Hamburg. . Bienenwachstücher, Mode aus PET-Flaschen, Bio-Kaffee: Tchibo setzt auf Nachhaltigkeit. Vertrag von Chef verlängert.

Am Abend davor ließ sich Thomas Linemayr nichts anmerken. Gewohnt lässig trat der Tchibo-Chef bei der Präsentation der ersten Nachhaltigkeitskampagne des Hamburger Kaffee- und Konsumgüterhändlers auf. In der Turnhalle der Unternehmenszentrale in Winterhude hatten seine Mitarbeiter ein großes Papphaus mit allerlei Tchibo-Produkten aus recycelten Materialien und Informationen zu den firmeneigenen Umweltschutz-Maßnahmen aufgebaut, das demnächst – aufgestellt in großen Supermärkten – bundesweit Kunden anlocken soll. Linemayr posierte lächelnd Seite an Seite mit den Models Barbara Meier und Marie Nasemann für Fotos und betonte, wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit für Tchibo sei.

Die Strategie des gebürtigen Österreichers, der seit 2017 auf dem Chefsessel des Traditionsunternehmens sitzt, überzeugt offenbar auch den Aufsichtsrat. Am Mittwoch verlängerte das Gremium Linemayrs Vertrag, der Ende 2019 ausläuft, für drei Jahre. Es ist auch ein Beweis dafür, dass der 58-Jährige das Vertrauen von Mehrheitsaktionär und Aufsichtsratschef Michael Herz genießt. Dem Mann an der Spitze des 12.000-Mitarbeiter-Unternehmens verschafft der neue Kontrakt Zeit, seine Vorstellungen umzusetzen. „Wir haben an vielen Dingen gedreht“, hatte er im Gespräch mit dem Abendblatt vor der Aufsichtsratsentscheidung gesagt. „Wir bewegen uns in die richtige Richtung.“

Tchibo-Chef Thomas Linemayr bleibt bis 2022

Die Geschäftszahlen für das Jahr 2018 sollen im August veröffentlicht werden. Prognosen zufolge liegt das Ergebnis über dem des Vorjahres. 2017 lief es – zumindest beim Blick auf die reinen Zahlen – für den Top-Manager, der vom Schweizer Schokoladen-Hersteller Lindt & Sprüngli zu Tchibo gewechselt war, noch weniger gut. Der Umsatz war mit 3,2 Milliarden Euro zwei Prozent unter den des Vorjahres gerutscht. Das Ergebnis vor Steuern stürzte auf 17 Millionen Euro ab. 2016 waren es noch 199 Millionen Euro gewesen. Die Rückgänge erklärte Tchibo mit dem veränderten Kaufverhalten im Non-Food-Bereich. Sprich: Statt in den mehr als 1000 Tchibo-Filialen und 21.200 Supermarkt-Depots kaufen die Kunden Dinge wie Küchenutensilien, Kinderkleidung oder Gartengeräte zunehmend auch bei Lidl & Co. oder im Internet. Dass Linemayr schnell reagieren kann, stellte er schon Anfang 2017 unter Beweis. Damals hatte er die noch von seinem Vorgänger Marcus Conrad eingeführte Umstellung von den wöchentlich wechselnden Tchibo-Themenwelten auf ein reduziertes Angebot von Produktkategorien kurzerhand kassiert. Unwirtschaftliche Filialen wurden geschlossen. An einem modernisierten Filialkonzept wird gearbeitet.

Tchibo setzt mehr aufs Kerngeschäft: Kaffee

Parallel setzt Tchibo wieder verstärkt auf das Kerngeschäft: Kaffee. Die Rösterei in Hamburg wird bis 2020 für 20 Millionen Euro modernisiert. Regelmäßig kommen inzwischen edle Länderkaffees und andere besondere Röstungen auf dem Markt. Gerade wirbt das Unternehmen mit einem Kampfpreis von 29 Euro für die Kapselmaschine Cafissimo Easy. Nach Abendblatt-Informationen hat der Bereich zu den besseren Zahlen im vergangenen Jahr beigetragen.

Mit der grünen Offensive haben Linemayr und sein Team ein weiteres Thema noch stärker für sich entdeckt, mit dem sie sich in der veränderten Handelslandschaft von der Konkurrenz abheben wollen. Bereits seit 13 Jahren, nach Protesten von Arbeiterinnen in asiatischen Produktionsländern, engagiert sich das Unternehmen für fairer hergestellte Waren und eine Ressourcen schonende Produktion. Dafür gab es sogar Lob von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Im vergangenen Jahr führten die Hamburger zudem Tchibo Share ein. Ein Mietmodell, über das die Kunden vor allem Kinderbekleidung leihen können.

Bienenwachstücher, Bademode aus Fischernetzen, Bio-Kaffee

Unter dem Motto „Nachhaltig leben. Jeden Tag“ startet das Unternehmen jetzt eine großangelegte Kampagne in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bienenwachstücher statt Frischhaltefolie, Spülbürsten aus recyceltem Kunststoff, T-Shirts aus Bio-Baumwolle, ein neuer Bio-Kaffee aus Äthiopien: Die Initiatoren unter Tchibo-Nachhaltigkeitschefin Nanda Bergstein haben ein begehbares Papphaus entworfen, in dem die Kunden Anregungen erhalten, wie sie ihren Alltag mit Tchibo-Produkten umweltfreundlicher gestalten können.

An den Wänden wirbt der Konzern für seinen „Weg zu 100 Prozent Nachhaltigkeit“. Unter anderem ist Tchibo der drittgrößte Anbieter von Bio-Baumwolle. 2018 wurden mehr als 3,5 Millionen PET-Flaschen für die Herstellung von Textilien aus recycelten Materialien verarbeitet. Bademode wird aus alten Fischernetzen hergestellt. Fast jeder vierte Tchibo-Kaffee ist nachhaltig. Sicherlich ist noch Luft nach oben. Immerhin: Bis 2020 soll es plastikfreie Verpackungen für alle Non-Food-Artikel geben.

Nachhaltige Tchibo-Häuser in 13 Supermärkten der Region

Die grüne Tchibo-Welt wird vom 9. Juli an in mehr als 600 eigenen Filialen und 8000 Supermärkten auf unterschiedlich großen Flächen präsentiert. In Hamburg und Umgebung sollen 13 der 24 Quadratmeter großen Nachhaltigkeitshäuser aufgestellt werden. „Wir sind Überzeugungstäter“, hatte Tchibo-Chef Linemayr am Rande der „grünen“ Präsentation gesagt. „Als Volksmarke haben wir eine Verantwortung für Menschen und Umwelt, auch wenn wir deshalb nicht direkt mehr verkaufen.“