Hamburg. Am 1. August beginnt das neue Lehrjahr, doch viele Jugendliche suchen in Hamburg noch eine Stelle. Tipps, wie man jetzt noch etwas findet.
In wenigen Tagen, am 1. August, beginnt das neue Ausbildungsjahr. Da sich Jugendliche aber immer mehr Zeit lassen, bevor sie über ihre beruflichen Zukunft entscheiden, gibt es jetzt noch viele unversorgte Schulabgänger, aber auch noch freie Ausbildungsplätze. Kann ich jetzt noch einen Ausbildungsvertrag abschließen? In welchen Branchen gibt es noch freie Stellen? Um welche Versicherungen muss ich mich als Azubi kümmern? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie viele Jugendliche haben sich bereits für eine Ausbildung entschieden?
Handwerkskammer und Handelskammer sind mit der Entwicklung zufrieden. „Bei den bisher abgeschlossenen Verträgen liegen wir über dem Bundestrend“, sagt André Mücke, amtierender Präses des Handelskammer. Per Ende Juni wurden 5828 Ausbildungsverträge bei der Handelskammer abgeschlossen. Das ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Zuwachs von 2,4 Prozent, während bundesweit die Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge stagniert. „Alle Branchen haben mittlerweile Probleme, freie Stellen zu besetzen, deshalb investieren die Unternehmen verstärkt in die Ausbildung“, sagt Mücke. Auch die Handwerkskammer freut sich über mehr Ausbildungsverhältnisse. Per Ende Juni wurden 1219 Ausbildungsverhältnisse eingetragen. Das ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Zuwachs von 2,4 Prozent. „Aber wie die endgültige Bilanz ausfällt, können wir noch nicht sagen“, sagt Ute Kretschmann, Sprecherin der Handwerkskammer. Tendenziell wird die Zahl der Ausbildungsverhältnisse noch zunehmen. Denn pro Jahr bilden die Handwerksbetriebe in Hamburg 2400 bis 2500 Lehrlinge aus.
Wie viele Jugendliche haben noch keinen Ausbildungsvertrag?
Nach Zahlen der Arbeitsagentur Hamburg sind das jetzt noch rund 3000 Jugendliche. „Wer einen guten Schulabschluss hat, der kann sich seinen Ausbildungsbetrieb aussuchen und das führt dazu, dass sich die Jugendlichen immer später für einen Beruf oder einen Betrieb entscheiden“, sagt Knut Böhrnsen, Sprecher der Arbeitsagentur. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist die Zahl der unversorgten Schulabgänger um zehn Prozent gesunken. Andere Schulabgänger hoffen noch auf die Zusage für einen Studienplatz und entscheiden sich erst für einen Ausbildungsberuf, wenn es mit dem Studium zunächst nicht klappt. „Unser Anliegen ist, die duale Ausbildung als gleichwertige Alternative zum Studium zu etablieren“, sagt Mücke. Hier müsse noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, insbesondere auch bei den Eltern, die oft der wichtigste Ratgeber bei der Berufswahl der Kinder seien.
Gibt es noch freie Lehrstellen?
Die Handwerkskammer registriert noch 1239 unbesetzte Lehrstellen, für die ein Ausbildungsbeginn noch in diesem Jahr möglich ist. Darunter sind allein 120 noch freie Ausbildungsplätze für Kraftfahrzeugmechatroniker in verschiedenen Spezialisierungen. Unbesetzt sind noch 76 Lehrstellen für Friseure, 25 für Hörakustiker, 12 für Kosmetikerinnen und acht für Zahntechniker. Auch im Bauhandwerk gibt es noch zahlreiche Ausbildungsplätze. 61 künftige Maurer werden noch gesucht, ebenso 31 Zimmerer. Auch Mike Köpke, Geschäftsführer der Firma Gerhard Köpke Elektromontagen, hat noch zwei Ausbildungsplätze für Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik zu vergeben. „Wir vergeben jedes Jahr sieben Ausbildungsplätze und gehen in Stadtteilschulen und zu Berufsmessen, um unsere Firma bekannt zu machen.“ So bekommt das Unternehmen mehr Bewerbungen als es Lehrstellen zu vergeben hat.
