Hamburg. Handelskammer-Gespräch: Es bestehen vor allem Probleme für kleinere Firmen. Seit Februar gibt es eine Brexit-Hotline.

Der Brexit gehört seit Jahren zu den politischen Dauerbrennern. Klar ist, dass er heftige Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird. Um rund zehn Milliarden Euro soll sich das deutsche Bruttosozialprodukt jährlich verringern, wenn die Briten ohne Vertrag aus der EU austreten sollten (No-deal-Brexit), so eine Studie. Ob es zu diesem oder einem anderen Szenario kommt, ist weiterhin offen – und das verunsichert viele Unternehmen hierzulande. „Es werden circa 45 Prozent nicht vorbereitet sein“, sagte Andreas Meyer-Schwickerath von der britischen Handelskammer in Berlin bei einem Pressegespräch in der Hamburger Handelskammer über die Folgen eines Brexits.

„Hamburg hat einen Sonderstatus“, sagte zwar Rainer Giersch, Statthalter der britischen Handelskammer in Norddeutschland. Das liegt an der Vergangenheit: Die Hansestadt ist traditionell ein außenhandelsorientierter Standort. Viele Firmen würden sich daher gut mit Zollbestimmungen auskennen. Aber die Größenordnung von rund der Hälfte hält er aus seinen Erfahrungen für realistisch. Schließlich wüssten die Firmen nicht, worauf sie sich vorbereiten sollen. No deal? Verlängerung der Verhandlungen über die Frist 31. Oktober hinaus? Austritt aus EU mit Verbleib in der Zollunion? Oder Austritt aus beidem?

Kleinen und mittleren Unternehmen fehlt die Erfahrung

„Die Unternehmen, die auf einen ungeregelten Brexit am besten vorbereitet sein werden, kann man an einer Hand abzählen“, sagte Alexander Altmann, Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Blick Rothenburg, die von London aus rund 1500 deutsche Unternehmen berät. „Das sind die großen deutschen Konzerne, die interne Brexit-Abteilungen haben.“ Sie hätten das Geld und Know-how. Mittelständische Firmen seien überhaupt nicht vorbereitet.

André Mücke, Vizepräses der Handelskammer Hamburg, sieht das ähnlich. Bei Workshops kämen Rückfragen vor allem von Firmen, die bisher nicht in Außer-EU-Gebiete liefern. „Es sind vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, denen hauptsächlich die Erfahrung fehlt“, sagte Mücke. Die Hamburger Kammer vertrete rund 1000 Firmen, die direkten Bezug zu Großbritannien haben – also deutsche Firmen, die auf der Insel Standorte unterhalten, oder britische Firmen, die an der Elbe aktiv sind. Bei Ein- und Ausfuhren liege das Königreich auf Platz drei und sechs. Die Wunsch­lösung vieler wäre ein Exit vom Brexit. „Die zweitbeste Möglichkeit ist ein
Brexit in geordneten Bahnen.“ Er befürchtet Engpässe in der Produktion, weil viele Hersteller auf große Lager verzichten und just in time fertigen. Viele Betriebe seien aber auch gut vorbereitet, sagt Mücke. Aktuelle Zahlen aus einer Umfrage hatte die Kammer nicht parat.

Brexit-Hotline eingerichtet

Die Unternehmen würden sich punktuelle Bereiche anschauen, sagt Arne Olbrisch, Leiter der Außenwirtschaftspolitik bei der Handelskammer. Müssen Verträge angepasst werden? Gibt es Auswirkungen auf die Lieferbedingungen? Ist das Unternehmen auf Zollbestimmungen vorbereitet? Die Nachfragen der Mitgliedsunternehmen an die Handelskammer könnten aus seiner Sicht aber größer sein. Olbrisch: „Wir haben seit Februar eine Brexit-Hotline eingerichtet. Sie wird regelmäßig genutzt, aber sie läuft nicht heiß.“