Hamburg. Kosmetikkonzern schafft Geschäftsbereich Oscar&Paul. Bekannte Marken sollen neu positioniert werden, damit der Umsatz steigt.
Als der Kosmetikkonzern Beiersdorf vor fast 70 Jahren die Marke 8x4 erfand, gehörten Deos noch nicht zur Grundausstattung in heimischen Badezimmern. Die Linie, die ihren Namen dem Wirkstoff Hexachloridhydroxydiphenylmethan – kurz B32 – verdankt, wuchs mit dem Wunsch der Deutschen nach gepflegtem Auftreten ohne störenden Achselschweiß. Es gab desodorierende Seifen, Puder, Sprays. 1958 kamen die erste Deoroller in die Läden.
Lange konnte sich 8x4 als Marktführer behaupten, bis in den 1990-er Jahren neue Produkte – auch aus dem eigenen Unternehmen – den Klassiker ins Abseits drängten. Zwar kennen viele Kunden den Markennamen mit der Rechenaufgabe, aber immer weniger kaufen die Deos. Ein Fall für die neue Geschäftseinheit Oscar & Paul, die beim Nivea-Hersteller als Motor für Wachstumsmärkte agieren soll. „Es geht darum, bestehende Marken weiterzuentwickeln, neuartige Geschäftsmodelle zu testen und ganz neue Felder zu besetzen“, sagt Hauke Voß, Direktor von Oscar&Paul.
Büroräume mit Start-up-Atmosphäre
Beiersdorf reagiert damit auf die zum Teil gravierenden Veränderungen im Kosmetikmarkt. Um zukunftsfähig zu bleiben hatte der neue Vorstandschef Stefan De Loecker dem erfolgsverwöhnten DAX-Konzern mit seiner Strategie CARE+ mehr Innovationskraft verordnet. Erst vor wenigen Wochen haben Voß und sein mehr als 20-köpfiges Team neue Büroräume in der verzweigten Beiersdorf-Zentrale in Eimsbüttel bezogen. Lange Tische mit wechselnden Arbeitsplätzen, Loungesessel, ein Kreativbereich, an dem auch gemalt und mit Hand geschrieben werden soll. Vieles ist selbstgemacht. Ein bisschen so, wie man es sich bei einem Start-up vorstellt.
„Wir haben uns bewusst gegen die Gründung eines ausgelagerten Innovations-Labs entschieden“, sagt Voß, der statt in Anzug und Krawatte in Jeans und Turnschuhen zur Arbeit kommt. An den Wänden hängen Fotos von den Beiersdorf-Gründern und Namensgebern der neuen Einheit: Oscar Troplowitz und Paul C. Beiersdorf. Die Corporate Indie Brand Unit, wie sich der Bereich offiziell nennt, ist ein Teil des großen Beiersdorf-Mutterschiffs.
Frecher Slogan wirbt für Hidrofugal
Voß und seine junge Mannschaft sind zuständig für die Deodorants 8x4 und Hidrofugal, die Lippenpflegestifte von Labello und die frühere DDR-Marke Florena, die sie neben den Flaggschiffen Nivea, Eucerin, Hansaplast und der Luxuspflegeserie La Prairie neu positionieren sollen. Ganz neu ist das Konzept nicht. Bereits im vergangenen Jahr hatte Beiersdorf das After-Shave Gammon aus den 1980-ern einer Grundüberholung unterzogen, die unter dem Namen Wingmann-Studios initiiert und online vertrieben wird. Die Idee hinter Oscar & Paul geht weiter.
Mehr als zwei Jahre lang lief die Vorbereitung für das Projekt. Dabei arbeitet das Team wie eine Firma in der Firma – von der Idee bis zum Vertrieb und mit einem eigenen Budget. Erste Erfolge konnte die Einheit bereits bei der Deo-Marke Hidrofugal erzielen, die sie mit dem frechen Slogan „#schweissegal“ von Platz 10 auf der Liste der meist verkauften Deos auf Platz 5 pushten. „Die Wachstumsrate ist zweistellig“, sagt Voß.
Jetzt kommt 8x4 runderneuert in die Läden
Jetzt kommt 8x4 runderneuert in die Läden. Zehn neue Düfte, verschiedene Schutz- und Pflegevarianten sowie ein modernes, puristisches Design sollen für steigende Verkaufszahlen sorgen. Statt Bezeichnungen wie Modern Charme oder Ocean Fresh hat die Serie Nummern und kommt in Varianten wie Pure Aqua oder Clear Rose auf den Markt. „Es ist eine radikale Neupositionierung, die auf Individualisierung setzt“, sagt Thorsten Trompeter, der die Marke betreut. Im Internet kann man einen Schnelltest machen, um den Produkttyp zu ermitteln. Vorgestellt wird der Relaunch nicht von Beauty-Influencern, sondern – wie Trompeter betont – von „echten Persönlichkeiten“ wie dem Hamburger Modell Julius Gerhardt, der bei einem Brandunfall 40 Prozent seiner Haut verlor. Motto: „Don’t stop yourself“.
„Wir wollen Marken schaffen, die den heutigen Anforderungen von Konsumenten im Hinblick auf Authentizität, Sinnhaftigkeit und Geschwindigkeit entsprechen“, sagt Hauke Voß, der seit zwölf Jahren bei Beiersdorf ist. Fakt ist, dass der Branchengigant mit einem Umsatz von 7,2 Milliarden Euro und 20.000 Mitarbeitern weltweit beweglicher werden muss. „Der Markt differenziert sich heute stärker aus“, sagt der Oscar & Paul-Chef.
Neue Hautpflege-Marke geplant
Wie schnell Kunden selbst dem Marktführer Labello verloren gehen können, hat vor einigen Jahren das Beispiel des amerikanischen Herstellers Eos gezeigt, dessen kugelrunde Lippenbalsame plötzlich immer mehr Kunden haben wollten. Labello bekam auf diesem Weg massive Konkurrenz. „Es gibt mehr Marken und kleinere Zielgruppen“, sagt Stefan Biel, der im Team als Innovationsdirektor firmiert. Im Herbst will Beiersdorf erstmals seit 30 Jahren eine neue Marke einführen – aus der Werkstatt von Oscar & Paul.
Um was es genau geht, ist noch ein Firmengeheimnis. Es soll eine Marke sein, die unter die Haut geht und eine junge Zielgruppe anspricht. Für die Traditionsmarke 8x4 haben sich die Macher im Namen der Beiersdorf-Gründerlegenden ehrgeizige Ziele gesetzt. „Wir wollen“, sagt Voß, „mit 8x4 in der Deokategorie wieder vorne mit dabei sein.“ .