Hamburg. Vertreter der sieben wichtigsten Branchen wagen Ausblick. Aus dem Hafen kommen warnende Stimmen. Handwerk jubiliert.

Sieben Themen, sieben Experten: Zum traditionellen Jahresauftakt des Übersee-Clubs haben am Montagabend namhafte Hamburger Wirtschaftsvertreter über ihre Erwartungen für das Jahr 2020 gesprochen. Club-Präsident Michael Behrendt hatte dazu in das Hotel Atlantic eingeladen. Hier die Einschätzungen aus den Branchen:

Banken

Unter dem Nullzinsumfeld leidet laut Harald Vogelsang, Vorstandssprecher der Haspa, nicht nur die Bankenbranche. „Durch die Niedrigzinsphase hat der Staat nach Berechnungen der Bundesbank insgesamt rund 400 Milliarden Euro gespart, während die Sparer ungefähr die gleiche Summe verloren haben“, sagte Vogelsang. „So lernen wahrscheinlich zwei Generationen von Menschen, dass Sparen nichts bringt.“ Diese Generationen verließen sich im Alter auf den Staat – „und dadurch kommen die Niedrigzinsen als Riesenbumerang auf künftige Politikergenerationen zurück“.

Statt mit einer Finanztransaktionssteuer für noch mehr Steuereinnahmen zu sorgen und dabei „die zarten Pflänzchen aufkeimender Aktienkultur bei Kleinanlegern zum Welken zu bringen“, sollte der Staat nach Auffassung des Haspa-Chefs „Vorsorge und Vermögensbildung fördern – so, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.“

Einzelhandel

Der Einzelhandel wird auch in diesem Jahr weiterwachsen, wenn auch „nicht ganz in gleicher Höhe wie 2019“, als die Umsätze um gut drei Prozent zulegten, erwartet Andreas Bartmann, Präsident des Einzelhandelsverbands Nord. Aber das Vordringen des Onlinehandels, dessen Erlöse sich im vergangenen Jahr nach Einschätzung von Bartmann um etwa zehn Prozent erhöhten, „bedeutet auch wachsenden Preis- und Leistungsdruck“. Dies sei besonders für kleinere und mittelgroße Händler eine Belastung, nicht wenige von ihnen würden daher vom Markt verschwinden.

Gerade in der Innenstadt habe die Branche zudem unter dem von Bartmann als „ungeordnet und chaotisch“ beschriebenen Verkehr zu leiden: „Busse und Taxis machen für Fußgänger das Überqueren der Mönckebergstraße, der Haupteinkaufsstraße der Stadt, zu einem gewagten Unterfangen. Zwischen Baustellen schieben sich Kurierdienste durch und halten auf Radwegen, was Radfahrer zum Ausweichen auf die Fahrbahn zwingt.“ Der Verbandspräsident fordert daher die Einrichtung einer „zentralen Stelle für alle Belange der Innenstadt.“

Handwerk

Schon allein wegen der anstehenden Investitionen in eine klimaverträglichere Gebäudetechnik wird das Handwerk in den nächsten Jahren stark gefragt bleiben, glaubt Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg. Aber: „Wer flächendeckend Heizungsanlagen erneuern und Solartechnik verpflichtend machen will, muss dafür auch eine Fachkräfteoffensive starten.“ Dabei hätten die Hamburger Betriebe im Jahr 2019 bereits ein „beachtliches Ergebnis“ vorzuweisen: „Mit rund 2700 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen haben wir ein sagenhaftes Plus von deutlich mehr als sieben Prozent eingefahren und damit einen bundesweiten Abwärtstrend regional komplett gedreht.“

Doch bis die jungen Menschen als Gesellen und Meister arbeiten und wiederum selbst einstellen und ausbilden könnten, dauere es noch eine Weile. „Unsere Betriebe brauchen aber jetzt Fachkräfte“, so Stemmann, „die Auftragsbücher sind voll.“ Deshalb begrüße man das am 1. März in Kraft tretende Fachkräfteeinwanderungsgesetz: „Es wird hoffentlich Betrieben dabei helfen, einfacher geeignete Bewerber aus Drittländern als Fachkräfte zu finden und einzustellen.“

