Hamburg. Schuhkönig Ludwig Görtz kritisiert langsamen Senat und bringt eine spektakuläre Lösung für die Karstadt-Sports-Filiale ins Spiel.

Ludwig Görtz kommt seltener ins Büro und auch später, seit die Corona-Krise das öffentliche Leben bestimmt. Mitte März war er mit seiner Frau mit einem der letzten Flüge von Mallorca nach Hamburg zurückgekehrt und hatte sich danach 14 Tage Selbstisolation verordnet.

Arbeitsfähig ist der 85-Jährige „Schuhkönig“ mit Laptop und Telefon auch von zu Hause aus. Besprechungen und Sitzungen macht er aber lieber im direkten Kontakt. „Wenn ich verhandeln will, brauche ich ein Gegenüber“, sagt er.

Auch zum Abendblatt-Interview über die aktuellen Entwicklungen des Einzelhandels in der Hamburger Innenstadt verabredet der Ehrenvorsitzende des Trägerverbunds Projekt Innenstadt sich in der Zentrale des Unternehmens an der Spitalerstraße. Den Mund-Nasen-Schutz hat der stets formvollendet gekleidet Unternehmer in der Hemdtasche – immer griffbereit.

Hamburger Abendblatt: Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie von den Schließungsplänen für Kaufhof und Karstadt Sports in der Mönckebergstraße gehört haben?

Ludwig Görtz: Es ist genau das eingetreten, was viele vorausgesagt haben. Wir brauchen in der Mönckebergstraße keine zwei großen Warenhäuser. Und es ist auch bedauerlich, dass das Karstadt Sporthaus geschlossen werden soll. Für die Mitarbeiter ist es eine Katastrophe.

Kaufen Sie selbst dort ein?

Ludwig Görtz: Klar, wenn man etwas schnell braucht, geht man dahin. Als Kind hat mich das Alsterhaus fasziniert. Aber das ist nun auch schon ein bisschen her (lacht).

Welche Auswirkungen haben die Schließungspläne? Ist die Mönckebergstraße in der Krise?

Ludwig Görtz: Wie gesagt: Es ist bedauerlich. Aber das Bedauern aus stadtentwicklungspolitischer Sicht muss auch mal ein Ende haben. Es ist Zeit, die Innenstadt neu zu denken. Wir vom Trägerverbund Projekt Innenstadt beschäftigen uns schon lange mit dem Thema und haben uns den Mund fusselig geredet. Aber da kommt einfach nichts in die Gänge. Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende haben über die BIDs (Business Improvement District, die Red.) in die Infrastruktur wie neue Beleuchtung, neue Möblierung und neue Gehwege investiert und vieles gemacht, was die öffentliche Hand hätte tun sollen. Wäre das nicht geschehen, wäre es um die Innenstadt sehr traurig bestellt.

Was muss jetzt passieren?

Ludwig Görtz: Wir haben schon im vergangenen Jahr gesagt, dass wir den Bau eines neuen Naturkundemuseums unterstützen. Und wir haben auch gesagt, dass es wieder in die Innenstadt gehört. Der ideale Standort aus unserer Sicht ist der Domplatz. Der Vorteil wäre, dass dadurch die Verbindung von der Mönckebergstraße zur HafenCity wiederhergestellt wird. Wenn die Stadt unbedingt ihre Liegewiese auf dem Domplatz behalten will, schlage ich vor, das heutige Kaufhof-Gebäude für das Naturkundemuseum zu nutzen. Vor der Zerstörung während des Zweiten Weltkriegs war das Naturkundemuseum auch in der Mönckebergstraße, dort, wo heute Saturn ist. Das könnte 500.000 Besucher jährlich in die Straße bringen, und es wäre ein Imagegewinn für den Wissenschaftsstandort Hamburg.

Haben Sie schon einen Termin mit dem Bürgermeister?