Die Handelskammer hat noch 1052 freie Ausbildungsplätze zu vergeben. 111 Lehrstellen gibt es noch für den Kaufmann für Büromanagement. 84 Fachinformatiker und 67 Kaufmänner für Groß- und Einzelhandel werden noch gesucht. Da es neben den Firmen der Handelskammer und Handwerkskammer noch viele andere Ausbildungseinrichtungen wie Pflegeheime, Krankenhäuser oder Rechtsanwaltskanzleien gibt, ist die Zahl der freien Ausbildungsplätze deutlich höher und liegt nach einer Schätzung der Arbeitsagentur Hamburg bei 4500. Das sind etwa zehn Prozent weniger als vor einem Jahr. Bei noch 3000 unversorgten Schulabgängern hat also jeder noch die Chance, einen Ausbildungsplatz zu finden. Die Lehrstellenbörsen von Handwerkskammer und Handelskammer geben einen Überblick, wo man sich jetzt noch bewerben kann. Bei der Handwerkskammer gibt es auch eine Bewerberhotline: 040/35905 455.
Kann ich nach dem 1. August noch mit einer Ausbildung beginnen?
In der Regel ist vier bis sechs Wochen nach Ausbildungsbeginn noch ein Einstieg in das laufende Ausbildungsjahr möglich. „Das hängt auch davon ab, wann der Unterricht in der Berufsschule beginnt“, sagt Mücke. „Davon sollte man nicht viel versäumen.“ Manche Ausbildung startet auch erst am 1. September. Bei den Handwerksbetrieben ist aber ein Praktikum Voraussetzung für einen Ausbildungsvertrag. „So kann man herausfinden, ob die Vorstellungen über den Beruf mit der Praxis übereinstimmen“, sagt Köpke. Wer es kurzfristig nicht mehr schafft: auch zum 1. Februar kann mit einer Ausbildung begonnen werden.
Welche Versicherungen brauche ich als Azubi?
Wer eine Berufsausbildung beginnt, wird in der Regel versicherungspflichtig. Jeder Azubi benötigt daher eine gesetzliche Krankenversicherung. Nach Beginn der Ausbildung hat er noch 14 Tage Zeit, Mitglied bei einer Kasse seiner Wahl zu werden. Erst danach wird ihn der Ausbildungsbetrieb bei der Kasse versichern, bei der er vorher über die Eltern versichert war. Die günstigsten Krankenkassen in Hamburg sind nach dem Vergleichsportal Check24 die BKK Euregio mit einem Beitragssatz von 14,95 Prozent und die HKK Krankenkasse mit 14,99 Prozent. Vom Beitragssatz muss der Azubi die Hälfte bezahlen, die andere Hälfte übernimmt der Ausbildungsbetrieb. Außerdem wird Beitrag für die Pflegeversicherung fällig. Der Beitragssatz liegt bei 3,05 Prozent, wovon der Azubi die Hälfte bezahlt. Nur wenn er bereits älter als 23 Jahre ist und keine Kinder hat, wird ein Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten fällig. Beträgt die Ausbildungsvergütung nicht mehr als 325 Euro im Monat, muss der Lehrling keine Abgaben entrichten.
Müssen schon private Versicherungen abgeschlossen werden?
„Neben der Krankenversicherung sind das vor allem eine Haftpflicht- und eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die Ausbildungsstarter wirklich benötigen“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Haftpflichtabsicherung sei aber meist noch über die Eltern bis zum Ende der ersten Ausbildung gegeben. „Wer den Ausbildungsstart hinausschiebt und sich erst noch einige Zeit im Ausland aufhält, sollte zusätzlich eine Auslandskrankenversicherung abschließen“, rät Becker-Eiselen. Denn die gesetzliche Krankenkasse zahlt nur für erforderliche Behandlungen in europäischen und einigen fernen Ländern. Die private Zusatzversicherung hingegen übernimmt die Kosten weltweit .
Wie wichtig ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung?
Hierbei geht es um die finanziellen Folgen, wenn man aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in seinem Beruf arbeiten kann. Studenten und Azubis haben oft keinen oder nur einen eingeschränkten Schutz über die gesetzliche Rentenversicherung. Zudem fällt die Rente meist sehr gering aus. Eine private BU-Rente kann komfortabler bemessen werden. „Dieser Schutz sollte nicht mit anderen Policen kombiniert werden“, rät Becker-Eiselen.