr Amt aufgegeben. Seitdem war der wichtige Posten vakant. Die neue ehrenamtliche Leitung unter Präses Norbert Aust wollte eigentlich ein Geschäftsführungsgremium im Hauptamt installieren. Doch finanzielle Probleme ließen das nicht zu. Jetzt gibt es doch nur einen neuen Hauptgeschäftsführer. Sein Name ist Malte Heyne, und er kennt die Kammer sehr gut.
Der promovierte Volkswirt hat sieben Jahre lang in verschiedenen Funktionen der Kammer gearbeitet, bevor er 2014 zum Geschäftsführer der IHK Nord, dem Verbund der zwölf norddeutschen Kammern, berufen wurde. Seit 1. August trägt er die Verantwortung für die wichtigste und größte Kammer. Im Abendblatt-Gespräch erklärt er, wie die Kammer sich aufstellen muss, um der Wirtschaft aus der schweren Corona-Krise zu helfen.
Hamburger Abendblatt: Herr Heyne, Der Posten des Hauptgeschäftsführers hat sich für Ihre Vorgänger als Feuerstuhl erwiesen. Wird Ihnen schon warm?
Malte Heyne: Angesichts der Temperaturen heute, ja. Aber wenn Sie meine Tätigkeit meinen, ist das eine Aufgabe, auf die ich mich sehr freue. Eine großartige Herausforderung, die ich nicht als Risiko sehe, sondern als Chance.
Die Wirtschaft kämpft mit Corona. Das Image der Kammer liegt am Boden. Wie wollen Sie da durchdringen?
Heyne: In der Tat müssen wir verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Wir wollen uns als Standortmanager etablieren, indem wir das Gesamtinteresse der Hamburger Wirtschaft ermitteln und gegenüber der Politik artikulieren. Und wir müssen eine Vordenker-Funktion für den Wirtschaftsstandort haben und zum Trend-Scout für unsere Mitgliedsunternehmen werden. So wollen wir uns als wichtiger Partner bei der Unternehmensentwicklung anbieten.
Die finanzielle Situation der Kammer lässt wenige Spielräume zu. Ihnen fehlen mehr als acht Millionen Euro an Mitgliedsbeiträgen – und Sie werden das Jahr 2020 voraussichtlich mit einem Minus abschließen. Da ist kaum Raum für große Sprünge.
Heyne: Das ist eine schwierige Situation. Dass die Corona-Krise, die unsere Mitgliedsunternehmen so schwer trifft, auch vor uns nicht halt macht, ist verständlich. Wir wissen aber noch nicht, wie genau sich die Krise im weiteren Verlauf auf die Beitragssituation auswirkt. Wir konzentrieren uns jetzt erst einmal darauf, die Wirtschaft beim Neustart nach der Krise zu unterstützen. Dann erarbeiten wir eine Standortstrategie und entwickeln eine mittelfristige Finanzplanung.
Aber auch da sieht es doch düster auf. Ihnen fehlen 20 Millionen Euro an Rücklagen, die Sie für Pensionszahlungen benötigen. Ist die Finanzsituation der Kammer prekär?
Heyne: Wir sind nach wie vor in einer soliden finanziellen Lage. Mehr Rücklagen könnten wir aber gebrauchen, wie viele andere Unternehmen, die von der Krise betroffen sind. Es gibt einen Einstellungsstopp für das laufende Jahr. Frei werdende Stellen werden nicht nachbesetzt.
Müssen Sie Kredite aufnehmen?
Heyne: Wir rechnen damit, dieses und voraussichtlich kommendes Jahr ohne Kreditaufnahmen auszukommen. Im Übrigen müssen wir mit dem Plenum eine Diskussion über die künftige Ausrichtung der Kammer führen, um eine Priorisierung unserer Aufgaben vorzunehmen. Und wir müssen aus der finanziellen Not eine Tugend machen.
Wie das?
Heyne: Indem wir beispielsweise die ehrenamtlichen Kräfte der Kammer noch mehr aktivieren. Großes Potenzial für Synergien sehe ich in einer engeren Zusammenarbeit der Kammern im Norden. Wir könnten beispielsweise gemeinsame Beratungsleistungen anbieten und bei Verwaltungsaufgaben kooperieren, um mehr Ressourcen für andere Aufgaben zu haben. Die Corona-Krise trifft nicht nur die Hamburger Kammer. Alle haben mit Mindereinnahmen zu kämpfen, so dass wir gemeinsam an Lösungen arbeiten sollten.
