Hamburg. Während andernorts der Abschwung zu spüren ist, zeigen sich wichtige Branchen in der Hansestadt in besonders guter Verfassung.

Schon seit einigen Monaten ist es in Deutschland mit dem Konjunkturoptimismus vorbei. Immer häufiger taucht das Wort „Krise“ im Zusammenhang mit den weiteren Aussichten für die Unternehmen auf. Dabei verweisen Volkswirte und Börsianer auf die Gefahren eines Brexits sowie auf die Handelskonflikte, vor allem den zwischen China und den USA. Doch blickt man auf wichtige Sektoren der Hamburger Wirtschaft, etwa die Luftfahrt, die Gesundheitsbranche oder das Handwerk, so ist von einer Krise nichts zu sehen: Die jeweiligen Kennzahlen steigen weiter, auch die Beschäftigung nimmt zumindest in diesem Jahr abermals zu.

Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI)
Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

„Ich teile den übertriebenen Konjunkturpessimismus nicht“, sagt dazu Henning Vöpel, der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). „Natürlich wird es nach zehn Jahren Hochkonjunktur immer schwerer, noch einmal zwei Prozent Wirtschaftswachstum obendrauf zu packen“, so Vöpel. Zwar werde derzeit eine „zyklische Abschwächung“ sichtbar. „Von einer Rezession im eigentlichen Sinn, die mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit verbunden wäre, sind wir aber weit entfernt“, sagt der Experte. Von der Abschwächung seien zudem die Investitionsgüterhersteller, die vor allem im Süden Deutschlands zu finden sind, stärker betroffen. „Dem gesamten Dienstleistungssektor und auch dem Einzelhandel geht es nach wie vor gut“, sagt Vöpel. „Vor diesem Hintergrund erwarte ich, dass die Wirtschaft in Hamburg in diesem Jahr immerhin noch um 0,5 Prozent bis 1,0 Prozent wächst.“

Das Abendblatt gibt hier einen Überblick über den Stand auf dem Hamburger Arbeitsmarkt und in mehreren der beschäftigungsstärksten Branchen:

Arbeitsmarkt

„Ich rechne nicht mit einer generellen Verschlechterung am Hamburger Arbeitsmarkt“, sagt Sönke Fock, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Hamburg. Im Jahresdurchschnitt werde die Zahl der Arbeitslosen voraussichtlich bei 64.000 bis 65.000 liegen – was eine leichte Verbesserung gegenüber dem Vorjahr (65.600) wäre.

Im Hinblick auf die Schaffung neuer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze liegt die Hansestadt im bisherigen Jahresverlauf mit einem Plus von 2,5 Prozent über dem Bundesschnitt. „Bleibt die Beschäftigungsentwicklung so positiv wie in den vergangenen Monaten, werden wir im Oktober dieses Jahres berichten können, dass in Hamburg erstmals mehr als eine Million sozialversicherungspflichtige Beschäftigte arbeiten“, so Fock. Dazu fehlten aktuell nur noch weniger als 2000 neue Stellen.

Hafen

In diesem Jahr trägt der Hamburger Hafen, der direkt und indirekt rund 130.000 Menschen beschäftigt, zum Aufschwung bei. Dabei hatte ihn die lang anhaltende Schifffahrtsflaute deutlich zurückgeworfen. Lag das jährliche Umschlagsaufkommen vor dem Beginn der Branchenkrise noch bei knapp unter zehn Millionen Standardcontainern (TEU), stabilisierte es sich in den vergangenen Jahren unterhalb von neun Millionen TEU. Hinzu kam, dass die Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen Marktanteile hinzugewannen. Doch jetzt geht es in die andere Richtung. „Wir werden die neun Millionen TEU in diesem Jahr sicher knacken“, heißt es aus dem Hafen. Den Grundstein dafür legte in den ersten sechs Monaten ein eindrucksvolles Plus beim Containerumschlag. Dieser stieg um 7,5 Prozent auf 4,7 Millionen TEU – das ist das größte Plus seit dem Jahr 2011.

„Insgesamt elf neue Liniendienste im ersten Halbjahr machen deutlich, dass der Hamburger Hafen an Attraktivität für Schifffahrt und Verlader zugelegt hat“, sagte Axel Mattern, Vorstand bei Hafen Hamburg Marketing. Auch der Ausblick fürs Gesamtjahr klingt positiv. „Wenn am Ende der Containerumschlag um fünf bis sechs Prozent wächst, sind wir zufrieden“, sagte Matterns Co-Vorstand Ingo Egloff. „Fällt das Plus höher aus, sind wir noch zufriedener.“

Erstmals seit langer Zeit spüre die Hafenwirtschaft wieder Rückenwind, ergänzt Norman Zurke, Geschäftsführer des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH). „Das zeigen auch die Neueinstellungen.“ Rund 200 Arbeitsplätze würden derzeit von den Unternehmen zusätzlich bereitgestellt.

Gesundheitswirtschaft

„In der öffentlichen Wahrnehmung ist gar nicht so klar, wie wichtig dieser Sektor für die Hamburger Wirtschaft ist“, findet Birgit Schweeberg, als stellvertretende Geschäftsführerin der Handelskammer zuständig für die Gesundheitsbranche. Fast 200.000 Menschen sind dort tätig. Allein die beiden größten Einzelarbeitgeber, die Krankenhausgruppe Asklepios und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), hatten Ende 2018 zusammen mehr als 25.000 Mitarbeiter. Das waren 1500 mehr als ein Jahr zuvor, was die Dynamik in diesem Wirtschaftszweig andeutet.