Ludwig Görtz: Der Bürgermeister war bei unserer Mitgliederversammlung und hat dort ein Millionenprogramm für die Plätze in der Innenstadt angekündigt, das wir seit Jahren fordern. Aber unsere Ansprechpartnerin ist die Stadtentwicklungssenatorin, Frau Stapelfeldt, mit der wir im Arbeitskreis Innenstadt zusammensitzen. Sie kennt unsere Vorschläge. Wir haben auch Frau Fegebank, der Wissenschaftssenatorin, geschrieben. Es hat ein bisschen lange gedauert, bis sie geantwortet hat. Aber jetzt ist die Finanzierung des Museums durch das Leibniz-Institut gesichert, und jetzt muss langsam Butter bei die Fische.

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Was muss sich noch tun, damit die Innenstadt wieder attraktiver wird?

Ludwig Görtz: Zum Beispiel könnte das Karstadt Sporthaus ein Gourmettempel werden. Mit einem Marktplatz mit vielen Ständen im Erdgeschoss, einer Gourmet-Etage im ersten Stock und unterschiedlichen Restaurants. Das wäre etwas Besonderes, etwas, das Menschen anregen würde, nach Hamburg zu kommen. So etwas würde im Reiseführer stehen. Wir hatten das schon für das Überseequartier in der HafenCity vorgeschlagen. Es wurde aber damals abgelehnt. Jetzt könnten wir es in die Innenstadt holen. Eine andere Möglichkeit wäre ein Haus des Tourismus, in dem sich Urlaubsziele und Reiseveranstalter wie Reedereien präsentieren und Veranstaltungen angeboten werden könnten. Man muss jetzt kreative Köpfe zusammenholen und Ideen diskutieren, was wir in der Hamburger City außer Mode- und Elektronikgeschäften noch bieten können. Und da gibt es eine ganze Menge Möglichkeiten.

Was halten Sie von dem Vorschlag, in der Innenstadt mehr Wohnungen zu bauen?

Ludwig Görtz: Das ist ein altes Ziel. Schon vor 35 Jahren gab es die Idee „Wohnen unter dem Dach“, also alle Dachetagen auszubauen. Das ist an Auflagen gescheitert. Man braucht ein eigenes Treppenhaus, eigenen Fahrstuhl, eigene Notausgänge. Der Aufwand ist gewaltig.

Welche Rolle muss die Stadt übernehmen?

Ludwig Görtz: Wir Kaufleute sind enttäuscht über die Langsamkeit der Entscheidungsfindung im Senat. Da sprechen zu viele mit. Es dauert alles wahnsinnig lange. Es ist jetzt schon der vierte oder fünfte Bezirksamtsleiter in Mitte, mit dem wir über einen autofreien Burchardplatz am Chilehaus sprechen. Man braucht einen sehr langen Atem. Und im Moment kommt alles zusammen: die Schließungen und Leerstände, Corona und jetzt noch die große Hochbahn-Baustelle in der Mönckebergstraße.

Die rot-grüne Regierungskoalition will eine autoarme Innenstadt, unter anderem soll der Jungfernstieg autofrei werden. Sie haben das deutlich kritisiert – warum?

Ludwig Görtz: Der Verkehr auf dem Jungfernstieg ist schon jetzt sehr gering. Autos gehören zur Urbanität der Stadt. Die Gäste des Hotels „Vier Jahreszeiten“ wollen auch mal über den Jungfernstieg fahren. Und dort ist ja schon jetzt viel Platz für Fußgänger und zum Flanieren. Die Bereiche auf der Alsterseite wurden – übrigens mit privaten Mittel – deutlich erweitert.

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Ist es eine Alternative, den Verkehr aus der Mönckebergstraße komplett zu verbannen?

