Hamburg. Umfrage: Mehr als zwei Drittel der Mitglieder des Hamburger Verbands Aga sehen Azubi-Prämien des Bundes nicht als Anreiz.
Selbst noch im nächsten Jahr wird sich die aktuelle Corona-Pandemie negativ auf den Lehrstellenmarkt in Hamburg und der Metropolregion auswirken: Jeder dritte Händler und Dienstleister wird im Jahr 2021 weniger Ausbildungsstellen anbieten. Das geht aus einer Umfrage des Norddeutschen Unternehmensverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung (Aga) hervor, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt. „Diese Entwicklung ist nicht gut für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft und wird den Fachkräftemangel verschärfen“, sagt dazu Volker Tschirch, der Hauptgeschäftsführer des Verbands.
Zwar will die Bundesregierung kleineren und mittelgroßen Unternehmen, die trotz Belastungen durch die Corona-Krise ihr Lehrstellenangebot unverändert halten oder sogar ausweiten, eine Prämie von 2000 Euro beziehungsweise 3000 Euro je abgeschlossenem Ausbildungsvertrag gewähren. Doch die Chefs von immerhin 69 Prozent der befragten Firmen sehen darin keinen Anreiz, das Ausbildungsniveau zu halten oder neue Stellen zu schaffen. Der Aga-Hauptgeschäftsführer wirbt aber dafür, auf das Angebot des Bundes einzugehen: „Auch wer sonst Subventionen ablehnt, kann – weil er unverschuldet die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns tragen muss – hier mit einem guten Gefühl die Prämien nutzen“, so Tschirch: „Es wird in die Zukunft investiert.“
Unternehmen setzen auch auf Videobewerbungen
Zwar sind 2020 wegen der Corona-Krise Ausbildungsangebote in der Branche verloren gegangen, nach Angaben des Aga aber nicht so viele wie befürchtet: Nur neun Prozent der Mitgliedsunternehmen haben laut Umfrage weniger Azubistellen angeboten als im Durchschnitt der Vorjahre. Keine Firma, die sich an der Umfrage beteiligte, musste einen Lehrstellenvertrag kündigen, fünf Prozent der Betriebe haben Azubis von anderen Firmen übernommen.
Allerdings konnte die Ausbildung in den zurückliegenden fünf Monaten nur bei 40 Prozent der befragten Unternehmen „uneingeschränkt“ ablaufen. „Homeoffice, mobiles Arbeiten und teilweise längere Betriebsschließungen führten häufig dazu, dass weder die Ausbilder noch die Azubis in den Betrieben waren“, erklärt Tschirch. „Vieles konnte digital abgefedert werden, aber nicht alles.“ Immerhin 35 Prozent der Unternehmen gehen bei der Kandidatensuche schon jetzt neue Wege und setzen unter anderem auf Videobewerbungen.
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Im Aga sind gut 3500 meist mittelständische Unternehmen aus Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein organisiert. Sie haben 150.000 Beschäftigte und knapp 10.000 Auszubildende.
In Hamburg stehen über alle Branchen hinweg in diesem Jahr mit insgesamt 9119 Lehrstellen 13,5 Prozent weniger Plätze zur Verfügung als im Vorjahr. Das bedeutet: In der Hansestadt ist mehr als jede achte Lehrstelle wegen der Pandemie weggefallen. Nach Angaben der Agentur für Arbeit Hamburg betrifft das vor allem die Bereiche Tourismus, Veranstaltungswesen und Gastronomie. Es gingen bei den Betrieben aber auch deutlich weniger Bewerbungen ein.