Hamburg. Früherer Profi und Trainer des FC St. Pauli vertritt mittelgroße Unternehmen. Handelskammer-Wahl mit zahlreichen Überraschungen.

Das mit Spannung erwartete Ergebnis ließ lange auf sich warten. Erst um 15 Uhr verbreitete die Handelskammer am Donnerstag den Ausgang der Wahlen für ein neues Kammerplenum. Zuvor hatte das Haus die Kandidaten informiert – und bei einigen von ihnen Jubel ausgelöst. Großer Gewinner der Handelskammerwahlen ist die Wahlgruppe Starke Wirtschaft Hamburg, deren Kandidaten 41 der 58 zu vergebenen Sitze gewannen.

Mit ihrer absoluten Mehrheit kann die Wahlgruppe, für die auch der ehemalige St.-Pauli-Trainer Holger Stanislawski ins Plenum einzieht, künftig Entscheidungen in der Wirtschaftsvertretung allein treffen. Stanislawski ist als Geschäftsführer eines der mittelgroßen Unternehmen gewählt worden. Der frühere eisenharte Verteidiger führt als Geschäftsführer einen Rewe-Markt in Winterhude.

Handelskammer: Doppelspitze Aust und Nissen-Schmidt

Spitzenkandidaten der Starken Wirtschaft waren die Unternehmensberaterin Astrid Nissen-Schmidt und der Kulturmanager und Theater-Gesellschafter Norbert Aust. Sie hatten angekündigt im Falle eines Wahlerfolgs als Doppelspitze für das Präsidium kandidieren zu wollen. Die Chancen stehen dafür nun sehr gut. Allerdings sieht die Kammersatzung einen Doppel-Präses bisher nicht vor. Sie müsste entsprechend geändert werden.

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Großer Verlierer sind die zwei Gruppen der ehemaligen Kammerrebellen, die 2017 noch 55 der 58 Sitze gewannen. Fast alle Protagonisten, die vor drei Jahren das Plenum im Handstreich eroberten, sind künftig nicht mehr dabei. Die Wahlgruppe Die Kammer sind Wir (DKSW) gewann nur fünf Sitze. Von den bisherigen Plenumsmitglieder aus dieser Wahlvereinigung wurden aber lediglich zwei wieder ins Kammerparlament gewählt: Der IT-Berater Henning Brauer, sowie der Hafenunternehmer Johann Killinger.

Rebellen und Zukunftskammer Hamburg verlieren

Auch die Gruppe, die sich von den einstigen Rebellen abgespalten hatte und unter dem Namen Zukunftskammer Hamburg angetreten war, musste eine Niederlage hinnehmen. Von ihren 40 Kandidaten gehören gerade einmal sechs dem neuen Plenum an. Auch hier verloren viele bisherige Plenarier ihre Sitze – mit Ausnahme von Ursel Beckmann, der Prokuristin einer Firma für Solardächer. Die anderen künftigen Plenumsmitglieder der Gruppe um den amtierenden Kammerpräses André Mücke sind Neulinge ohne Kammer-Erfahrung.

Mücke selbst – und das gehört wohl zu den größten Überraschungen dieser Wahl – wurde nicht wieder gewählt. Er war zuvor auch als möglicher neuer Präses gehandelt worden. Auch der Rest des bisherigen Präsidiums wurde abgewählt. Diana Rickwardt, Peter Jensen und Kai Elmendorf, der Sprecher der Gruppe DKSW, sind künftig nicht mehr dabei. Die Kammerrebellen wurden von den wahlberechtigten Unternehmen abgewatscht.