In der Branche suche man „händeringend“ weiteres Personal, so Schweeberg. „Es ist zu erwarten, dass die Mitarbeiterzahl in Hamburg in diesem Jahr weiter nach oben geht“ – wobei der Fachkräftemangel die Aufwärtsentwicklung begrenze. „Wenn sie denn könnten, würden die Unternehmen noch mehr Menschen einstellen.“ Das Geschäft der Gesundheitswirtschaft sei nicht von der Konjunktur abhängig, sondern werde von der Demografie bestimmt, sagt Schweeberg: „Wir haben eine alternde Gesellschaft, damit steigt die Nachfrage nach der medizinischen Versorgung.“

Handwerk

93.000 Menschen arbeiten in Hamburg in den Betrieben des Handwerks im engeren Sinn. Zählt man die sogenannten „handwerksähnlichen Gewerbe“ unter anderem mit Änderungsschneidern, Bodenlegern oder Speiseeisherstellern hinzu, kommt man sogar auf rund 120.000 Beschäftigte. Ihre Perspektiven waren selten so gut wie derzeit. „Die Handwerkskonjunktur läuft seit Jahren hochtourig“, sagt Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg. Er geht auch nicht davon aus, dass sich daran so bald etwas ändert. „Eine konjunkturelle Eintrübung, wie wir sie derzeit in der Industrie beobachten können, sehe ich für das Handwerk nicht einmal am Horizont.“

Bei den Mitgliedsbetrieben beobachte man eine weiterhin „insgesamt sehr gute Auftragslage“. Der Bedarf an zusätzlichen Mitarbeitern sei daher nach wie vor groß, so Stemmann. Bundesweit rechnet das Handwerk für 2019 mit einem Umsatzanstieg von bis zu vier Prozent. Nach Einschätzung von Stemmann gibt es gute Gründe für Optimismus noch darüber hinaus: „Ich erwarte, dass auch zukünftig in Sachwerte investiert wird und damit insbesondere die Bau- und Ausbauhandwerke weiterhin gut zu tun haben werden.“ Allein die vom Handwerk auszuführenden Arbeiten im Zusammenhang mit der Energiewende und dem Klimaschutz würden sich als „Konjunkturmotor“ auswirken.

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© Frank Hasse

Luftfahrt

Der vielleicht wichtigste Gradmesser für die Entwicklung im Hamburger Luftfahrtsektor mit mehr als 41.000 Beschäftigten ist die Zahl der Auslieferungen von Airbus-Jets pro Jahr. Denn aktuell wird weltweit nicht nur jedes sechste Flugzeug von Airbus in Hamburg ausgeliefert. Auch am Bau nahezu aller weiteren Maschinen des Konzerns ist das Werk auf Finkenwerder maßgeblich beteiligt. Seit dem Jahr 2002 ist die konzernweite Auslieferungszahl kontinuierlich gestiegen und nach der jüngsten Prognose des Vorstands wird sie 2019 kräftig von zuletzt 800 Jets auf 880 bis 890 Maschinen zulegen. Angesichts des Produktionshochlaufs bei wichtigen Modellfamilien und des hohen Auftragsbestands wird sich das Wachstum bei den Auslieferungen nach einer Prognose der Branchenexperten des Hamburger Bankhauses Berenberg mindestens bis 2024 fortsetzen. Für 2020 rechnen die Analysten mit 925 Fertigstellungen.

Doch daneben gibt es einen weiteren Faktor, der sich gerade in Hamburg positiv auf die Beschäftigung auswirkt: Der Produktmix innerhalb der A320-Familie der Kurz- und Mittelstreckenjets verschiebt sich immer weiter in Richtung des größten Typs A321. Außerdem kommen neue A321-Varianten mit besonders großer Reichweite hinzu, die wegen der im Frachtraum einzubauenden Zusatztanks, vor allem aber wegen der aufwendigeren, langstreckentauglichen Kabine 30 bis 40 Prozent mehr Arbeit erfordern als ein Standard-A321. Unter anderem deshalb hat der Flugzeugbauer in Hamburg seit Ende Juni 2018 knapp 1000 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt.

Bei einem anderen Unternehmen der Branche mit Hauptsitz in Hamburg läuft es ebenfalls gut: Im ersten Halbjahr ist der Umsatz von Lufthansa Technik um 16 Prozent gestiegen, seit dem Frühjahr 2018 hat die Zahl der Mitarbeiter in der Hansestadt um etwa 1400 auf rund 8800 Personen zugelegt. „Auch in Hamburg suchen wir weiter dringend Leute“, sagte ein Firmensprecher Ende Juli.

Einzelhandel

Brigitte Nolte, Geschäftsführerin des Handelsverbandes Nord
Brigitte Nolte, Geschäftsführerin des Handelsverbandes Nord © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Der Einzelhandel mit knapp 90.000 Beschäftigten in der Hansestadt blickt auf eine lange Wachstumsphase zurück: „Die Umsätze nehmen hier bereits im zehnten Jahr zu“, sagt Brigitte Nolte, Geschäftsführerin des Handelsverbandes Nord in Hamburg. Zwar hat sich bundesweit die Verbraucherstimmung im August eingetrübt. „Aber wir halten an unserer Prognose eines Umsatzwachstums von rund zwei Prozent fest“, so Nolte. Maßgeblich für die Erlöse sei die Lage am Arbeitsmarkt und die Entwicklung der verfügbaren Einkommen – und beides entwickelt sich nach Einschätzung des Branchenverbands in diesem Jahr weiter insgesamt positiv.

Dabei soll in Hamburg in diesem Jahr auch die Zahl der Mitarbeiter weiter zunehmen. Nachdem es bereits 2018 ein leichtes Plus gab, baue der Handel weiter Beschäftigung auf, so Nolte. Dabei entstünden sozialversicherungspflichtige Stellen, denn Minijobs seien in der Branche auf dem Rückzug.