Berlin. Tesla trotzt der Krise mit immer neuen Rekorden. Deutschlands Autobauer fahren hinterher. Entschieden ist das Rennen aber noch nicht.

An Tesla scheiden sich die Geister. Für die einen steht Elon Musks Autoschmiede für ein neues Mobilitätszeitalter, für eine technologische Revolution der Autobranche. Für die anderen ist Tesla verhasst, ein Konzern mit einem exzentrischen und geltungssüchtigen Chef, der unter mehr als fragwürdigen Arbeitsbedingungen alles auf Erfolg trimmt.

Fest steht, dass die deutschen Autobauer viel zu lange das Marktsegment Elektromobilität nicht wahrnehmen wollten, viel zu lange haben sie Tesla belächelt und Elon Musk verspottet. Kein Wunder, immerhin passt Musk nicht in ihre Welt. Ein deutscher Autoboss, der mit Baby auf dem Arm bei Twitter posiert? Schwer vorstellbar. Man kann schon froh sein, wenn Netzaktivitäten nicht aus dem Ruder laufen wie jüngst beim rassistischen Werbeclip von VW.

Tesla erzeugt Fantasie

Musk dagegen versteht es, sich stetig zu inszenieren. Er erzeugt vermeintliche Nähe, ohne wirklich etwas von sich preis zu geben. Und er bedient den Wunsch nach immer außergewöhnlicheren Ideen. Bestes Beispiel ist der Cybertruck. Für den Straßenverkehr ist dieses Mars-Roover ähnliche Gefährt völlig unsinnig.

Aber es zeugt von Fantasie und spinnt die Geschichte des Autobauers, der längst in einer anderen Zeit spielt, fort. Diese Fantasie sorgt an der Börse für Fabelwerte, die von der Realität losgelöst erscheinen. Entsprechend tummeln sich hinter dem Wertpapier längst Spekulanten, die auf deftige Kursverluste setzen. Tesla hält mit immer weiteren starken Zahlen dagegen und Elon Musk führt diese sogenannten Shortseller vor. Das kann man arrogant finden. Es passt aber in jedem Fall in das Bild, das Musk gerne von sich zeichnet.

Politik-Korrespondent Tobias Kisling kommentiert die Entwicklungen in der Autoindustrie.
Politik-Korrespondent Tobias Kisling kommentiert die Entwicklungen in der Autoindustrie. © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Tesla und deutsche Autobauer werden mit zweierlei Maß gemessen

Das strotzende Selbstbewusstsein gepaart mit Kreativität sorgt dafür, dass das kalifornische Unternehmen und die deutschen Autobauer mit zweierlei Maß gemessen werden. Über Tesla wird gestaunt. Über VW, Daimler, BMW und Co. dagegen oft gespottet.

Auch hier der Blick in Richtung Volkswagen: Neben den Machtkämpfen an der Konzernspitze und dem völlig missratenen Werbevideo hapert es auch beim Produkt. Der neue Hoffnungsträger, der ID.3, kommt später als geplant, der VW Golf 8 wurde zwischendurch nicht ausgeliefert, weil das elektronische Notrufsystem nicht funktionierte. Beides sind keine Lappalien. Wäre die Aufregung bei ähnlichen Problemen von Tesla allerdings jedes Mal so groß, würde der E-Auto-Pionier an Glanz verlieren.

• Hintergrund: Tesla nimmt wichtige Hürde: Elon Musk ist nicht zu bremsen

Deutsche Autobauer zeigen zu oft auf andere

Nur sind die deutschen Autobauer für diesen Spott selbst verantwortlich. Fragt man nach deren kreativste Leistung in den vergangenen Jahren, so fällt vor allem die Schummelsoftware für Dieselfahrzeuge ein. Trotz des gigantischen Betrugs zeigen die deutschen Autobauer nach wie vor zu gerne auf andere. Krise? Da muss mit Steuergeld eine Kaufprämie für Verbrenner her. E-Mobilität? Dafür fördert die Politik in Brüssel und Berlin zu wenig die Ladesäuleninfrastruktur.

Von Tesla hört man – trotz mancher fragwürdigen Ausfälle von Elon Musk – derlei Klagen selten. In Europa betreibt Tesla viereinhalb mal so viele Ladesäulen wie das Gemeinschaftsunternehmen Ionity von BMW, Daimler, Ford und VW.

Deutsche Autobauer müssen Teslas Schwächen nutzen

Jammern hilft nicht. Die deutsche Automobilindustrie muss sich auf ihre Stärken besinnen. Deutsche Autos sind weltweit geschätzt für ihre Qualität. Im Gegensatz zu Tesla, dessen Fabriken Musk einst selbst als „Produktionshölle“ bezeichnete, bieten deutsche Autobauer gute Arbeitsbedingungen.

Jahrelange Erfahrung und zahlreiche Standorte für Massenproduktionen sind im Gegensatz zu Tesla vorhanden. Jetzt geht es darum, sich viel stärker als bisher auf neue Technologien zu konzentrieren. Das gilt natürlich für digitale Anwendungen. Aber es gilt auch für potenzielle Wachstumsmärkte wie Wasserstoff oder dem autonomen Fahren.

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Im Zuge der Corona-Pandemie sind die deutschen Autobauer in die Krise geschlingert. Tesla dagegen konnte profitieren. Auch vom höhren Umweltbonus kann der kalifornische Autobauer profitieren – die Förderung gilt auch für Tesla-Modelle. Erfolgsgarant für Tesla ist das Model 3. Das zeichnet den E-Renner aus. In Europa hat Tesla bereits einen deutlichen Vorsprung, was die Anzahl an Ladesäulen angeht. Die Grünen wollen insgesamt mehr E-Ladesäulen schaffen.