Hamburg. Konzernweit sollen 15.000 Stellen in der Flugzeugsparte wegfallen. Experte befürchtet massive Folgen für Standort Hamburg.
Die Corona-Pandemie hat die Luftfahrt in eine tiefe Branchenkrise gestürzt. Airbus zieht nun drastische Konsequenzen. Man werde in der Flugzeugsparte rund 15.000 von 90.000 Stellen streichen, teilte der europäische Flugzeugbauer am Dienstagabend mit. In Deutschland sollen 5100 Stellen abgebaut werden. Schon im nächsten Sommer sollen die Pläne umgesetzt sein.
„Airbus steht vor der schwersten Krise, die diese Branche je erlebt hat“, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury. Den ersten Schock der Pandemie habe man aufgefangen. Nun gehe es darum, das Unternehmen zu erhalten und gesund aus der Krise herauszukommen. Man sei „fest entschlossen, die sozialen Auswirkungen dieser Anpassung zu begrenzen“. Die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern hätten begonnen. Die Umsetzung der Pläne soll im Herbst starten. Faury sagte vor Journalisten: „Keiner ist glücklich mit der Situation.“
Abbau bei Airbus betrifft Deutschland überproportional
Mit 5100 Stellen ist Deutschland am stärksten betroffen. In Frankreich geht es um 5000 Jobs, in Großbritannien um 1700, in Spanien um 900 und in anderen Ländern um 1300. Hinzu kommen weitere zu streichende Arbeitsplätze bei den Töchtern Stelia in Frankreich und Premium Aerotec in Deutschland. Dafür gab es scharfe Kritik von der IG Metall.
„Der von Airbus angekündigte Abbau von 6000 Arbeitsplätzen betrifft Deutschland überproportional. Das wird die IG Metall nicht hinnehmen“, sagte der für die Luft- und Raumfahrt zuständige Hauptkassierer Jürgen Kerner. Das Virus dürfe nicht als Vorwand für Einschnitte dienen, um auf Kosten der Beschäftigten die geplanten Renditeziele zu erreichen. „Reflexartig mit Arbeitsplatzabbau zu reagieren ist kurzsichtig und gefährdet die Zukunft von Airbus.“ Ein Kahlschlag in der Luftfahrtbranche müsse verhindert werden.
Airbus schließt betriebsbedingte Kündigungen nicht aus
Generell seien betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen, teilte Airbus zwar mit. In Deutschland gilt aber noch der Zukunftstarifvertrag, der genau diese bis Ende 2020 ausschließt. Der Konzern strebt einen sozialverträglichen Abbau der Arbeitsplätze an. Heißt: Mitarbeiter sollen freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden und früher in den Ruhestand wechseln. Eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes von derzeit zwölf auf 24 Monate – wie es in Deutschland im Gespräch ist – begrüßte Faury ausdrücklich und dankte „unseren Regierungspartnern für ihre Unterstützung“. Details zu einzelnen Standorten wurden nicht genannt.
Der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt rechnet mit massiven Auswirkungen auf das Werk auf Finkenwerder. Derzeit arbeiten im Werk an der Elbe knapp 15.000 Menschen. „In Hamburg könnten in den nächsten zwei bis drei Jahren mehrere Tausend Jobs gefährdet sein“, sagte er im Gespräch mit dem Abendblatt. Das ergebe sich schon rein rechnerisch aus der geplanten Fertigungskürzung. Airbus hatte Anfang April angekündigt, die Produktion deutlich zu drosseln. Ursprünglich sollten ab nächstem Jahr 63 A320-Maschinen pro Monat gefertigt werden. In diesem Jahr sollten es eigentlich 60 Stück pro Monat sein, in der Corona-Krise wurde die Zahl auf 40 Exemplare abgesenkt – also ein Drittel weniger. Dieses Niveau solle nun nicht für nur wenige Monate, sondern bis Ende des nächsten Jahres beibehalten werden.
Auslieferung neuer Maschinen an Fluglinien stockt
Großbongardt erwartet, dass es in der Zukunft noch ein weiteres Absenken der Rate geben wird: „Am Ende werden wir zwischen 30 und 35 Fliegern im Monat landen. Das wäre ein der Entwicklung angemessener Wert.“ Die Gründe: Die Auslieferung neuer Maschinen an Fluglinien stockt. Faury rechnete für dieses und nächstes Jahr mit einem Rückgang um 40 Prozent. Das liegt daran, dass die Airlines durch die Corona-Krise knapp bei Kasse sind. Durch den starken Rückgang der Passagiere fehlen die Einnahmen aus den Ticketverkäufen, mit denen neue Flugzeuge bezahlt werden können. In der Branche geht man davon aus, dass die Passagiernachfrage frühestens im Jahr 2023 wieder auf dem Vor-Corona-Niveau ist. Daher gibt es auch kaum Neubestellungen.
Lesen Sie auch:
- Airbus-Chef stimmt Mitarbeiter auf Jobabbau ein
- Emirates fliegt ab Mitte Juli wieder mit dem A380
- Gewerkschaften machen gegen Jobabbau mobil
- Lufthansa gerettet – doch Einschnitte drohen auch in Hamburg
Hamburg ist das Kompetenzzentrum für die A320-Familie. Mehr als die Hälfte dieser Flieger werden in der Hansestadt endmontiert. Zudem werden die Bausätze für die Werke in Mobile (USA) und Tianjin (China) hier gepackt. In den vergangenen zwei Jahren wurden rund 2000 Stellen auf Finkenwerder aufgebaut. Das liegt vor allem an der Erweiterung der Produktpalette. Das längste Familienmitglied – der 44,51 Meter lange A321 – war eigentlich für die Kurz- und Mittelstrecke konstruiert. Dank der sparsamen Triebwerke der neo-Generation und durch den Einbau von Zusatztanks konnte die Reichweite deutlich gesteigert werden. Die XtraLongrange (XLR)-Variante kann bis zu 8700 Kilometer nonstop fliegen. Rund 30 Prozent mehr als ein normaler neo-Flieger. Der Zeitaufwand für die Montage dieser Maschinen, die nach dem neuen Kabinenlayout All Cabin Flex (ACF) gefertigt werden, steigt im Vergleich zu herkömmlichen Maschinen um bis zu 30 Prozent. Deshalb wurden Stellen geschaffen, die sich in Corona-Zeiten mit sinkender Nachfrage der Airlines als ein Personalüberhang entpuppen dürften.
Auch Airbus in Hamburg vom Jobbabbau überproportional betroffen
„Ich erwarte, dass Hamburg auf längere Sicht eher überproportional von einem Jobabbau betroffen ist“, sagte Großbongardt. Denn in der A320-Fertigung sei ein höheres Automatisierungspotenzial möglich als bei der Produktion der Großraumflugzeuge in Toulouse. Zunächst werde es wohl – wie meistens in solchen Fällen – Leiharbeiter treffen und Beschäftigte mit Werkverträgen. Von 1100 Leiharbeitern hatte sich Airbus vor wenigen Wochen schon getrennt, 1800 Leiharbeiter sollten damals aber noch auf dem Werksgelände tätig gewesen sein. Laut IG Metall Hamburg verlängert der Konzern zeitlich befristete Verträge mit der Stammbelegschaft schon jetzt nicht mehr und lässt sie auslaufen. Ein Personalabbau findet also bereits statt.