Hamburg. Der neue Eigentümer Upfield will den Margarine-Klassiker verändern – und legt sich jetzt mit der Milchindustrie an.

Mit den Paderborn Unicorns gewann Carsten Wehrmann einst die deutsche Meisterschaft der Hochschulteams im American Football. Harter Männersport. Neuerdings bestimmen Begriffe wie „streichzart“ und „rein pflanzlich“ seinen Berufsalltag. Nach einigen Jahren im Tchibo-Vorstand führt Wehrmann (51) seit einem Dreivierteljahr vom Vatentinskamp in Hamburg aus das Deutschlandgeschäft des Margarineherstellers Upfield.

Der Name dürfte den meisten Verbrauchern unbekannt sein, seine Produkte sind aber eine Macht in deutschen Supermärkten: Rama, Lätta, Becel, Sanella. Es ist – gemessen am Umsatz – die Crème de la crème in den Margarineregalen. „Der Marktanteil unserer Marken in Deutschland wächst“, sagt Wehrmann. Laut Daten der Nielsen-Marktforscher auf zuletzt 62,5 Prozent. Allein Rama hat 24 Prozent, danach kommt Lätta mit 20 Prozent.

Unilever verkaufte 2018

Das war gar nicht viel anders, als die Marken noch zu Unilever gehörten. Dennoch verkaufte der niederländisch-britische Konzern seine gesamte Brotaufstrichsparte 2018 an die US-Investmentgesellschaft KKR. Wegen der geringen Gewinnmarge hatte man bei Unilever keine Freude mehr an der Keimzelle des Konzerns, der einst aus dem Zusammenschluss zweier Margarinehersteller entstanden war.

Die 6,8-Milliarden-Euro-Investition firmiert seit der Übernahme unter dem Namen Upfield. Das Ziel sei nicht geringer, als „Verbraucher glücklicher und gesünder“ zu machen, heißt es. Höhere Erträge dürfen aber auch sein. Dafür hat die Zentrale in den Niederlanden dem Unternehmen einen tiefgreifenden Wandel verordnet. „Upfield wird vom Margarineanbieter zum Hersteller pflanzlicher Lebensmittel“, sagt Wehrmann.

Dem deutschen Markt kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Etwa ein Zehntel des weltweiten Jahresumsatzes von drei Milliarden Euro erzielen die neuen Rama-Macher hierzulande. Gewinn? „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Wehrmann. Der Pro-Kopf-Verbrauch des Streichfetts fiel von 2012 bis 2017 von 5,1 auf 4,1 Kilogramm pro Jahr und verharrt seitdem auf diesem Niveau.

Neues Rama-Rezept im September

Nun geht Upfield mit neuen Produkten, Verpackungen und Rezepten in die Offensive – und bei der Kernmarke Rama und deren meistverkaufter Sorte „Der Klassiker“ einen überraschenden Weg: mehr Fett. „Der Anteil pflanzlicher Öle steigt von derzeit 60 auf 80 Prozent“, kündigt Wehrmann an. Von September an soll der Klassiker nach dem neuen Rezept in den Handel kommen.

Es gehe vor allem um einen besseren Geschmack. „Fett ist ein wichtiger Geschmacksträger“, weiß der promovierte Wirtschaftswissenschaftler. Andere Rama-Sorten haben bereits 80 Prozent Fettanteil. Zugleich soll die Zutatenliste kürzer werden. Sie umfasst neben Raps- und Palmöl auch Trinkwasser, Molke, Salz, Emulgatoren, Säuerungsmittel, natürliches Aroma mit Milch, die Vitamine A, D und E sowie den Farbstoff Carotin. Was davon wegfällt, gibt Upfield aber nicht preis.

„Im Grundsatz braucht man für Margarine nur vier Zutaten, nämlich natürliche Öle und Fette, Wasser, Emulgatoren und Salz. Dem kommen wir näher. Je nach Sorte kommen aber weitere Zutaten hinzu“, sagt Wehrmann.

