Hamburg. Handels- und Handwerkskammer bringen Firmen und Schüler zusammen. Kampf um besten Nachwuchs in der Stadt wird immer härter.

Im Ehrenhof des Hamburger Rathauses hat das Handwerk seine Zelte aufgeschlagen, um für Nachwuchs zu werben. Das Bäckerhandwerk gleich neben dem Fleischerhandwerk und die Dachdecker-Innung neben dem Sanitärhandwerk. Doch wie lockt man Achtklässler, die kaum eine Vorstellung von vielen Berufen haben, an die Stände?

Die Handwerker haben sich einiges einfallen lassen. Bei den Sanitärhandwerkern können sich die Schüler einen Schlüsselanhänger aus Kupferrohr basteln, bei den Dachdeckern ist es ein Herz aus einer Schieferplatte. Wer sich noch nicht entscheiden kann, versucht sich auf einer kleinen Bühne an einem Glücksrad mit Fragen zum Handwerk. Auch das lockt viele Schüler an und sorgt für Gaudi, weil immer zwei gegeneinander antreten. Interesse lässt sich auch über den Verdienst wecken.

Verdient ein Maurer im dritten Lehrjahr mehr als 950 Euro im Monat? Es ist deutlich mehr: 1475 Euro. Da staunen die Schüler. Das Handwerk bietet vielleicht doch mehr, als viele bisher dachten. „Für immer mehr Jugendliche kommt eine handwerkliche Ausbildung wieder infrage. Das sehen wir an bisher sieben Prozent Plus bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in diesem Jahr“, sagt Handwerkskammerpräsident Hjalmar Stemmann.

10.000 Schüler besuchen Lehrstellenmesse

Anregungen für die Berufswahl erhalten am Dienstag und Mittwoch rund 10.000 Hamburger Schüler, die die Handwerkswelten und die Hanseatische Lehrstellenbörse, die gleichzeitig im Innenhof des Rathauses und der Handelskammer stattfinden, besuchen. Das ist ein neuer Rekord. Das Ausbildungsjahr hat im August erst begonnen, doch 118 Unternehmen aus Industrie, Handel, Dienstleistungen und dem Handwerk sowie Institutionen, Kammern und Verbände suchen jetzt schon nach den Azubis für das nächste Jahr. Denn sie können sich angesichts des großen Angebots ihre Lehrstelle aussuchen.

Allein die Handelskammer bietet auf dieser Messe 1577 Ausbildungsplätze an. Über 1200 Lehrstellen sind es bei den Handwerksbetrieben, die elf Monate vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres schon zur Verfügung stehen. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) eröffnete zusammen mit Handelskammer-Vizepräses André Mücke und Handwerkskammerpräsident Stemmann die Lehrstellenmessen. „Hamburg ist eine Stadt der beruflichen Bildung mit guten Chancen auf Übernahme nach der Ausbildung, Weiterbildung und erfolgreiche Karrierewege“, sagt Tschentscher.

Für Schornsteinfegermeister Lutz Peters ist Berufswerbung besonders wichtig. „Denn keiner kommt von sich aus auf den Gedanken, Schornsteinfeger zu werden. Wir brauchen eine Bühne, um unseren Beruf vorzustellen“, sagt Peters. Ein Schornsteinfegermeister mit eigenem Kehrbezirk ist heute häufig auch noch Energieberater. „Man hat ein gutes Auskommen“, sagt Peters. Wie es in der Ausbildung läuft, können die Schüler meist aus erster Hand erfahren, denn an vielen Informationsständen der Unternehmen wie Airbus, Hapag-Lloyd, Block House oder Daimler stehen selbst Azubis. Bei Airbus können die Jugendlichen mithilfe einer virtuellen Brille in den A380 einsteigen und sich im gesamten Flugzeug umsehen. Das probiert selbst Bürgermeister Tschentscher gern aus.

Azubi erklärt, wie man Kapitän werden kann

Der 22-jährige Lasse Gawande ist auf dem Weg zum Kapitän bei Hapag-Lloyd. Nach einer Ausbildung als Schiffsmechaniker absolviert er jetzt ein Bachelorstudium der Nautik und berät die Jugendlichen bei ihren Fragen zur Ausbildung. Wer auf die Containerfrachter möchte, muss sich die Seediensttauglichkeit bescheinigen lassen. „Das Interesse an der Ausbildung auf See ist groß, sogar aus Nordrhein-Westfalen waren Schüler hier“, sagt er.

Am Informationsstand der Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowsky können die Jugendlichen gleich mit Selina Johannsen aus der Personalabteilung sprechen. Mitunter greifen die Schüler aber auch nur in die Schale mit den Lollis, statt nach einer Ausbildungsmöglichkeit zum Kaufmann im Einzelhandel oder als Drogist zu fragen. Dennoch spürt das Unternehmen die Wirkung einer solchen Messe. „Wir bekommen danach viele Bewerbungen, auch wenn nicht alle passen“, sagt Johannsen. Mit einem Praktikum in einer Filiale lässt sich die Bewerbung noch aufpeppen.

Vom Banker zum Feuerwehrmann

Fynn M. ragt vom Auftreten her aus der Schülerschar heraus. Er macht eine Ausbildung zum Bankkaufmann, die er auch abschließen möchte. „Doch die Perspektiven in der Branche sind schlecht, da möchte ich lieber umsatteln“, sagt er am Informationsstand der Hamburger Feuerwehr. Jenny Schütt bietet ihm eine Ausbildung über 18 Monate an, wenn er das Aufnahmeverfahren besteht. Als Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr sieht er dafür gute Chancen. Inzwischen kann man sich in Hamburg auch gleich zum Berufsfeuerwehrmann ausbilden lassen. „Erstmals haben wir 2018 damit begonnen“, sagt Schütt. Das Interesse ist groß. „Wir wurden fast überrannt.“

Cheron Schalle lernt Dachdecker bei der Hamburger Firma Nönning. Was das bedeutet, will er den Schülern vermitteln. Ihr handwerkliches Geschick können sie üben, indem sie aus einer Schieferplatte ein Herz mit dem Schieferhammer schlagen. „Dazu wird die Platte auf den Haubock gelegt, und es werden möglichst nur kleine Stücke abgeschlagen“, sagt Schalle. Ein Schüler probiert es gerade aus. „Doch bisher war das Interesse bei den Mädchen größer als bei den Jungen“, sagt Schalle. Für ihn war klar, er wollte in der Höhe und handwerklich arbeiten. „Es gibt nichts Besseres, als nach getaner Arbeit auf dem Dach zu sitzen und den Ausblick zu genießen“, sagt er. Ob das die Schüler überzeugt? Viele werden wohl erst mal ihre Eindrücke sortieren müssen. Für die meisten bleibt bis zur Berufsentscheidung auch noch etwas Zeit.