Sechs Unabhängige im Plenum der Handelskammer

Dem künftigen Plenum gehören auch sechs unabhängige Unternehmer an, die sich keiner Wahlgruppe angeschlossen hatten. Es sind Ulf Gehrckens von Aurubis, der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands AGA, Hans Fabian Kruse, der Hamburger Airbus-Chef Georg Mecke, Robert Lorenz-Meyer von der Beteiligungsgesellschaft Ernst Russ, der Geschäftsführer der Buhck Abfallverwertung, Henner Buhck, und der Gesellschafter der Drogeriekette Budnikowsky, Cord Wöhlke. Er setzte sich gegen Andreas Bartmann, den Präsidenten des Handelsverbands Nord, durch.

Rund 160.000 Hamburger Unternehmer waren im vergangenen Monat dazu aufgerufen, aus den 134 Kandidaten 58 auszuwählen, die sie in der Kammer vertreten sollen. Die Wahlbeteiligung lag bei 11,1 Prozent und damit im Rahmen des Erwartbaren. 2014 hatte die Wahlbeteiligung noch unter zehn Prozent gelegen. 2017 war es den Kammerrebellen mit einem sehr polarisierenden Wahlkampf und ambitionierten Wahlversprechen gelungen, mehr Unternehmer zur Abstimmung zu motivieren. Die Wahlbeteiligung lag damals bei 17,6 Prozent.

Starke Wirtschaft Hamburg hatte sich 2018 gegründet

Das neue Plenum ist für vier Jahre gewählt und wird Anfang April zur ersten Sitzung zusammenkommen. Dann soll auch das neue Präsidium gewählt werden. Beste Aussicht auf Erfolg haben Nissen-Schmidt und Aust, die ihren Führungsanspruch am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung bekräftigten. Darin heißt es: „Das positive Ergebnis nehmen wir als Auftrag, den Konsens im Plenum wieder herzustellen. Es wird kein ‚Durchregieren‘ geben. Das wäre einer Wirtschaftsvertretung unwürdig.“ Die Kammer benötige einen breiten Konsens für den Neuanfang. „Deshalb werden wir jetzt auf alle Mitglieder des Plenum zugehen, die mit uns zusammenarbeiten wollen“, ergänzte Aust.

Starke Wirtschaft Hamburg hatte sich 2018 aus einer Gruppe einflussreicher Unternehmer mit dem Ziel gegründet, die Kammerrebellen bei den nächsten Wahlen abzulösen. Das sei gelungen, sagte Niels Pirck, Direktor der Haspa und Gründungsmitglied der Gruppe. „Jetzt muss es darum gehen, schnell Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen. Konkret gilt es, umgehend ein ausgewogenes Präsidium zu finden und die vakanten Führungspositionen im Hauptamt zügig zu besetzen.“ Die Gruppe will sich nach der Wahl wieder auflösen.

Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns zeigte sich erfreut

Enttäuscht äußerte sich der Ex-Rebell und scheidende Vize-Präses Kai Elmendorf. Er machte für das schlechte Abschneiden zum Teil den Wahlausschuss verantwortlich, weil dieser die Gruppe DKSW anfangs wegen vermeintlichen Wahlbetrugs von der Kandidatur ausgeschlossen hatte. Später ließ er sie doch zu: „Die starke Neutralisierung der Wahlunterlagen, in der die Zugehörigkeit zu Bündnissen nicht dargestellt werden durfte und die verspätete Zulassung unserer Kandidatinnen und Kandidaten haben zu dem Ergebnis sicherlich einen wesentlichen Anteil beigetragen.“

Erfreut zeigte sich hingegen die Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns (VEEK), die sich mit der Führung der Kammer in den vergangenen drei Jahren überworfen hatte: „Freie Fahrt für eine neue, moderne Ausrichtung der Handelskammer“, sagte der Vorsitzende Gunter Mengers.

Was für eine Überraschung, was für eine Karriere: Holger Stanislawski, früher Fußballprofi des FC St. Pauli und später Kult-Trainer am Millerntor ist in die Hamburger Handelskammer gewählt worden. Gleichzeitig hat es eine Verschiebung der Machtverhältnisse und einige Überraschungen bei der Kammer-Wahl gegeben.