Den 10.300 Hamburger Mitarbeitern steht ein harter Sparkurs ins Haus: Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Der Fortbestand der Lufthansa ist vorerst gesichert. Nach einem fünfstündigen Fragenmarathon der Aktionäre an den Vorstand haben die Anteilseigner auf der virtuellen Hauptversammlung dem staatlichen Stützungspaket in Höhe von neun Milliarden Euro zugestimmt. 98,04 Prozent votierten für das Paket und zugleich einen temporären Einstieg des Staates beim Kranichkonzern mit weltweit 138.000 Beschäftigten. „Wir haben kein Geld mehr“, hatte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley zuvor gesagt. Ohne Staatshilfe hätte man „in den nächsten Tagen“ Insolvenz anmelden müssen.
Den Beschäftigten der Lufthansa – auch in Hamburg – dürfte nun allerdings ein harter Sparkurs bevorstehen. Allein in der Hansestadt hat der Konzern rund 10.300 Arbeitnehmer (Ende 2019), davon rund 8800 bei Lufthansa Technik. Bei der Konzerntochter wurde bereits ein Personalüberhang von insgesamt 4500 Stellen festgestellt, davon 2500 in Deutschland. Was dies am Ende für den Standort Hamburg bedeutet, darüber laufen nun Gespräche zwischen Arbeitnehmervertretern und Konzernleitung.
Lufthansa plant Einschnitte auch beim Kabinenpersonal in Hamburg
Auf das Kabinenpersonal in den Flugzeugen, das zum Teil auch in Hamburg stationiert ist, kommen ebenfalls drastische Einschnitte zu. So soll die Vergütung bei gleichzeitiger Reduzierung der Flugstunden sinken, und auch die betriebliche Altersvorsorge dürfte geringer ausfallen. Des Weiteren werden Lohnerhöhungen ausgesetzt und Abfindungsprogramme aufgelegt.
Insgesamt ergibt sich daraus für Stewardessen und Stewards bundesweit ein Einsparpotenzial von mehr als einer halben Milliarde Euro bis Ende 2023. Im Gegenzug haben die Gewerkschaften für sie einen vierjährigen Kündigungsschutz durchgesetzt. Für die Piloten verhandelt die Lufthansa noch mit der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit. Auch sie müssen sich auf drastische Kürzungen einstellen. Konzernchef Carsten Spohr sprach ähnlich wie beim Kabinenpersonal von einem Einsparpotenzial in Höhe von 17 Prozent.
Lufthansa Technik könnte Mitarbeitern in Probezeit kündigen
Es sind nicht die ersten Sparmaßnahmen, mit denen das Lufthansa-Personal klarkommen muss. Am 1. April hatte der Konzern im Zuge der Corona-Krise für 87.000 der weltweit 135.000 Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet. Dies bedeutete zum Teil erhebliche Lohnabschläge. Lufthansa Technik trennte sich sogar kurzerhand von fast allen 900 Leiharbeitern in Deutschland. Zudem hat die Technik-Tochter bereits mitgeteilt, dass sie die Entlassung von 300 Beschäftigten erwäge, die sich noch in der Probezeit befinden.
Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Krise der Lufthansa.
Warum ist Lufthansa in der Krise?
Mit der Corona-Pandemie brach der weltweite Luftverkehr ein. Lufthansa mottete wie viele andere Airlines den Großteil der Flotte ein. Dadurch fehlten die wichtigen Ticketeinnahmen. Pro Stunde verbrannte der Konzern auf dem Höhepunkt der Krise eine Million Euro. „Wir haben kein Geld mehr“, sagte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley. Dabei seien die drei Jahre zuvor die erfolgreichsten in der Geschichte der Kranich-Linie gewesen. Man sei „unverschuldet und unvermittelt“ in die Corona-Krise gestürzt, sagte Spohr: „Diese Situation schmerzt zutiefst.“ Am Kapitalmarkt hätte man sich nicht ausreichend Geld sichern können, daher strebe man den Staatseinstieg an. Auch auf eine Insolvenz habe man sich daher grundsätzlich vorbereitet. Aber man wolle diese mit ihren Folgen unbedingt vermeiden. Die Aktionäre würden dann ihr eingesetztes Kapital weitgehend verlieren, zudem berge dieser Schritt für die Mitarbeiter und die Marke erhebliche Risiken.
Wie sieht das Rettungspaket aus?
Wochenlang verhandelte Europas größter Luftverkehrskonzern mit der Bundesregierung um das Paket. Es sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Zuge einer Kapitalerhöhung Aktien zeichnet. Für rund 300 Millionen Euro soll der Staat 20 Prozent des Grundkapitals der Fluggesellschaft erwerben. Der Stückpreis liegt auf der Höhe des Nennwertes von 2,56 Euro, das entspricht rund einem Viertel des aktuellen Aktienkurses. Für den Fall einer feindlichen Übernahme könnte der Staat weitere Anteile aktivieren, um eine Sperrminorität zu erreichen. Zudem sind stille Einlagen von bis zu 5,7 Milliarden Euro geplant sowie ein Kredit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Höhe von drei Milliarden Euro. Am Morgen hatte die EU-Kommission dem Paket final zugestimmt. Die Wettbewerbshüter setzten allerdings durch, dass Lufthansa in Frankfurt und München jeweils 24 Start- und Landerechte an Konkurrenten abgeben muss. „Dadurch erhalten konkurrierende Luftverkehrsunternehmen die Möglichkeit, in diese Märkte einzutreten, wodurch faire Preise und eine größere Auswahl für die europäischen Verbraucher gewährleistet werden“, sagte die zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager. Konkurrent Ryanair kündigte dennoch eine Klage gegen die Beihilfen an.