Tourismus

Nachdem die Hamburger Tourismusbranche das Jahr 2019 mit einem erneuten Wachstum abschließen konnte, blicke sie optimistisch auf das Jahr 2020, sagte Michael Otremba, Geschäftsführer von Hamburg Tourismus. Ein „bedeutendes Handlungsfeld zur Förderung der internationalen Sichtbarkeit“ der Hansestadt sei die Stärkung des Tagungs- und Kongressgeschäfts: „Die Eröffnung des neuen Congress Centrums im September 2020 bietet große Chancen für Hamburg, um die internationale Wahrnehmung zu steigern, Geschäftsreisende für Hamburg zu begeistern, die lokale Wertschöpfung zu erhöhen und gleichzeitig einen wertvollen Wissenstransfer für die Region zu leisten.“

Hafenwirtschaft

Welche Umschlagsprognose 2020 für den Hamburger realistisch sein wird, hänge ganz wesentlich vom Ausgang der Bürgerschaftswahlen im Februar ab, sagte Gunter Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg: „Aus Hafensicht handelt es sich um eine Richtungsentscheidung.“ Werde der Kurs „verlässlicher Standort- und Strukturpolitik mit zusätzlich sehr hohen Anforderungen an den Klimaschutz“ fortgesetzt, so Bonz, dann sei er für 2020 optimistisch: Neun Millionen Standardcontainer (TEU) und mehr als 140 Millionen Tonnen Umschlag – was dem Resultat von 2019 entspricht.

Werde der Hafen aber nach der Wahl zum „grünen Versuchslabor“ erkoren, dann „werden wir im Wettbewerb zurückfallen, Umschlag wird aus Kostengründen in Konkurrenzhäfen abwandern und dem Klima im Übrigen kein Gefallen getan“. Denn: „Durch unsere Lage, 100 Kilometer tief im Binnenland, kommen wir auf unschlagbare CO2-Werte beim Gütertransport.“

Industrie

Während sich die Hamburger Industrie 2019 insgesamt schwächer entwickelte als im Jahr davor, geht Matthias Boxberger, Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands Hamburg (IVH), für 2020 von einem „geringen Wachstum um ein Prozent“ aus. Gerade die norddeutsche Wirtschaft sei derzeit mit einem doppelten Strukturwandel konfrontiert: Digitalisierung und Dekarbonisierung.

Bereits heute trage die Hamburger Industrie erheblich zur Erreichung der CO2-Einsparziele des Hamburger Klimaplans bei: „Allein die 32 Hamburger Industrie-Unternehmen in den IVH-Energieeffizienz-Netzwerken sparen jedes Jahr 500.000 Tonnen CO2 ein.“ Damit könnten die Zielvorgaben bis 2030 schon heute zu einem großen Teil erfüllt werden. Dies zeige, so Boxberger: „Beim Klimaschutz ist die Industrie nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.“

Außenwirtschaft

Bei einem Wirtschaftswachstum in Deutschland von rund einem halben Prozent sei der Außenhandel 2019 „insgesamt recht stabil geblieben“, sagte Hans Fabian Kruse, Präsident des AGA Unternehmensverbands. Für 2020 rechnet er mit einem nochmals stagnierenden Außenhandel. Der globale Austausch von Waren und Dienstleistungen werde nicht zuletzt durch die verschiedenen Handelsstreitigkeiten gehemmt.

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Mit Sorge blickt Kruse auf die US-Präsidentschaftswahlen im November: „Wenn die Demokraten sich nicht um einen starken, mehrheitsfähigen Kandidaten vereinen – wonach es heute nicht aussieht –, dann bekommt die Welt wieder Donald Trump.“ Deutschlands Wirtschaft aber lebe von offenen Märkten und internationaler Zusammenarbeit, die nötig sei, um die Herausforderungen der Welt gemeinsam zu lösen, sagte Kruse: „Und dabei ist Donald Trump nicht behilflich.“