Hamburg. Schwarzer Tag für Autohaus mit 23 Standorten und 1400 Beschäftigten in der Hansestadt. Probleme mit Leasingfahrzeugen.
Schlechte Nachrichten für den Autostandort Hamburg, und vor allem ein trauriger Tag für die Mitarbeiter des VW-Händlers Wichert: Die 1400 Beschäftigten mussten am Dienstag erfahren, dass ihr Arbeitgeber in Finanznot geraten ist. Der Autohändler hat am Dienstag Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Hektisch wurde am Nachmittag die Belegschaft über die Folgen der Pleite informiert.
Die Hiobsbotschaft wurde wenige Wochen nach einem Personalwechsel an der Spitze von Wichert bekannt. Mitte Januar hatte das Autohaus mitgeteilt, dass Bernd Kußmaul, einer der Geschäftsführer, das Unternehmen verlassen wird. Der 73-Jährige gebe die Leitung des kaufmännischen Bereichs aus Altersgründen am Ende des ersten Quartals an Bernd Lindemann ab. Kußmaul bleibe dem Unternehmen aber als Gesellschafter erhalten.
Der Kaufmann war einer der Wegbereiter der Auto Wichert GmbH in ihrer jetzigen Form. Gemeinsam mit Bernd Glathe hatte er 1986 das Autohaus Wichert in Langenhorn übernommen. Aus diesem Handelsbetrieb hat sich das Unternehmen zu einem wichtigen Arbeitgeber mit mehr als 20 Standorten in der Hansestadt und der Region entwickelt. Als größter VW-Händler Hamburgs verkauft die Firma heute die Marken Audi, Volkswagen, Skoda und Seat.
Auto Wichert kämpfte mit Dieselskandal und Umstellung zu Elektrofahrzeugen
Als eine der Herausforderungen des Geschäfts nannte Lindemann, der zuvor BMW- und VW-Autohäuser geleitet hat, den Verfall der Restwerte von Gebrauchtwagen. Insbesondere Dieselfahrzeuge waren und sind durch den Abgasskandal von den Preisminderungen betroffen. „Wertverluste von 20 bis 30 Prozent mussten die Autohändler etwa bei Leasingrückläufern hinnehmen“, sagte Ferdinand Dudenhöffer dem Abendblatt. Diese Einbußen hätten viele Händler stark belastet, bilanziert der Autoexperte, der an der Universität Duisburg-Essen lehrt.
Auch die Umstellung des Verkaufs auf Elektrofahrzeuge stelle für viele Betriebe eine Herausforderung dar. Einige Hersteller forderten von den Händlern schwierig zu erreichende Absatzzahlen für die emissionsarmen Autos, ergänzte Dudenhöffer. Um diese zu erreichen, drückten die Händler die Wagen dann mit Rabatten in den Markt. Und das gehe zulasten der Marge.
Insolvenzverfahren: Schwarzer Tag für Auto Wichert in der Hansestadt
Die Autohäuser, die große Investitionen getätigt hätten, seien allerdings schnell von finanziellen Engpässen bedroht, insbesondere dann, wenn die Hersteller nicht neues Geld in die Betriebe pumpen, so Dudenhöffer. Auto Wichert agierte – anders als viele Autohäuser großer Marken wie Mercedes oder BMW – selbstständig und ist nicht im Besitz von Volkswagen. Inhaber Glathe musste große Ausgaben wie für das Audi-Zentrum an der Langenhorner Chaussee aus eigener Kraft stemmen. Allein in dieses Projekt steckte das Unternehmen 35 Millionen Euro.
Das Geld floss in einen gigantischen Gebäudekomplex mit 38.000 Quadratmetern Geschossfläche. Viele Autohändler haben in der Vergangenheit derart große Schauräume errichtet, weil die Produktpalette der einzelnen Marken immer größer geworden ist. Die Hersteller setzten die Händler hierbei auch unter Druck, um ihre Modelle in einem möglichst attraktiven Umfeld zeigen zu können. 2016 hatte Wichert bereits die Gebrauchtwagenhalle im Beerenweg eröffnet, Ende 2019 ging der Audi Terminal im Ausschläger Weg an den Start.
Dieselskandal: Rückläufige Leasingfahrzeuge bei Auto Wiechert
Anfang 2019 hatte Wichert zudem vier Standorte der insolventen Autohausgruppe Willy Tiedtke übernommen. „Wir versprechen uns von einem Zusammenschluss weitere Impulse für unser geplantes Wachstum“, hatte Glathe damals zu seinen Kaufplänen mitgeteilt. Auch Tiedtke hatte im schwierigen Automarkt nicht mehr bestehen können. Der VW-Händler war in finanzielle Schieflage geraten, weil er ebenfalls Probleme mit dem Rückkaufwert von Diesel-Leasingfahrzeugen bekommen hatte.
Die Firma Tiedtke teilte damals mit, der Schritt sei erforderlich geworden, „nachdem trotz intensiven Bemühens in den vergangenen Monaten die weitere Finanzierung der Gesellschaft nicht mehr gesichert werden konnte“. Neben fallenden Rückkaufwerten war dem Betrieb laut Branchenkennern auch eine starke Konzentration auf Firmenkunden zum Verhängnis geworden.
Mögliche Aussicht: Geschäft mit Niederlassung in Hamburg
Möglicherweise tritt nun der VW-Konzern in Aktion. Man habe „großes Interesse“ daran, in Hamburg eine „nachhaltig zukunftsfeste Partnerstruktur“ zu etablieren. „Eine Ausweitung des konzerneigenen Handelsgeschäfts ist dabei eine von mehreren möglichen Optionen“, so ein VW-Sprecher zum Abendblatt. Er verwies damit auf die Möglichkeit, das Geschäft in der Hansestadt mit einer eigenen Niederlassung zu betreiben.
Die Auslieferung aller Kundenfahrzeuge sowie der Service würden in Abstimmung mit dem Sachwalter bestmöglich sichergestellt, hieß es weiter. Diese Dienstleistungen könnten zudem über einen nahe gelegenen Volkswagen-Partner abgedeckt werden.