Hamburg. Der Nachfolger von Vorstandschef Hans-Christian Sievers steht fest. Dieter Schnabel bleibt Mehrheitseigentümer.

Dieter Schnabel hat auf den Stuhl rechts Platz genommen, Hans-Christian Sievers sitzt in der Mitte, Stephan Schnabel links. Der alte Chef, der Noch-Chef und der künftige Vorstandsvorsitzende der Helm AG – sie haben das Abendblatt eingeladen, um über den bevorstehenden Führungswechsel zu sprechen. Ein eher ungewöhnliches Prozedere. Während börsennotierte Konzerne ihre wichtigen Personalien meist nur noch in Form einer unpersönlichen Mail kommunizieren, geht man beim Hamburger Familienunternehmen Helm AG einen anderen Weg.

Bereits am Vortag wurde ein größerer Teil der Belegschaft informiert in Form emotionaler Reden der drei Beteiligten: Stephan Schnabel (44) wird zum 1. April den Vorstandsvorsitz des Chemikalienhändlers übernehmen. Und Hans-Christian Sievers (55), der fast 35 Jahre lang für die Helm AG (8,3 Milliarden Euro Jahresumsatz) tätig war, davon acht Jahre als deren Chef, geht in den Ruhestand. Mehrheitseigentümer Dieter Schnabel, der auch den Aufsichtsrat leitet, fand nicht nur Worte des Danks und der Anerkennung für Sievers’ Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten. Er ging sogar weiter: „Sie waren für mich immer ein Teil unserer Familie“, sagte Schnabel senior in Richtung des sichtlich gerührten Sievers.

Der scheidende Chef der Helm AG sucht keinen neuen Job

Der Noch-Chef stellte dann auch umgehend klar, dass es für ihn hauptberuflich keine Zeit nach Helm geben wird: „Ich kann mir zwar noch Beirats- oder Aufsichtsratstätigkeiten vorstellen, aber keinen neuen Vollzeitjob. Dafür hat mich die Helm AG zu sehr geprägt.“ Nun wolle er sich mehr um seine Familie kümmern, viel reisen und dabei die Länder richtig kennenlernen, von denen er während seiner Zeit bei der Helm AG meist nur der Flughafen gesehen hat.

Ihm sei immer klar gewesen, dass er nur ein Chef des Übergangs war. Schließlich stand bereits bei Sievers’ Berufung zum Vorstandschef 2012 fest, dass Stephan Schnabel, der Enkel von Hermann Schnabel, der das Unternehmen einst groß gemacht hatte, eines Tages die Geschicke des Chemikalienhändlers hauptverantwortlich lenken würde. Allerdings waren sich vor acht Jahren Vater und Sohn schnell einig, dass Stephan für die Position des Vorstandsvorsitzenden noch zu jung und unerfahren war.

Schon mit 15 Jahren im Lager der Helm AG

Nun fühlt sich der ausgebildete Betriebswirt, der schon als 15-jähriger im Unternehmen seines Opas im Lager Waren sortiert und das Archiv aufgeräumt hatte, reif für die verantwortungsvolle Position. „Das ist schon ein ganz besonderer Tag gewesen“, sagt Stephan Schnabel über den Moment, als er als designierter Chef vor die Belegschaft trat. „Denn auf diesen Tag habe ich lange hingearbeitet.“

Nach seiner Ausbildung bei der Helm AG durchlief er praktisch alle wichtigen Geschäftsbereiche und zog 2012 in den Vorstand ein, wo er derzeit für die Sparten Pflanzenschutz und Düngemittel zuständig ist. Am stärksten geprägt haben ihn nach eigenen Worten die acht Jahre, in denen er für die Helm AG in der Türkei war: „Ich habe die Türkei damals nur mit viel Herzschmerz verlassen.“ Mit Blick auf den Vorstandsvorsitz spricht er von „Respekt vor der neuen Aufgabe“, aber auch von einer „großen Vorfreude darauf, noch mehr eigene Ideen verwirklichen zu können.“

2019 wird wohl ein Verlustjahr

Stephan Schnabel übernimmt das Unternehmen in keiner einfachen Situation. Die Helm AG wird das Geschäftsjahr 2019 wohl mit einem Verlust abschließen. Und auch 2020 dürften auf die Hamburger große Herausforderungen zukommen. Hauptgrund ist der Preisverfall bei Chemikalien und Düngemitteln. Wegen der global angespannten Konjunkturlage sowie des Handelsstreits zwischen den USA und China ist die Nachfrage nach Methanol und anderen Produkten massiv gesunken – um bis zu 40 Prozent.

„Ich hätte mir für meinen Sohn einen sorgenfreieren Übergang gewünscht“, sagt Dieter Schnabel. „Aber nach so vielen Jahren Sonne ziehen eben auch mal Wolken auf – und es regnet oder stürmt.“ Das sei der Gang des Geschäftslebens. Bedrückt sei er mit Blick auf die aktuelle Situation aber nicht.

Unabhängigkeit hat höchste Priorität

Ohnehin sind sich Vater und Sohn darin einig, dass sie an der Geschäftsphilosophie auch in Krisenzeiten nichts ändern werden. Ganz oben steht für beide die Unabhängigkeit. Ein Verkauf oder ein Börsengang ist keine Option. „Wir wollen nicht von Quartal zu Quartal denken müssen“, sagt Stephan Schnabel. Die Helm AG handle langfristig. So werde es auch keine Kündigungen geben – und der traditionsreiche Standort Hamburg stünde schon gar nicht zur Disposition.

1600 Mitarbeiter

  • Die Helm AG ist der größte konzernunabhängige Chemikalienhändler der Welt. Das Unternehmen sitzt in der City Süd, beschäftigt mehr als 1600 Mitarbeiter und ist in den Bereichen Chemie, Pflanzenschutz, Pharma und Düngemittel aktiv.
  • Der Umsatz betrug 2018 rund 8,3 Milliarden Euro. Gegründet wurde das Vorgängerunternehmen bereits 1900 von Karl O. Helm. Die Grundlagen für das heutige Unternehmen legte aber 1950 Hermann Schnabel.

Im geschäftlichen Verhältnis zueinander wollen Vater und Sohn ebenfalls nichts ändern. Dieter Schnabel hat sich bereits vor acht Jahren komplett aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und will seinem Sohn künftig nicht ins Tagesgeschäft hineinreden. Und auch bei den Besitzverhältnissen soll alles so bleiben, wie es ist: 60 Prozent der Helm AG gehören Dieter und 40 Prozent Stephan Schnabel.