Wie lief die Abstimmung?
Großaktionär Thiele gehören rund 15,5 Prozent der Aktien. Weil auf der Hauptversammlung die Beteiligung von Kleinaktionären meist gering ist, hätte Thiele das Rettungspaket blockieren können. Vertreten waren 39,3 Prozent des Grundkapitals. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit musste dem Staatseinstieg zustimmen. Nach einem gut fünfstündigen Frage-und-Antwort-Marathon stimmten letztlich 98 Prozent für das Rettungspaket. Spohr: „Die Entscheidung unserer Aktionäre sichert der Lufthansa eine Perspektive für eine erfolgreiche Zukunft.“
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Um wie viele Jobs geht es in Hamburg?
Ende 2019 schaffte es die Lufthansa in der Abendblatt-Rangliste der größten Arbeitgeber der Stadt wie im Vorjahr auf Rang vier. Der Konzern meldete 10.300 Beschäftigte in Hamburg. Mit 8800 Menschen arbeitet der größte Teil von ihnen bei der Konzerntochter Lufthansa Technik. Das Unternehmen mit Sitz am Flughafen in Fuhlsbüttel ist Weltmarktführer bei der Wartung, Reparatur und Überholung von Triebwerken und Flugzeugen. Etwa jede fünfte Maschine weltweit wird von der global an 40 Standorten vertretenen, 26.600 Mitarbeiter großen Firma betreut, der in der Krise die Aufträge weggebrochen sind.
Welche Einschnitte gab es bisher?
Am 1. April hatte Lufthansa für 87.000 der weltweit 138.000 Mitarbeiter in verschiedenen Ländern Kurzarbeit angemeldet. In Deutschland übernimmt die Agentur für Arbeit dabei 60 beziehungsweise 67 Prozent (bei Menschen mit Kindern) des letzten Nettolohns. Lufthansa Technik ergriff kurz nach Beginn der Corona-Krise im März die ersten Maßnahmen: ein weitgehender Ausgabestopp, die Trennung von fast allen 900 Leiharbeitern in Deutschland und die Einführung von Kurzarbeit. Ende Mai waren in der Hansestadt rund 7500 Mitarbeiter in Kurzarbeit, sie arbeiteten teilweise sogar gar nicht. Das Unternehmen stockt zunächst bis September freiwillig das Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent auf. Der Großteil der Beschäftigten verzichtet also schon auf Geld. Zudem erwägt das Unternehmen die Entlassung von 300 Beschäftigten, die in der Probezeit sind und daher keinen gesetzlichen Kündigungsschutz genießen.
Welche Einschnitte drohen noch?
Anfang Juni ermittelte der Lufthansa-Konzern einen Personalüberhang von 22.000 Vollzeitstellen, die Hälfte davon in Deutschland. In der Nacht zum Donnerstag einigte sich der Lufthansa-Konzern mit der Kabinengewerkschaft UFO, mit der sie eigentlich seit Jahren im Clinch liegt, auf ein Krisenpaket. 22.000 Mitarbeiter sind in der Kabine beschäftigt, 2600 sind laut Unternehmen in dem Bereich zu viel an Bord. Vereinbart wurde nun zwar ein vierjähriger Kündigungsschutz. Dafür sollen die Vergütungen bei Absenken der Flugstundenzahl und die Aufwendungen für die betriebliche Altersvorsorge reduziert, Lohnerhöhungen ausgesetzt und ein Abfindungsprogramm aufgelegt werden. Insgesamt ergebe sich daraus ein Einsparpotenzial von mehr als einer halben Milliarde Euro bis Ende 2023. „Der angekündigte Personalabbau wird nicht nur ohne Kündigungen in der Kabine auskommen, UFO und Lufthansa beweisen nach Jahren heftiger Auseinandersetzungen nun verantwortungsvolle Einigungs- und Handlungsfähigkeit“, sagte der UFO-Vorsitzende Daniel Flohr. Die UFO-Mitglieder müssen dem Abkommen noch zustimmen.
Lufthansa-Chef Spohr kritisiert Gewerkschaft Verdi
Spohr sprach von einem Einsparpotenzial von etwa 17 Prozent für den Zeitraum der Krise. Mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit liefen Verhandlungen über Zugeständnisse in ähnlicher Höhe. Dabei sei man auf „einem guten Wege“. „Enttäuschender verlaufen dagegen die Gespräche mit der Gewerkschaft Ver.di“, sagte Spohr.
„Hier muss es unbedingt Fortschritt geben, damit wir den Personalüberhang am Boden nicht vollständig durch Stellenstreichungen und in letzter Konsequenz durch betriebsbedingte Kündigungen abbauen müssen.“ 1500 Stellen zu viel hat der Konzern in dem Bereich ausgemacht. Bei Lufthansa Technik wurde der Personalüberhang mit 4500 Stellen angegeben, davon 2500 in Deutschland. Die Gespräche über mögliche Einschnitte laufen auf Konzernebene und dauern derzeit an.