Die Handelskammer-Wahl geht zu Ende. Auf Ruinen muss etwas Neues entstehen.

Rund drei Jahre ist die Revolution am Adolphsplatz nun her. Mit dem eingängigen Slogan „Pflichtbeiträge abschaffen“ eroberten Tobias Bergmann und seine Weggefährten von „Die Kammer sind WIR!“ zunächst die Herzen vieler Unternehmer und wenig später das Plenum der altehrwürdigen Wirtschaftsvertretung. 55 von 58 Sitzen konnten die Rebellen einnehmen – ein Erfolg, den in dieser Deutlichkeit niemand erwartet hatte. Selbst die Sieger waren überrascht, taten sich zu Anfang schwer damit, die ihnen zugewiesenen Plätze im Plenum seriös zu besetzen.

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Grüppchen in der zuvor homogenen Bewegung zusammenfanden. Diese Fraktionsbildung – getrieben durch interne Machtkämpfe – sowie die Aufgabe des zentralen Wahlversprechens, die Pflichtbeiträge abzuschaffen, bedeuteten den Anfang vom Ende der selbst ernannten Robin Hoods aus der Hansestadt. Der Rest ist Geschichte.

Der verhasste langjährige Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz wurde mit einer hohen Abfindung in die Wüste geschickt, seine von den Revolutionären selbst ausgesuchte Nachfolgerin musste ebenfalls – nach nur kurzer Amtszeit – gehen. Mit unkoordinierten Sparvorschlägen brachte die neue Führung die Belegschaft gegen sich auf, man zerstritt sich untereinander so stark, dass sogar der einstige Anführer Tobias Bergmann seinen Präses-Posten räumen musste. Waren es nun drei Jahre Chaos am Adolphsplatz – oder doch mehr?

Man würde den Rebellen nicht gerecht, wenn man ihr Handeln als komplett überflüssig und ausschließlich zerstörerisch abtun würde. Letztlich haben sie verkrustete, fast schon zementierte Strukturen aufgebrochen und die Arbeit der Handelskammer deutlich transparenter gemacht. Denn das Herrschaftssystem Schmidt-Trenz erinnerte eher an eine Monarchie als an eine Demokratie. Nicht umsonst witzelten bereits vor vielen Jahren Plenarmitglieder darüber, dass der Präses nicht wirklich von den Firmen bestimmt, sondern von Schmidt-Trenz’ Gnaden inthronisiert würde. Diese One-Man-Show haben Bergmann und Co. beendet, allerdings mit der Folge, dass die Kammer als mächtige wirtschaftspolitische Stimme in der Stadt verstummte – eine fatale Entwicklung.

Die Liveübertragung von Plenarsitzungen über das Internet ließ zumindest den Vorwurf, in der Kammer arbeite man wie in einem Geheimzirkel, verstummen. Allerdings erinnerten die Darbietungen der Rebellen im Plenum – Streitereien und Beleidigungen inklusive – oft eher an das RTL-Dschungelcamp als an eine seriöse, inhaltlich wertvolle Diskussionsrunde. Die Rebellen haben Bewegung in die Handelskammer gebracht, doch der Preis war hoch, zu hoch. Das neue Ehrenamt, darin sind sich mittlerweile alle – auch die früheren Rebellen – einig, muss sich endlich wieder Vertrauen in der Stadt und in der eigenen Belegschaft erarbeiten. Auf den Ruinen der alten Kammer muss eine neue, moderne Vertretung der Hamburger Wirtschaft entstehen.

Bis kommenden Dienstag haben die Firmen der Hansestadt noch das Wort, können sich bei der Plenarwahl zwischen Ex-Rebellen, Gegen-Rebellen und selbst ernannten Modernisierern entscheiden. Die Wahlbeteiligung soll bisher übrigens extrem niedrig sein, was einem Desaster gleichkäme. Den Unternehmen sollte es nicht egal sein, wer sich in den kommenden Jahren für sie einsetzt. Die Wahl ist wichtiger als der Urnengang vor drei Jahren. Damals ging es darum, etwas zu zerstören, was (leider) auch gelang. Nun muss etwas Neues erschaffen, aufgebaut werden. Unternehmer, die dabei nur am Rande stehen und wegschauen, dürfen sich später nicht beschweren, wenn das wenig produktive Chaos der vergangenen Jahre von einem gefährlichen Stillstand abgelöst wird.