Marmstorf. Fluggerät „Beagle“ kann bis zu drei Kilo transportieren oder Leitungen überwachen. Auch die Baumschule hat eine Verwendung.
Eine Transport-Drohne, die sich selbst steuert, deshalb ohne Fernbedienung auskommt und bis zu 200 Kilometer weit fliegen kann: Ein solches Fluggerät haben Oliver Zoeller, Mitja Wittersheim und Jerry Tang in einem zur Werkstatt umgewandelten Quickborner Schweinestall entwickelt. Die unbemannten Flieger und die daraus entstandene Firma wurden nach dem Bürohund getauft: Beagle Systems. Im Frühjahr erhielten die Tüftler die bundesweit erste allgemeine Flugerlaubnis für eine Drohne, die ohne Sichtkontakt gesteuert wird. Für Niedersachsen. Und dort, direkt am Hamburger Stadtrand, liegt auch ihr Testfeld. Die Beagles fliegen über den Gehölzen der Baumschule Lorenz von Ehren (LvE).
Zuerst war man bei von Ehren skeptisch
„Als das Team uns fragte, ob es seine Neuentwicklungen auf unseren Flächen testen dürfe, haben wir das erst einmal abgelehnt. Wir hielten das für zu gefährlich, weil viele Spaziergänger im Gelände unterwegs sind. Auch fürchteten wir, dass unsere Bäume Schaden nehmen. Dann haben wir uns das Projekt erklären lassen und letztlich doch zugestimmt“, sagt Kay Hackmack, Gärtnermeister bei LvE. Zunächst geht es darum, die Leistungsfähigkeit und Eigenschaften der Fluggeräte zu ermitteln und wieder neue, von Jerry Tang überarbeitete Beagles ins Rennen zu schicken. Viele Bauteile stammen aus hauseigenen 3D-Druckern. So lassen sich technische Verfeinerungen schnell in ein neues Gerät umsetzen.
Drohne ist inzwischen marktreif
Inzwischen sind die ersten Drohnen nach Aussage ihrer Konstrukteure marktreif und damit für die Baumschule als potenzielle Servicekräfte interessant. „Unser bislang größter Drohnentyp, der Beagle M, kann eine Nutzlast von drei Kilogramm tragen“, sagt Oliver Zoellner. „Dadurch können in einem Flug gleich mehrere Messgeräte eingesetzt werden. Bei von Ehren könnten wir zum Beispiel die Bodenfeuchte auf den einzelnen Flächen ermitteln und vielleicht auch ein Instrument an Bord nehmen, das Schädlingsbefall erkennt.“ Gerade die automatisierte Feuchtigkeitsmessung ist für die Baumschule interessant. Mit ihrer Hilfe könnte sie die einzelnen Produktionsflächen zielgenauer bewässern.
Punktgenaue Analyse der Bodenfeuchtigkeit
„Bernhard von Ehren erzählte mir, dass die Bewässerung zu Zeiten, als sein Vater die Baumschule leitete, überhaupt kein Thema war“, sagt Hackmack. „Es hat damals genug geregnet. Inzwischen geben wir viel Geld für Bewässerung aus. Und angesichts des Klimawandels wird sich das Problem langfristig noch verschärfen.“ Oft regne es lokal sehr unterschiedlich stark – eine Fläche bekomme an einem Tag neun Liter pro Quadratmeter, eine andere 29 Liter. „Das erschwert uns die Aufgabe, alle Standorte gleichmäßig gut mit Wasser zu versorgen. Eine Drohne, die die Bodenfeuchte für die gesamte Fläche erfasst, wäre eine große Hilfe.“
Gezielte Bewässerung spart Geld
Die gezieltere Bewässerung anhand von Feuchtedaten würde sich wirtschaftlich auszahlen. Durch sie kann nicht nur kostbares Wasser gespart werden. Sie trägt auch dazu bei, die Bäume optimal zu versorgen. Hackmack: „Wassermangel bedeutet geringeres Wachstum. Vom Wachstum lebt die Baumschule – wir ziehen kleine Bäume groß.“ Die Serviceleistung der Drohne wird es allerdings nicht gratis geben, schließlich will auch das Jungunternehmen Beagle Systems wachsen. Es ist im August 2019 in einen Gewerbehof in Wandsbek gezogen, gefördert von der Stadt Hamburg mit 150.000 Euro.
