Hamburg. Bislang konnte kein Käufer für die Hamburger Windkraft-Firma gefunden werden. Doch es gibt für die Beschäftigten eine gute Nachricht.

Die Beschäftigten von Senvion gehen durch eine harte Zeit. Mitte April hatte der Hamburger Windkraftanlagenhersteller Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Trotzdem hatte es zunächst viel Optimismus bei den Mitarbeitern gegeben. „Die Leute sind mit vollem Herzen bei der Arbeit. Hier guckt keiner auf die Uhr“, hatte der Hamburger Betriebsratschef Andreas Günther damals gesagt. Die Identifikation mit der Branche und auch dem Unternehmen sei hoch. Die Verbundenheit mit ihrem Arbeitgeber dürfte allerdings ein Auslaufmodell sein. Darauf deutet die jüngste Entwicklung hin. Denn Senvion droht die Zerschlagung.

Für Dienstagnachmittag hatte das Unternehmen die insgesamt knapp 2000 Mitarbeiter in Deutschland zu Versammlungen an den drei Standorten Hamburg, Büdelsdorf/Osterrönfeld und Bremerhaven eingeladen. Im Gepäck hatte die Firmenleitung um Chef Yves Rannou sowie den Insolvenzexperten Gerrit Hölzle und Thorsten Bieg als Sanierungsgeschäftsführer sowohl gute wie schlechte Nachrichten.

Senvion in Hamburg hat 400 Mitarbeiter

Das Positive: Senvion konnte sich mit seinen Kreditgebern auf eine weitere Finanzierung einigen. Das teilte das Unternehmen nach der Mitarbeiterversammlung mit. Die Fortführung der Geschäfte sei bis „mindestens Ende August und möglicherweise darüber hinaus“ sichergestellt. Wenn die Verhandlungen mit möglichen Investoren dann auf der Zielgeraden seien, könnte die Finanzierung des Unternehmens also auch über den August hinaus gewährleistet werden, hieß es.

Für die weltweit rund 4000 Mitarbeiter, darunter noch rund 400 in Hamburg, bedeutet das zumindest für den kommenden Monat Sicherheit. Sie werden ihre August-Gehälter und -Löhne bekommen. Davon geht Stand heute auch die IG Metall aus. Grundsätzlich begrüßte die Gewerkschaft, dass Senvion den Betrieb zunächst fortsetzen kann und der Worst-Case-Fall Insolvenz zumindest vorerst vom Tisch ist. Dass Senvion dauerhaft überleben wird, erwartet sie allerdings nicht. „Auf den Mitarbeiterversammlungen ist deutlich geworden, dass ein Verkauf des Unternehmens als Ganzes immer unwahrscheinlicher wird“, sagte Bezirksleiter Meinhard Geiken.

Ex-Umweltsenator gründete Senvion als Repower Systems

Ähnliches hört man auch aus dem Unternehmen. Das im Jahr 2001 vom früheren Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt als Repower Systems gegründete Unternehmen dürfte – zumindest als Einheit – bald nicht mehr bestehen. Zwar befänden sich die Gespräche mit möglichen Investoren in einem fortgeschrittenen Stadium. Allerdings hätten sie bisher noch nicht abgeschlossen werden können, „weswegen wir den Verkaufsprozess nun beschleunigen“, so Rannou. Parallel dazu sollen alle Geschäftsbereiche überprüft werden, um das profitable Kerngeschäft zu sichern. Ziel sei es laut Rannou, „die fortgeschrittenen Gespräche mit Investoren zeitnah zum Abschluss zu bringen“.

Namen von Interessenten nannte Senvion nicht. Zuletzt wurden die Konkurrenten Acciona aus Spanien, Toshiba aus Japan, Marktführer Vestas aus Dänemark und Siemens Gamesa gehandelt. Der deutsch-spanische Windkraft-Konzern senkte am Dienstag allerdings seine Prognose, woraufhin die Aktie auf Talfahrt ging. Die Preise seien unter Druck, seit die Politik in vielen Ländern die Branche nicht mehr subventioniert, sondern sich Unternehmen in Auktionen als günstige Anbieter durchsetzen müssen. Als belastende Faktoren kämen der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie ein drohender Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hinzu. Das sind Rahmenbedingungen, die für die ganze Branche gelten, ihr das Geschäft schwer machen und einen Verkauf von Senvion zusätzlich erschweren dürften.

IG Metall fordert Transfergesellschaften für Senvion-Mitarbeiter

Daher überrascht es nicht, dass Senvion mitteilte: „Für den Fall eines Scheiterns der Verkaufsbemühungen für das Gesamtunternehmen oder dessen zentralen Geschäftseinheiten wird Senvion sich auf alle Optionen vorbereiten müssen.“ Deshalb würde kurzfristig das Gespräch mit den Arbeitnehmervertretern über einen Sozialplan und Interessenausgleich für Mitarbeiter in all jenen Geschäftsbereichen gesucht, für die in den nächsten rund vier Wochen kein Investor gefunden werden kann.

Die Arbeitnehmerkreise sind naturgemäß alarmiert: „Wir gehen davon aus, dass es einen massiven Personalabbau geben wird“, sagte eine mit dem Sachverhalt vertraute Person, die nicht genannt werden wollte. Die IG Metall machte klar, dass es ihr auch beim Verkauf von Teilbereichen um die Sicherung möglichst vieler Stellen geht. Geiken: „Die Beschäftigten und ihr Know-how sind der wahre Wert des Unternehmens. Das sollte möglichen Investoren bewusst sein.“

Für Beschäftigte, die nicht übernommen werden, fordert die IG Metall Transfergesellschaften. „Damit kann verhindert werden, dass Mitarbeiter direkt in die Arbeitslosigkeit gehen. Außerdem lassen sich so Fachkräfte in der Windbranche und den jeweiligen Regionen halten“, sagte Geiken. Der Gewerkschaftschef fordert auch die Landesregierungen von Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein auf, den Beschäftigten in der schweren Situation zu helfen.

Die Hängepartie für die Mitarbeiter wird nun wohl noch mindestens einen weiteren Monat andauern.