Hamburg. Ohne Abschluss bleiben aber nur 7,4 Prozent der Hamburger Lehrlinge. Die Hansestadt liegt laut Studie im Mittelfeld.
Michael Jürs hat seine Ausbildung gewechselt. Doch das lag nicht an ihm. „Ich war mit der praktischen Ausbildung unzufrieden“, sagt der 22-Jährige, der jetzt seine Lehre als Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizung und Klima bei dem Hamburger Traditionsunternehmen A. C. Vorwald & Sohn und damit in einem anderen Betrieb fortsetzt. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass er die Prüfung im Januar schafft“, sagt Tino Landt, Technischer Geschäftsführer des 1866 gegründeten Sanitär- und Heizungsbetriebs.
Jürs hatte seine Ausbildung in einem Unternehmen begonnen, in denen die praktischen Herausforderungen begrenzt waren: Neue Wasserhähne montieren, Dichtungen erneuern oder eine Verstopfung beseitigen – das war’s. „Bei A. C. Vorwald & Sohn kann ich bei kompletten Sanitäranlagen im Neubau mitarbeiten“, sagt Jürs.
So wie Jürs geht es vielen anderen. Rund 30 Prozent der Lehrlinge beenden ihren ersten Ausbildungsvertrag vorzeitig. Denn erstmals wurde jetzt für Hamburg untersucht, wie viele Abbrecher tatsächlich ohne Abschluss bleiben. Dazu hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einer Regionalstudie den kompletten Hamburger Ausbildungsjahrgang von 2005 mit 10.305 Auszubildenden untersucht.
Berlin deutlich schlechter als Hamburg
Dazu wurden deren Berufsbiografien mit Hilfe statistischer Daten von Renten- und Krankenversicherung acht Jahre lang, also bis Ende 2013, analysiert. „Tatsächlich gelang es nur 7,4 Prozent des betrachteten Ausbildungsjahrganges nicht, einen qualifizierten Berufsabschluss zu erlangen“, sagt Studienautor Volker Kotte vom IAB. Insgesamt waren das rund 750 Personen von 10.305 Azubi-Startern. „Das ist zu den anfänglichen 30 Prozent doch ein deutlicher Unterschied“, sagt Kotte.
Dennoch liegt die Hansestadt damit über dem bundesdeutschen Durchschnittswert von 6,2 Prozent. Im Vergleich mit anderen großen Städten liegt Hamburg im Mittelfeld. Deutlich schlechter als Hamburg schneiden Berlin (10,8 Prozent ohne Berufsabschluss), Dortmund (9,6 Prozent) und Köln (8,2 Prozent) ab. Die niedrigsten Werte bei Jugendlichen ohne Ausbildung im Langfristvergleich erreichen Städte wie Dresden (5,4 Prozent), München (5,6 Prozent) und Bremen (5,9 Prozent).
Da viele Daten der Auszubildenden über ihre weitere Entwicklung erst zeitverzögert vorlagen und die Auswertung sehr umfangreich war, konnten die Ergebnisse erst jetzt veröffentlicht werden. Bundesweit wurde der Entwicklungsweg von rund einer halben Million Lehrlinge ausgewertet. In einer kleineren Stichprobe wurde für einen späteren Jahrgang geprüft, ob sich die Ergebnisse bestätigen, was der Fall war. „Die Resultate heute dürften nicht viel anders ausfallen als für den Jahrgang 2005“, sagt Kotte.
Solide Ausbildung schützt vor langer Arbeitslosigkeit
Die Gründe für einen Ausbildungsabbruch sind vielfältig. Neben der Unzufriedenheit mit dem Ausbildungsberuf gehören dazu persönliche Probleme oder die Erfahrung, dass der gewählte Beruf doch nicht den persönlichen Vorstellungen entspricht. Die meisten Abbrecher finden aber eine Möglichkeit, die Ausbildung fortzusetzen – entweder in einer anderen Branche oder einem anderen Betrieb. „Für uns war das auch eine neue Erfahrung, einen Auszubildenden nicht von Anfang an zu betreuen“, sagt Landt. „Aber in Zeiten des Fachkräftemangels nutzen wir das gern.“ Das Unternehmen bildet pro Jahr zwei bis drei Lehrlinge aus. In den vergangenen zehn Jahren gab es in dem Betrieb nur einen Abbrecher.
Auf die Erwerbsbiografie wirkt sich eine abgeschlossene Berufsausbildung deutlich positiv aus. „Kontinuierliche Ausbildungsverläufe führen zu längeren Beschäftigungsepisoden und kurzer Arbeitslosigkeit“, sagt Kotte. „Mehr als die Hälfte ist im Untersuchungszeitraum niemals arbeitslos gewesen.“ Bei der Gruppe ohne Berufsausbildung war im Schnitt fast jeder ein Jahr arbeitslos. Die Arbeitsagentur verweist darauf, dass sich die Lage bei der Berufsorientierung seit dem Jahr 2005 in Hamburg deutlich verbessert hat.
„Die Berufsorientierung ist an allen Hamburger Schulen inzwischen verpflichtend, und die Jugendberufsagenturen bieten vielfältige Unterstützung bei der Berufs- oder Studienwahl“, sagt Sönke Fock, Chef der Arbeitsagentur Hamburg. Dennoch werde es immer wieder Entscheidungen für einen Ausbildungsberuf geben, die sich in der Praxis anders darstellen als gedacht. „Doch wenn Probleme auftauchen, bietet die Arbeitsagentur eine Ausbildungsassistenz oder ausbildungsbegleitende Hilfen an.“ Keiner muss also ohne Berufsabschluss bleiben.