Wie ist denn die Bereitschaft Ihrer Mitarbeiter? Deren Vertrauensverhältnis zur Kammerführung war unter dem vergangenen Präsidium der Kammerrebellen erheblich gestört. Was wollen Sie anders machen als Ihre Vorgängerin im Hauptamt?
Heyne: Die Mitarbeiter haben in der Tat turbulente Jahre hinter sich. Da wurde mit Wucht eine Diskussion darüber geführt, welchen Sinn die Kammer hat. Das färbt natürlich auch auf das Selbstverständnis der Mitarbeiter ab. Also müssen wir dort das Vertrauen wieder herstellen und gemeinsam mit Haupt- und Ehrenamt sowie unseren Mitgliedern ein neues Selbstverständnis aufbauen. Hamburg braucht eine starke Kammer, die als Interessenvertretung der Wirtschaft nach vorne denkt. Das kann den Mitarbeitern einen Motivationsschub geben. Zudem führe ich Gespräche, um den Kollegen Perspektiven aufzuzeigen. Ich möchte einen modernen Führungsstil zeigen und ihnen mehr Freiheit zur eigenen Verantwortung geben.
Eine Person, der Sie das neue Selbstverständnis der Kammer übermitteln müssen, ist der Bürgermeister. Haben Sie mit ihm schon gesprochen?
Heyne: Es ist in der kommenden Woche ein Gespräch mit ihm und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann geplant.
Ihr Vor-Vorgänger Hans-Jörg Schmidt-Trenz ist der Politik gegenüber sehr selbstbewusst aufgetreten. Er hat immer auf die Verbindungstür der Kammer zum Rathaus verwiesen. Wie werden Sie sich geben?
Heyne: Um diese Tür ranken sich mehr Mythen als tatsächlich dran ist. Immerhin weiß ich, wo der Schlüssel dazu liegt. Aber um auf Ihre Frage zu kommen: Unser Ziel ist es, einen engen, vertrauensvollen Draht zur Politik aufzubauen. Das ist schon notwendig, um den Unternehmen in der derzeitigen Situation zu helfen und eine große Pleitewelle zu vermeiden. Einen zweiten Lockdown verkraftet die Wirtschaft nicht. Da müssen wir zusammen mit der Politik kurzfristig Lösungen entwickeln, um das zu vermeiden.
Dass Sie allein zu diesem Gespräch gekommen sind, ist eigentlich schon ein Betriebsunfall. Eigentlich hatte die ehrenamtliche Kammerführung doch ein Triumvirat aus drei Geschäftsführern angestrebt.
Heyne: Ich glaube, man hat mich nicht zuletzt mit diesem Amt betraut, weil ich ein teamorientiertes Führungsverständnis habe. Dass das Coronavirus mit den finanziellen Folgen ein Geschäftsführergremium im Moment nicht ermöglicht, versteht jeder. Das soll aber nicht heißen, dass die Geschäftsführung in besseren Zeiten nicht wachsen kann. Ich fände das spannend.
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Welche Themen wollen Sie denn als Trend-Scout bewegen?
Heyne: Was wird aus dem Luftfahrtstandort Hamburg? Was wird aus dem Hafen, wenn sich die internationale Lieferketten verändern? Wie können wir unserer Innenstadt nach Corona eine Perspektive geben? „Hamburg 2040“ heißt diese Strategie, mit der wir in den kommenden Wochen und Monaten eine wegweisende Vision für die Stadt entwickeln werden. Diese Strategie bildet den Rahmen für unser inhaltliches Profil und das künftige Aufgabenportfolio der Kammer.
Da haben Sie viel vor. In der Vergangenheit wurde kontrovers über das Einkommen des Hauptgeschäftsführers diskutiert. Was verdienen Sie?
Heyne: Im Rahmen der bestehenden Vergütungsregelung, die sich am Gehalt des Wirtschaftssenators orientiert, bekomme ich ein Gehalt von 190.000 Euro plus einer variablen Prämie von bis zu 35.000 Euro ohne Altersversorgung.