Hamburg. Hamburgs Wirtschaftsvertretung muss weiteren Nachtragshaushalt beschließen. Trotz der Finanzprobleme sinken die Beiträge.

In Hamburgs Wirtschaft wächst wieder die Sorge um die Handelskammer. Nach dem Ende der internen Streitigkeiten geht es jetzt ums Geld. Das Plenum der Kammer muss am heutigen Donnerstag einen zweiten Nachtragshaushalt für das laufende Geschäftsjahr genehmigen, um ein millionenschweres Loch zu stopfen. Aufgrund eines Gerichtsurteils müssen fünf Millionen Euro zusätzlich für die Betriebsrente von Pensionären zurückgestellt werden. Das Geld soll aus einer Risikorücklage entnommen werden. Die Kammer verfrühstückt damit ihr finanzielles Polster.

„Die Kammer befindet sich in finanzieller Schieflage. Sie hat im vergangenen Jahr Mittel für eine Beitragsrückerstattung verwendet, die für die Altersversorgung der Pensionäre vorgesehen waren“, sagt die Hamburger Unternehmensberaterin, Astrid Nissen-Schmidt. Sie ist Spitzenkandidatin für Starke Wirtschaft Hamburg, einer Wahlgruppe Hamburger Unternehmer, die zur bevorstehenden Plenumswahl antritt.

Im September erstmals Minus im Wirtschaftsplan

Bereits im September hatte das Plenum einen Nachtrag von 1,2 Millionen Euro beschließen müssen. Damals war klar, dass das Geschäftsjahr 2019 anders als geplant nicht mit einem Überschuss von 400.000 Euro beschlossen werden kann, sondern mit einem Minus von 800.000 Euro. Mehrausgaben für Mieten und Digitaltechnik hatten zu dem Defizit geführt. Doch jetzt fehlt sehr viel mehr Geld. Auslöser sind zwei Gerichtsurteile.

Mit großer Mehrheit hatte das Plenum der Kammer im vergangenen Jahr beschlossen, den Mitgliedsunternehmen Beiträge in Summe von 20 Millionen Euro zurückzuerstatten. Damit folgte die Kammerführung dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts. Das hatte der Klage eines Unternehmers und Kammerrebellen recht gegeben, wonach die Wirtschaftsvertretung in den zurückliegenden Jahren zu hohe Beiträge eingesammelt hatte.

Für Zinsausgleich in der Altersvorsorge fehlen 13,6 Millionen Euro

Um die Beitragsrückzahlung zu finanzieren, hat die Kammer eigene Rücklagen angegriffen, die eigentlich dazu dienten, die derzeit niedrigen Zinseinkünfte auszugleichen, mit denen man die Pensionen ehemaliger Kammermitarbeiter auffüllt. Bis 2028 werden insgesamt 18,7 Millionen Euro fällig. Durch die vorzeitige Auflösung sind aber nur noch 5,1 Millionen Euro enthalten. Es fehlen folglich 13,6 Millionen Euro.

Um damit zu beginnen, das Loch zu stopfen, hat die Kammerführung beschlossen, die Rücklage in diesem Jahr wieder mit 5,3 Millionen Euro aufzufüllen. Aber das geht nicht. Die Kammer hat nämlich einen weiteren Rechtsstreit verloren, dessen Kosten sie nun zu tragen hat. In dem Fall geht es um die Betriebsrente für ehemalige Kammermitarbeiter. Jene hatten gegen eine Dienstvereinbarung geklagt, die Anfang 2017, also noch unter der alten Führung vor der Zeit der Kammerrebellen, beschlossen worden war. Grob gesagt ging es darum, die Ausgaben für Pensionen zu deckeln. Die Pensionsempfänger klagten – und das Landesarbeitsgericht hat ihnen nun in zweiter Instanz recht gegeben.

Kammerbeiträge sollen trotz fehlender Mittel weiter sinken

Obwohl die Handelskammer in Revision gegangen ist, über die noch nicht entschieden wurde, ist sie handelsrechtlich dazu verpflichtet, für die Betriebsrenten weiteres Geld zurückzulegen – und zwar fünf von jenen 5,3 Millionen Euro, die eigentlich in die Risikovorsorge sollten. So können in diese Vorsorge tatsächlich nur 300.000 Euro fließen.

Die restlichen 13,3 Millionen Euro müssen bis 2028 aus den Pflichtbeiträgen der Kammermitglieder beglichen werden. Dabei stellt sich ein weiteres Problem: Die Kammerführung will die Beiträge weiter senken. In diesem Jahr hat die Wirtschaftsvertretung 42 Millionen Euro an Beiträgen zur Verfügung und ist mit der Summe bekanntlich nicht ausgekommen. Im kommenden Jahr sollen es nur noch 40 Millionen Euro sein, ab 2023 sind sogar nur noch 35 Millionen Euro an Beiträgen vorgesehen. Das sieht der entsprechende Antrag des Präsidiums für den Wirtschaftsplan 2020 vor. Wie soll da noch zusätzlich Geld für die Altersvorsorge übrig bleiben?

Plenumsmitglied: Die Finanzlage ist dramatisch

„Das geht nicht“, sagt der Geschäftsführer der Haspa-Direkt und zugleich Oppositionsmitglied im Kammerplenum, Niels Pirck. „Die sogenannten Kammerrebellen haben trotz unserer Warnungen finanzielle Risiken leichtfertig ignoriert. Jetzt sind diese Risiken aber real, und die finanzielle Lage der Kammer ist dramatisch.“

Die Kammer habe ihr Tafelsilber leichtfertig verscherbelt. „Wir haben viele Vorschläge gemacht, wie man die standortpolitische Arbeit wieder stärken und trotzdem Kosten einsparen könnte. Leider blieben wir ungehört“, so Pirck. Der Vize-Präses der Handelskammer, André Mücke, geht gegen die Sorgen an: „In aller Deutlichkeit, es gibt keine finanzielle Schieflage der Handelskammer. Wir haben aber einige Erschwernisse, auf die wir in der Plenumssitzung reagieren werden.“