Hamburg. Besserer ÖPNV, mehr Polizei gegen Wirtschaftskriminalität – Handelskammer legt vor Bürgerschaftswahl langen Wunschzettel vor.
Massive Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, mehr Wohnungsbau und gezieltere Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. Die Handelskammer hat angesichts der bevorstehenden Bürgerschaftswahl im Februar die Erwartungen der Hamburger Wirtschaft an den künftigen Senat vorgestellt. Das 50 Seiten umfassende Papier enthält 75 Einzelforderungen aus zwölf Themengebieten. In einigen wirtschaftspolitischen Streitfragen, die in der Stadt derzeit diskutiert werden, legt sich die Kammer nicht eindeutig fest.
Das drängendste Problem – noch vor dem Ausbau des ÖPNV – ist einer Umfrage unter Betrieben zufolge die Innere Sicherheit. So betrachten 90 Prozent der Unternehmen eine effektive Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität als sehr wichtig oder wichtig. „Dieses Ergebnis hat uns überrascht“, sagte Vize-Präses Kai Elmendorf.
„Vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen stehen bei der Kriminalitätsbekämpfung Alltagsdelikte wie Ladendiebstahl, Formularschwindel, Warenkreditbetrug oder Vandalismus im Mittelpunkt.“ Auch die Bedrohung durch Cyberangriffe werde als Problem wahrgenommen. Deshalb fordert die Handelskammer mehr Polizisten: „Aus Sicht der Wirtschaft sollte der bereits begonnene Weg der Stärkung von Personal- und Sachausstattung der Strafverfolgungsbehörden mit hoher Priorität weitergegangen werden“, heißt es in dem Forderungskatalog.
Die HVV-Proficard soll es auch für kleine Firmen geben
Besonderes Augenmerk legt die Handelskammer auf den Ausbau des Nahverkehrs, der von 89 Prozent der befragten Unternehmen als sehr wichtig angesehen wird. „Das Netz muss ausgebaut und der ÖPNV insgesamt leistungsfähiger gemacht werden“, sagte der amtierende Präses der Kammer, André Mücke. Der geplante Ausbau des U-und S-Bahnnetzes sei richtig, sehe aber in erster Linie Verbindungen zwischen der City und den Außenbezirken vor.
Es sei zu prüfen, ob mehr Linien um die Innenstadt herum zu einem Anstieg der ÖPNV-Nutzung führe, so die Wirtschaftsvertretung. Konkret fordert die Kammer die Erweiterung der firmengebundenen HVV-Abokarte „Proficard“. Diese gilt erst für Firmen ab 20 Mitarbeitern, sollte aber auch für kleinere Belegschaften angeboten werden.
Der künftige Senat soll der Kammer zufolge aber auch das Straßennetz erweitern. Hier sei insbesondere eine bessere Erschließung der Umlandgemeinden wichtig. Zudem sei eine kontinuierliche Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur notwendig: „Es müssen sich stets 80 Prozent des Straßennetzes in einem guten Zustand befinden“, sagte Mücke. „Dazu müssen die Infrastrukturinvestitionen mindestens auf dem bestehenden Niveau verstetigt werden.“
Straßenbauarbeiten müssen schneller durchgeführt werden
Kritisch äußerte sich der amtierende Kammer-Präses über das Baustellenmanagement der Stadt: „Baumaßnahmen müssen besser aufeinander abgestimmt und so schnell wie möglich durchgeführt werden.“ Mücke zog den Vergleich zu China: „Warum der Umbau einer Straßenkreuzung am Alsterufer fünf Jahre dauern soll, während in Peking ein neuer Flughafen nach nur vier Jahren Bauzeit eröffnet wurde, das wirft Fragen auf.“
Neben den Straßen und dem Schienennetz sollen aber auch die Radwege ausgebaut werden, fordert die Kammer. Prioritäten setzt die Kammer dabei nicht. Und auch beim Thema „autofreie Innenstadt“ gibt es keine eindeutige Position: „Da laufen drei Pilotversuche. Deren Ergebnisse wollen wir erst einmal abwarten“, sagte Elmendorf. Der amtierende Präses Mücke sagte: „Für Caféhausbetreiber wäre die autofreie Innenstadt gut, weil sie mehr Tische und Bänke rausstellen könnten. Lieferdienste hätten andererseits Probleme, wenn sie mit dem Auto nicht mehr durchkommen. Wir sind als Gesamtinteressenvertretung der Wirtschaft allen Unternehmen verpflichtet. Es kann also passieren, dass wir uns bei strittigen Fragen keine gemeinsame Meinung bilden.“
Kein Votum für die autofreie Innenstadt. Aber auch keines dagegen
Aus demselben Grund möchte die Kammer sich nicht in den Streit um den Kleinen Grasbrook einmischen, wo sich Hafenfirmen von dem geplanten Wohnungsbau bedroht fühlen: „Wir vertreten die Hafenfirmen, aber auch die Wohnungswirtschaft. Da können wir uns nicht einseitig positionieren“, so Elmendorf. Die Kammer fordert stattdessen, dass der Grasbrook zu einem „urbanen Innovationspark“ entwickelt wird, der „moderne Formen des Arbeitens, Forschens und Wohnens miteinander kombiniert“.
Mücke begrüßte, dass die einstige Forderung der Kammer, die Willy-Brandt-Straße in einen Tunnel zu verlegen, inzwischen vom Bezirk Mitte geprüft wird. „Warum benötigt die Politik solange, um unsere Ideen aufzugreifen?“ Er wollte sich aber nicht festlegen, ob die Kammer den Tunnel immer noch will. „Unsere Forderung ist vier Jahre her. Ob das Plenum das heute genau so entscheiden würde, weiß ich nicht. Es gibt aber keinen anderslautenden Beschluss.“
Glasfasernetz muss ausgebaut werden
Eindeutig ist die Position bezüglich des Ausbaus der Internet-Infrastruktur. Mücke forderte im Namen der Wirtschaft eine staatliche Förderung beim Ausbau des Glasfasernetzes, um bestehende Lücken zu schließen. „Ziel muss es sein, dass möglichst alle Hamburger Gewerbestandorte bis 2030 mit einem Gigabit pro Sekunde im Down- und Uploadbereich versorgt werden.“
Schließlich griff der amtierende Präses ein Thema auf, dass 81 Prozent der befragten Unternehmen wichtig finden: die Weiterentwicklung der Digitalisierung in den Schulen. Dazu fordert er nicht nur die Anschaffung von Geräten, sondern zusätzliche Mittel um die Lehrkräfte zu schulen. Zu den einzelnen Parteien äußerten sich die Kammervertreter nicht. Elmendorf: „Wir geben Handlungsempfehlungen ab, nicht Wahlempfehlungen.“