Beide Seiten, die Drohnenanbieter und die Baumschule, haben offensichtlich Interesse, miteinander ins Geschäft zu kommen. Der Einsatz in Baumschulen ist generell aber nicht das Ziel der Drohnenväter. Vielmehr sollen ihre unbemannten Flugobjekte Inspektions- und Transportaufgaben übernehmen. Die Flugrouten werden vorher programmiert. Orientierung liefert das GPS-Satellitennetz. Die Kommunikation mit Beagle Systems läuft über ein 4G-Mobilfunknetz.
Stromnetzbetreiber sind potenzielle Kunden
Potenzielle Kunden könnten etwa Verteilnetzbetreiber werden, die ihre Hochspannungsleitungen oder Bahngleise per Drohnenflug überwachen lassen. „Die Drohne kann Trassen mit Kameras abfliegen“, sagt Oliver Zoeller. „Und sogar automatisch auf Fehlermeldungen reagieren.“ Wenn heute ein Kurzschluss an einer Trasse angezeigt wird, müssen Monteure hinausfahren und die Ursache erkunden. Es kann ein großer Schaden entstanden sein. Vielleicht ist aber auch nur ein Vogel mit der Stromleitung kollidiert. Das ist für den Vogel tragisch, ruft aber keinen Reparaturbedarf hervor. Zoeller: „Ein Ziel könnte sein, dass eine Beagle-Drohne automatisch zum Ort des Kurzschlusses fliegt und dem Kontrollraum Bilder von der betroffenen Stelle liefert. Dann kann entschieden werden, ob und wie darauf reagiert werden muss.“
Laborflüge vom Krankenhaus
Drohnen, die Inspektionsflüge machen, gibt es bereits. Allerdings hat keine andere in Deutschland eine allgemeine Flugerlaubnis. Ein zweites Einsatzfeld für die Beagle-Flieger sind Gewebetransporte für Krankenhäuser. Während einer Tumor-Operation werden kleine Gewebeproben entnommen, um festzustellen, ob eine Krebsgeschwulst vollständig entfernt wurde. Sie werden an ein Labor gesendet. Die Operation wird so lange unterbrochen, bis die Laborergebnisse vorliegen und dann darauf reagiert. Zoeller: „Bislang werden solche Gewebeproben meist per Taxi transportiert – Blaulichtfahrten mit dem Rettungswagen scheiden aus, weil kein medizinischer Notfall vorliegt. Mit unserer Drohne wäre der Transport einfacher und schneller.“
In 80 Meter Höhe mit 80 km/h unterwegs
Er führe bereits Gespräche mit Netzbetreibern und Kliniken, sagt der Jungunternehmer, Beagle Systems bemühe sich gerade um weitere allgemeine Zulassungen in anderen Bundesländern. Bei Langstreckentransporten fliegt die Drohne 80 Kilometer pro Stunde in einer Höhe von 80 Metern. Für potenzielle Störfälle, etwa durch einen Angriff eines Greifvogels, gibt es auf der Strecke vorher festgelegte Nothaltepunkte, die das Gerät automatisch ansteuern würde.
In der Harburger Baumschule hat die Vogelwelt bislang gelassen auf die mehr als 100 Testflüge reagiert. Aber als es am Dienstag beim Test anfing zu tröpfeln, packte das Team seine beiden Beagles ein und unterbrach die Arbeit. „Bei Regen fliegen wird nicht“, sagt Zoeller. „Wir haben zwar noch nie ein Problem mit Feuchtigkeit gehabt, aber wir wollen auf Nummer Sicher gehen.“