Hamburg . Die Reformer der Kammer können ihre Forderung nicht halten. Die Beiträge der Unternehmen werden jedoch abgesenkt.

Zwei Jahre nach ihrem Einzug in die Handelskammer haben die Reformer ihr zentrales Ziel aufgegeben. Das Plenum folgte am Donnerstag einer Empfehlung des Innenausschusses, die Abschaffung der Zwangsbeiträge endgültig fallen zu lassen. „Der Beschluss vom 6. Juli 2017 für 2020 einen Wirtschaftsplan vorzulegen, der ohne Pflichtbeiträge... auskommt, wird aufgehoben“, heißt es in dem Papier. Es wurde mit 31 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung ohne Gegenstimmen angenommen.

Zugleich beschloss das Plenum, die bisherige Finanzplanung zu streichen. Ihr liegt die Umorganisation der Handelskammer zugrunde. Bisher war vorgesehen, das Gesamtbudget der Kammer von 60 auf 40 Millionen Euro zu senken. Dazu sollte das Aufkommen der Pflichtbeiträge der Mitglieder von zuletzt 43 bis 2023 auf 20 Millionen Euro mehr als halbiert werden. Davon ist nun nicht mehr die Rede. Stattdessen beschlossen die so genannten Kammerrebellen, die Pflichtbeiträge schrittweise in dem genannten Zeitraum auf 35 Millionen Euro zu senken.

Viel Geld zurückerstattet

Begründung für diese Kehrtwende: Zum einen habe die Handelskammer nach einem Gerichtsbeschluss den Mitgliedsunternehmen rund 20 Millionen Euro zuviel erhobener Beiträge zurückerstatten müssen – dies geht auf eine Entscheidung der alten Kammerführung zurück. Zum anderen müssen sie mehr Geld für die Pensionsansprüche ehemaliger Mitarbeiter zurückhalten. Das Plenum forderte die Kammergeschäftsführung dazu auf, auf der Grundlage der neuen Eckdaten zur Beitragserhebung eine neue mittelfristige Finanzplanung zu erstellen. Das Ganze geschah ohne Diskussion.

Nachdem das Präsidium der Empfehlung des Innenausschusses gefolgt war, wurde die Abstimmung zum Selbstläufer. Vizepräses Peter Jensen zeigte in einem Schnelldurchlauf auf einigen Folien, wie und wo die Ausgaben des Hauses bereits gesenkt wurden. Dann legten die Kammerrebellen die zentralen Vorhaben ihres Wahlkampfes, mit denen sie im Frühjahr 2017 mit überwältigender Mehrheit ins Plenum eingezogen waren, ad acta: die Abschaffung der Pflichtbeiträge ist Geschichte – und der Umbau der Handelskammer eigentlich auch. Deren Reorganisation ist nämlich von der Finanzplanung abhängig – nicht zuletzt, weil der Stellenplan von dem zur Verfügung stehenden Budget abhängt.

Zahl der Stellen reduziert

Zwischen 2015 und November 2018 wurde die Zahl der Vollzeitstellen bereits um 16 Prozent auf knapp 250 reduziert. Jetzt sollten noch einmal 30 Stellen folgen. Zuletzt hatte es deswegen einen Aufruhr der Mitarbeiter gegeben, die die Reorganisation der Kammer nicht zuletzt wegen der geplanten Stellenstreichungen ablehnen. Der Unmut gipfelte in einem öffentlichen Hilferuf des Personalrats an den Senat, dieser möge in die Vorhaben des Ehrenamtes eingreifen, weil einzelne Abteilungen der Kammer wegen Überlastung nicht mehr in der Lage seien, ihre hoheitlich vorgeschriebenen Aufgaben zu erfüllen.

Stellenstreichungen wohl vom Tisch

Mit dem nun zurückgenommenen Sparprogramm könnten weitere Stellenstreichungen vom Tisch sein. Zum einen ist das eine Niederlage für die Hauptgeschäftsführerin Christi Degen. Sie hatte das Reorganisationsprogramm der Kammer bisher immer verteidigt. Zum anderen ist der Beschluss des Plenums auch ein Sieg der nicht den Kammerrebellen zugehörigen Plenums-Mitgliedern Astrid Nissen-Schmidt und Niels Pirck. Denn die Beschlussvorlage des Innenausschusses, dem das Plenum jetzt folgte, geht in wesentlichen Teilen fast wortgenau auf den Antrag zurück, den die beiden bei der Kammer-Sitzung im Februar gestellt hatten. Einziger Unterschied: Deren Antrag sah keine Beitragsreduktion vor. „Ich bin froh, dass es uns nun hoffentlich gelingen wird, die Kammerfinanzen in ruhiges Fahrwasser zu bekommen“, sagte Pirck erleichtert nach der Sitzung. „Das Plenum hat das unseriöse Finanzgebaren der vergangenen zwei Jahre in der Kammer beendet.“

Turbulente Sitzung

Astrid Nissen-Schmidt, Sprecherin der Gegengruppe Starke Wirtschaft Hamburg, ergänzte: „Die wirren Finanz-Träume der selbst ernannten Kammerrebellen sind an der Realität zerschellt. Am Ende haben sie dem endgültigen Scheitern ihres eigenen Hauptzieles selber zugestimmt.“ Turbulent ging die Sitzung weiter: Ursula Beckmann, Klimaexpertin und Prokuristin eines Solaranlagenherstellers, präsentierte einen wahrlich revolutionären Klimaplan. Er sieht vor, dass bei der Renovierung oder dem Neubau von Dächern die Installation von Solaranlagen Pflicht werden soll. Beim Immobilienbau soll mehr Holzbau vorgeschrieben werden. Zudem soll Anwohnerparken massiv ausgeweitet werden. Letztlich scheiterte der Plan nach lebhafter Diskussion daran, dass dem Plenum aufgrund der geringen Teilnahme die Beschlussfähigkeit fehlte – auf die wichtigste Entscheidung des Tages hatte dies allerdings keinen Einfluss.