Ludwig Görtz: Die Mönckebergstraße ist schon eine Kommunaltrasse. Private Autos dürfen nicht fahren. Ich kann mir vorstellen, die Stadtrundfahrt-Busse und die eine oder andere Buslinie zu verlegen. Aber als reine Fußgängerzone ist die Mönckebergstraße zu breit. Da würden in kürzester Zeit Anfragen für Verkaufsstände und Buden in der Mitte kommen, um den Platz zu füllen. Dann sieht es nachher aus wie ein Alstervergnügen. Nicht gerade eine Bereicherung. Man kann die Autos nicht komplett aus der Innenstadt verbannen. 30 Prozent der Kunden kommen mit dem Auto, oft weil sie größere Anschaffungen machen. Diese Menschen kommen aus der gesamten Metropolregion und auch aus Skandinavien. Das sind die Kunden, auf die wir überhaupt nicht verzichten können.

Und dann gibt es ja noch das Überseequartier in der HafenCity, das gerade im Bau ist. Wie realistisch ist es, dass das Einkaufszen­trum mit 80.000 Quadratmetern funktionieren wird?

Ludwig Görtz: Es ist überflüssig. Auch im Blick auf die Corona-Krise brauchen wir nicht noch mehr Einkaufsflächen. Nach meiner Information ist bislang auch noch kein Mietvertrag unterzeichnet. Eigentlich sollten schon im vergangenen Jahr Namen bekannt gegeben werden. Das ist wie ein Ufo, das in die HafenCity gesetzt wird. Das Problem ist ja auch, dass es keine Verbindung zur Innenstadt gibt.

Die Corona-Einschränkungen haben die schwierige Situation im Handel massiv verschärft. Wie kommt die Hamburger Innenstadt durch die Krise?

Ludwig Görtz: Schlecht. Die Menschen fahren weniger in öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie kaufen da ein, wo sie wohnen und scheuen sich, in die Stadt zu kommen. Dabei ist die Ansteckungsgefahr in der Mönckebergstraße ja nicht höher. Die Hotspots sind in Pflegeheimen, in Krankenhäusern, in Schlachthöfen. Deshalb halte ich die Vorsichtsmaßnahmen wie Zugangsbeschränkungen und Maskenpflicht für überholt. Anfangs war das richtig, da musste man was tun. Aber nachdem der Höhepunkt der Krise vorbei ist und wir auf dem Boden der Realität angekommen sind, muss es weitere Erleichterungen für Einhandelsgeschäfte geben.

Wie ist die Situation für das Unternehmen Görtz?

Ludwig Görtz: Die stationären Umsätze sind massiv zurückgegangen. Wir hier in der Innenstadt haben alle ein Minus von 40 Prozent. Unser Vorteil ist, dass wir vor 15 Jahren angefangen haben, das Onlinegeschäft aufzubauen. Da sind wir sehr erfolgreich. Wir verschicken Bestellungen aus dem Lager, aber auch aus allen 170 Filialen. Das hilft uns. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir eine nationale Marke sind. Uns kennt man. Stationäres Geschäft und Onlinehandel befruchten sich gegenseitig.

Gab es bei Görtz Kurzarbeit?

Ludwig Görtz: Ja, in den Filialen. Aber auch im Lager in Norderstedt und hier in der Zentrale. Es gibt auch jetzt noch Kurzarbeit. Wenn man 40 Prozent weniger Umsatz macht, braucht man nicht mehr das gleiche Personal.

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Ludwig Görtz: Die Umsätze sind noch nicht wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Wir brauchen jetzt dringend weniger Beschränkungen. Man kann nicht verstehen, dass hier in der Innenstadt Abstandsregeln eingehalten werden müssen, aber bei Demonstrationen oder beim Feiern auf der Schanze die Menschen dicht an dicht stehen. Da werden die Kaufleute ungerecht behandelt.

Was wünschen Sie sich konkret für die nächsten Monate?

Ludwig Görtz: Wir brauchen eine neue Willkommenskultur für die Innenstadt. Wir müssen es den Menschen leicht machen zu kommen und müssen um sie werben. Dazu gehört, dass es weniger Einschränkungen gibt und auch, dass die Dinge für die Zukunft jetzt angeschoben werden.