Hamburg. Stefan De Loecker präsentiert der Öffentlichkeit sein Investitionsprogramm. Künftig soll es auch Naturkosmetik von Beiersdorf geben.

Einen Augenblick lang weiß er nicht, wo er hin soll. Stefan De Loecker guckt irritiert, dann wird er in den richtigen Raum dirigiert – und das Blitzlichtgewitter der Fotografen geht los. Er braucht einen Moment, dann lächelt er ziemlich locker in die Kameras. Es ist der erste öffentliche Auftritt des 51-Jährigen als Vorstandschef des Hamburger Hautpflege-Konzerns Beiersdorf. Und die Begleitumstände sind, diplomatisch ausgedrückt, nicht die besten.

Nachdem das DAX-Unternehmen bereits am Abend zuvor erste Details zur künftigen Investitionsstrategie bekannt gegeben hatte, war am Morgen der Aktienkurs massiv eingebrochen. Stefan De Loecker sieht man nicht an, was das in ihm auslöst, er sagt dazu nichts.

Neuer Chef findet Inspirationen in Nairobi

Die Vorstellung der Geschäftszahlen des Nivea-Herstellers ist normalerweise kein Termin mit großem Unterhaltungspotenzial. Persönliches hat etwa Vorgänger Stefan Heidenreich in den sieben Jahren seiner Amtszeit kaum nach außen getragen. Beiersdorf ist hier äußerst verschwiegen – das Produkt, nicht der Mensch soll im Mittelpunkt stehen. Insofern überrascht sein Nachfolger, gerade mal acht Wochen auf dem Chefsessel, mit einigen privaten Einsichten zu Beginn.

Er liebe die Geschwindigkeit des freien Marktes, hole sich Inspirationen gerne auf den Straßen in Nairobi, Moskau oder Sao Paulo, sagt der Topmanager, der lange im Ausland gearbeitet hat. Aber das Angebot, Beiersdorf zu lenken, hat ihn überzeugt. „Meine Familie und ich haben schnell entschieden, die Koffer zu packen und von Dubai nach Hamburg zu ziehen.“

Das Fünf-Punkte-Programm heißt C.A.R.E.+

Blauer Anzug, blaue Krawatte, weißes Hemd, in Beiersdorf-Farben sitzt De Loecker vor den Journalisten in einem Konferenzraum der Hauptverwaltung in Eimsbüttel. Nur wenige Meter weiter wird an der neuen Zentrale gebaut. „Die Konsumgüterindustrie befindet sich in einem historischen Umbruch. Unser gesamtes Geschäftsmodell muss sich neuen wirtschaftlichen und technologischen Bedingungen anpassen“, sagt der Belgier mit dem weichen Tonfall seiner Muttersprache.

Schon in den vergangenen sechs Monaten hatte er als Vize von Heidenreich an seinem Konzept gearbeitet. De Loecker verordnet dem Kosmetik-Experten höhere Ausgaben, um mit seinen Produkten profitabler wachsen zu können. „Wir müssen ein schnelleres, effizienteres und einfacheres Unternehmen werden.“ Mit dem Fünf-Punkte-Programm unter dem Namen C.A.R.E+ sollen ab sofort jährlich 70 bis 80 Millionen Euro zusätzlich investiert werden.

Nivea soll es auch in Bangladesch geben

De Loecker will Wachstumsmärkte in Asien, etwa in Myanmar oder Bangladesch, in Afrika und Südamerika erschließen. Die Digitalisierung, auch in Richtung individuell zugeschnittener Produkte, soll vorangetrieben werden. Zudem will der neue Chef das Consumer -Geschäft auf margenstarke Hauptpflege-Produkte wie Eucerin oder die Luxuspflege La Prairie, die 2018 erneut wichtiger Wachstumstreiber mit einem Umsatzplus von 38,5 Prozent war, fokussieren.

Neu auf dem Markt ist eine Eucerin-Linie, die Altersflecken vorbeugen soll. Davon, so De Loecker, verspreche er sich auch in den Auslandsmärkten viel. Von der Markenikone Nivea, die Vorgänger Heidenreich massiv gefördert und Beiersdorf damit Erfolge beschert hat, ist auffallend wenig die Rede.

Beiersdorf will Naturkosmetik-Firmen kaufen

Auch der europäische Markt, auf dem Beiersdorf die Hälfte des Umsatzes macht, soll gestärkt werden. Es gehe darum, die Innovationsfähigkeit zu stärken. „Wir müssen nicht alles selbst machen.“ Partnerschaften und Zukäufe von Start-ups seien möglich, um das Markenportfolio zu erweitern.

Dabei hat der Vorstandschef, der selbst im Badezimmer seines Hauses in Hamburgs Westen Tuben und Tiegel aus dem eigenen Konzern stehen hat und mit Frau und Tochter gerne neue Produkte ausprobiert, den wachsenden Markt der Naturkosmetik im Blick. „Es ist noch zu früh, etwas Konkretes zu sagen“, sagt De Loecker. Lippenpflege und Schönheitsmasken hätten ebenfalls Wachstumspotenzial. Für die Einkaufstour steht ein Venture-Kapital-Fonds mit 50 Millionen Euro bereit. „Ich liefere, was ich verspreche.“

Das Vertrauen von Großaktionär Michael Hertz, der über die Vermögensverwaltung Maxinginvest die Mehrheit an dem Milliardenkonzern hält, hat er offenbar. Nachdem der Umsatz 2018 mit einem leichten Plus unter den Erwartungen geblieben war, setzt der öffentlichkeitsscheue Besitzer auf einen langfristigen Wachstumskurs – auch auf Kosten der Profitabilität. In diesem Jahr soll das Plus nur noch bei drei bis fünf Prozent liegen. Bis 2023 erhofft sich Beiersdorf ein über dem Markt liegendes Umsatzwachstum vom vier bis sechs Prozent.

Aktienkurs stürzt um mehr als zehn Prozent ein

An der Börse sorgten diese Pläne bereits direkt nach Handelsstart für wenig Freude. Der Kurs brach um mehr als zehn Prozent ein. Es war der größte Verlust seit zehn Jahren. Im Laufe des Tages erholte sich die Aktie dann ein wenig. Hauptkritikpunkt der Analysten ist die sinkende Rendite-Erwartung – von 15,4 Prozent 2018 auf 14,5 Prozent in diesem Jahr. Das müsse der Markt erst mal verdauen, hieß es. Andere Experten sehen die Entwicklung im insgesamt schwierigen Branchenumfeld. Erst vor einem Monat hatte auch Konkurrent Henkel höhere Investments angekündigt.

Der Aktienkurs war daraufhin abgestürzt. Eine Konstante bleibt den Beiersdorf-Aktionären: Auch in diesem Jahr werden nur 70 Cent pro Aktie ausgeschüttet. Auf die Frage nach dem Warum, kann der neue Chef nur die Worte seines Vorgängers wiederholen. „Das entscheidet die Hauptversammlung und dort gibt es keine Mehrheit für eine Erhöhung.“ Denn die liegt bei Großaktionär Michael Hertz.