Hamburg. Das Kaufhaus in der Innenstadt schließt nach mehr als 50 Jahren. Bei den Mitarbeitern ist die Enttäuschung “riesengroß“.
Die ersten Schnäppchenjäger warten schon kurz vor 10 Uhr vor dem Kaufhof-Haus in der Hamburger Innenstadt. „Wir schließen diese Filiale“ steht auf einem Schild im Schaufenster. „Alles muss raus.“ Ein Mann späht ungeduldig durch die Scheiben nach drinnen. Als die großen Eingangstüren aufgehen, strömen zwei Dutzend Kunden in das Gebäude. In der Kosmetikabteilung steht ein Mitarbeiter auf einer Leiter und bringt eine Rabatttafel in knalligem Neongrün an. Durch die Lautsprecher rieselt leise Kaufhausmusik, die zum Shoppen anregen soll. Es ist Tag eins des großen Räumungsverkaufs. Nach gut 50 Jahren ist in dem Kaufhaus am Anfang der Mönckebergstraße Schluss.
Es gibt Rabatte auf Uhren und Schmuck, auf Lederwaren und Reisegepäck, auf Damen-Strümpfe – auf zig Tausend Artikel auf sechs Etagen. 10 Prozent, 15, 20, teilweise um 50 Prozent hat der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof die Preise reduziert. Die Kunden verteilen sich schnell in dem Gebäude. Elke Kropla (75) und ihre Tochter Maren Schmück (51) sind aus Ochsenwerder zum Einkaufsbummel in die Stadt gekommen. Sie suchen etwas Neues für die Sommergarderobe, haben sie draußen vor der Tür gesagt. „Es ist sehr schade, dass der Kaufhof schließt“, sagt Rentnerin Kropla. „Wir sind hier immer gern hergekommen.“
Kaufhof-Filialen schließen: 300 Mitarbeiter verlieren Job
Mitte der 60-er Jahre hatte die Warenhauskette Kaufhof den markanten Rotklinkerbau in Bahnhofsnähe gekauft. Der Hamburger Kaufmann Heinrich Adolf Klöpper hatte das Gebäude 1913 von dem bekannten Architekten Fritz Höger 1913 bauen lassen und sein Wollhandelshaus im sogenannten Klöpperhaus betrieben. Nachdem Kaufhof mit seinen Abrissplänen am Widerstand in der Öffentlichkeit gescheitert war, wurde das Kontorhaus zum Kaufhaus umgebaut. Seitdem ist Kaufhof wie das Karstadt-Stammhaus einige Meter weiter fester Bestandteil der Hamburger City.
Allerdings galt die Zukunft des Hauses schon nach dem Zusammenschluss der beiden früheren Konkurrenten Karstadt und Kaufhof 2019 als unsicher. Mitte Juni hatte Galeria Karstadt Kaufhof die Schließung zum 31. Oktober im Zuge eines weitreichenden Sanierungsprogramms angekündigt. Zunächst umfasste die Streichliste 62 Kaufhäuser, darunter vier Standorte in Hamburg. Inzwischen hat der Handelskonzern, der wegen der Corona-Krise massiv unter Druck geraten war, die Zahl auf 50 reduziert. In Hamburg sind die Karstadt-Häuser in Wandsbek und Bergedorf betroffen. Mehr als 300 Mitarbeitern verlieren ihren Job. Die Filiale im Alstertal Einkaufszentrum wird dagegen erhalten.
Enttäuschung bei Mitarbeitern ist "riesengroß“
Im ersten Stock des Kaufhofgebäudes verteilen Marlene Franz (36) und Kerstin Liebrecht (58) aus dem Warenwirtschaftsteam in der Damenmodeabteilung Prozente-Schilder zwischen Blusen und Pullover. Um sieben Uhr haben sie angefangen. Die Frauen arbeiten ruhig. Man spürt die Trauer und die Enttäuschung. Mit mehreren Aktionen hatten die 150 Beschäftigen für ihre Filiale gekämpft – ohne Ergebnis. „Jetzt ist es wirklich endgültig“, sagt Kerstin Liebrecht. Sie hat wie die meisten dem Wechsel in eine Transfergesellschaft zugestimmt. Bis Ende April kommt sie so auf 73 Prozent ihres bisherigen Gehalts. Wie es danach weitergehen soll, weiß sie nicht. „Ich bin zu jung für die Rente und zu alt für einen neuen Job.“
„Die Enttäuschung unter den Mitarbeitern ist riesengroß“, sagt Betriebsrat Claus-Dieter Muxfeldt (62). Das Haus in prominenter Lage habe gute Umsätze gemacht, die oft langjährigen Mitarbeiter seien motiviert. „Wir sind hier wie eine Familie.“ Offenbar spielen die hohen Instandhaltungskosten für das denkmalgeschützte Gebäude eine Rolle für das Aus des Standorts. Eine Sanierung ist dringend nötig. Schon seit längerem hängt ein Netz vor der Fassade, um Passanten vor bröckelnden Steinen zu schützen.
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Gespräche mit dem Eigentümer, der Württembergischen Versicherung, über Mietnachlässe waren ergebnislos verlaufen. Zu den Gründen äußert sich Galeria auf Anfrage nicht. Für Muxfeldt ist das abrupte Ende besonders bitter: Der Mitarbeiter im Kassenteam wäre im April 45 Jahre im Unternehmen. Ein bisschen Hoffnung hat er noch. „Vielleicht, wenn sich der Senat nochmal einschaltet.“
„Für die Mitarbeiter ist es besonders schlimm“, sagt Tatjana Eberlein (45) aus Bramfeld, die sich im Kaufhof-Restaurant gern zum Frühstück verabredet. Danach will sie sich wie viele andere nach Schnäppchen umschauen. Inzwischen ist ordentlich was los. Kein Ansturm, aber deutlich mehr Kunden als sonst. Marion Schröder (72) aus Wandsbek ist schon durch. Sie hat nichts gefunden. „Der Nachlass ist nicht hoch genug“, sagt sie. Dagegen kommen Deniz Yildirim (26) und Sinan Yilaz (25) mit vollen Tüten aus der Kaufhaustür. Der Busfahrer und der Hafenarbeiter haben Parfüm, Schuhe, eine Tasche für eine Freundin und einen Teddybär erstanden. „Bei 30 Prozent Rabatt kann man nicht meckern. Da kauft man mehr als geplant“, sagt Yildirim. Dann machen sie sich auf zur zweiten Runde.