Palmöl nur aus nachhaltigem Anbau

Mit dem höheren Fettgehalt kehrt der neue Eigentümer zurück zu alten Werten. Bis 2007 enthielt Rama traditionell 80 Prozent Fett. Unilever senkte den Gehalt zunächst auf 70, später auf 60 Prozent. Zudem wurden Mais- und Sonnenblumenöl durch das wegen der Anbaumethoden umstrittene Palmöl ersetzt. Auch nach dem neuen Rezept wird Rama aus Palm- und dem wertvolleren Rapsöl bestehen.

Zu welchen Anteilen? Auch das bleibt ein Geschäftsgeheimnis. Wehrmann betont aber: „Das Ziel ist, das der Preis derselbe bleibt.“ Und Upfield verarbeite schon heute – unter anderem in den deutschen Werken in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) und Kleve (Niederrhein) – ohnehin nur noch Palmöl aus nachhaltigem Anbau. Eine Rama-Sorte ganz ohne Palmöl gibt es bereits, Anfang 2021 sollen weitere Produkte folgen.

Sahne nur aus Pflanzen

Das neue Rezept wird nicht die einzige Innovation bei der Marke bleiben. Im Juni kommen als Aktionsprodukt zur Grillsaison erstmals drei Olivenöle in den Varianten Knoblauch, Chili sowie Basilikum auf den Markt. Im Herbst folgt eine „rein pflanzliche Sahne“, die aber nicht Sahne genannt werden darf, weil sie nicht aus Milch ist. Das gilt auch für den Sahneersatz namens Rama Cremefine, der aber zur Hälfte aus Butter- und Magermilch besteht.

Ohnehin hindert der Anspruch, zum Hersteller rein pflanzlicher Lebensmittel zu werden, Upfield nicht, weiterhin Produkte mit Inhaltsstoffen tierischen Ursprungs auf den Markt zu bringen. So enthält die im vergangenen Jahr eingeführte Variante „Unser Meisterstück“ auch Buttermilch.

Die Verbraucherzentrale Hamburg kürte das Meisterstück im November gar zur „Mogelpackung des Monats“, weil der 350-Gramm-Becher mehr als 40 Prozent teurer sei als klassische Rama im 500-Gramm-Schälchen. Gegenüber der zuvor eingestellten Rama mit Buttermilch betrage die Preisanhebung sogar mehr als 60 Prozent, so die Verbraucherschützer. Upfield verwies auf höherwertige Zutaten.

Angriff auf Milchindustrie

Bei den Verpackungen sei geplant, sich langfristig von Kunststoff zu verabschieden, kündigt Wehrmann an. „2021 kommen die ersten Rama-Produkte in einer Verpackung aus Pappe in den Handel, 2025 wollen wir komplett plastikfrei sein“, sagt er. Das sei bei Fettprodukten, die nicht im Kühlregal stehen, allerdings nicht einfach. Und nach der Übernahme von Arivia, einem Hersteller von veganem Käse, will Upfield noch in diesem Jahr auch in Deutschland unter anderem Käsescheiben, Feta und Frischkäse der Marke Violife aus rein pflanzlichen Rohstoffen in den Handel bringen.

Neuerdings legt sich das in weltweit 95 Ländern präsente Unternehmen offensiv mit der Milchindustrie an. Der seit Erfindung der Margarine vor 150 Jahren bestehende Konflikt mit den Molkereien köchelte zuletzt eher in Branchenkreisen vor sich hin. Nun sagt Wehrmann: „Wir wissen, dass Margarine das gesündere und wesentlich nachhaltigere Produkt ist. Butter ist durch ihre Herstellungsart Klimakiller Nummer eins.“

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Der Manager beruft sich dabei auf eine neue Untersuchung der Schweizer Nachhaltigkeitsberatung Quantis. Demnach hat die Produktion von pflanzlicher Margarine in Europa und den USA um 70 Prozent geringere negative Auswirkungen auf das Klima als die Herstellung von Butter. Pro Kilo des tierischen Fetts entstünden neun Kilo mehr Treibhausgase. Quantis sei unabhängig, betont Upfield. Der Margarinehersteller hatte die Studie allerdings selbst in Auftrag gegeben.