Hamburg. Das Unternehmen investiert kräftig in die Rösterei. 60.000 Tonnen Kaffee werden an dem Standort jährlich produziert.
Für Kaffee-Liebhaber ist es ein ultimativer Ort der Vorfreude. Der Duft von frisch gerösteten Bohnen liegt in der Luft. Mit dem Geräusch eines sanften Urwaldregens strömen sie in den großen Edelstahlkessel. „Wir nutzen ein neues Verfahren, bei denen die Kaffeebohnen in der Anlage verwirbelt werden und rundum Wärme bekommen“, sagt Reiner Fritz. Der 55-Jährige steht an seinem Arbeitsplatz im Tchibo-Kaffeewerk im Hamburger Stadtteil Hamm. Er ist Teamleiter in der Rösterei. 660 Kilogramm Kaffeebohnen kann er auf einmal in der nagelneuen Röstmaschine verarbeiten. Gerade ist ein brasilianischer Arabica dran. Eigentlich ist Fritz eher der nüchterne Typ. Aber jetzt schwingt Stolz in seiner Stimme mit. „Das ist einer der größten Kaffeeröster der Welt“, sagt er.
Mit einem mehrjährigen Investitionsprogramm modernisiert der deutsche Kaffee-Marktführer seine Röstereien. Allein in den Hamburger Betrieb fließen 20 Millionen Euro. Bis 2020 werden drei Trommel- und sechs Heißluftröster erneuert. Damit baut das 1949 gegründete Unternehmen sein Stammwerk zu einer der modernsten Röstereien Europas aus. „Mit dieser weitreichenden Erneuerung der Anlagen unterstreichen wir die Bedeutung des Standorts Hamburg für den gesamten Röstverbund“, sagt Thomas Linemayr,
Fortführung der Qualitätsstrategie
Vorsitzender der Geschäftsführung von Tchibo, bei einem Besuch gemeinsam mit Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). Die Modernisierung der Rösttechnologie bedeute eine Fortführung der Qualitätsstrategie von Tchibo. Für Senator Horch ist das Millionen-Investment auch ein Erfolg für die Wirtschaftspolitik des Senats. Für ihn geht es darum, traditionelle Produktionen in Hamburg zu erhalten und so eine Symbiose zwischen Arbeiten und Wohnen zu finden.
Im Halbstundentakt fahren die Lastwagen mit Rohkaffee auf den Betriebshof in dem Gewerbegebiet an der Wendenstraße. Die grünen Bohnen kommen über den Hamburger Hafen und werden zunächst zwischengelagert. „Wir kaufen grundsätzlich entlang des Kaffeegürtels nahe am Äquator“, sagt Jan Wagenfeld, der als Direktor für Kaffeequalität ständig auf der Suche nach neuen Lieferanten ist. Schwerpunkte sind Brasilien, Mittelamerika mit Guatemala und Kolumbien sowie Ostafrika. Gerade kommt ein Tankzug mit Brazil Fine Cut. Bevor die Bohnen über kilometerlange Rohrsysteme mit Druckluft eingelagert werden, geht eine Probe per Rohrpost an das Labor zum Qualitätscheck. „Wir verarbeiten 50 verschiedene Rohkaffees in der Woche“, sagt Marc Reckhemke, Leiter Anlagen- und Prozesstechnik. Das Besondere: Alle werden sortenrein in bis zu 40 Meter hohen Silos gelagert.
120 Beschäftigte in Hamburg
Tchibo röstet jedes Jahr etwa 60.000 Tonnen Rohkaffee in Hamburg. Das sind 120 Millionen Pfund Kaffee oder neun Milliarden Tassen Kaffee. Der große Komplex an der Wendenstraße, den Tchibo-Gründer Max Herz noch selbst 1964 angelegt hatte, war die erste von inzwischen drei Großröstereien des Familienunternehmens in Hamburg, Berlin und in Marki bei Warschau. 120 Beschäftigte arbeiten heute an dem Standort in Hamburg. „Hier stellen wir unsere Spezialitäten her“, sagt Manuel Fliegel, der als Direktor für alle Röstereien verantwortlich ist. 240 verschiedene Sorten Premiumkaffee umfasst die Produktpalette, vom Privatkaffee über Blond Roast bis zum African Blue.
Kaffeesäcke gibt es auf dem Gelände schon lange nicht mehr, auch das Verlesen der Bohnen läuft automatisch. Das Herzstück der Kaffeeproduktion ist, ziemlich unromantisch, eine Steuerzentrale mit vielen Monitoren. Hier sitzen die Röstmeister. An diesem Tag ist Abel Carrizo für die Annahme der Kaffeelieferungen zuständig, Sven Burwiek steuert die Röstkessel und erstellt die Mischungen. Je nach Sorte und Röstverfahren liegt die Temperatur in den Maschinen bei bis zu 270 Grad.
Mehr Flexibilität und Geschmacksqualität
Auf dem Bildschirm verfolgt er anhand einer Röstkurve die Vorgänge im Kessel. „Filterkaffee wird schnell innerhalb von fünf Minuten geröstet, Espresso oder Kaffee Crema brauchen mindestens 15 Minuten“, sagt Burwiek. Dabei reagieren Proteine und Zucker, das Kaffeearoma entwickelt sich. Der brasilianische Arabica, der gerade im Kessel ist, braucht sogar 18 Minuten, um sich voll zu entwickeln. Auch das läuft vollautomatisch.
Zwischendurch zieht Burwiek immer wieder Proben. Es duftet verführerisch, wenn die abgekühlten, aber noch warmen Bohnen auf die vorbereiteten Pappteller prasseln. „Das Bohnenbild muss regelmäßig überprüft werden“, sagt Rösterei-Leiter Fritz. Wichtig ist, dass die Farbe genau getroffen wird. Nur so lässt sich unabhängig von der Erntezeit der Bohnen gleichbleibende Qualität und gleichbleibender Geschmack erreichen.
„Dazu gehört viel Erfahrung“, so der gelernte Elektromeister, der sich seine Kaffeekenntnisse in 25 Jahren bei Tchibo erarbeitet hat. Durch die neuen Röstanlagen können er und sein neunköpfiges Team größere Mengen mit mehr Flexibilität und Geschmacksqualität verarbeiten. Außerdem produziert das Unternehmen umweltfreundlicher. Nach eigenen Angaben werden durch die Umrüstung pro Jahr 3,4 Millionen Kilowattstunden Strom und Gas eingespart – und damit umgerechnet etwa 1100 Tonnen CO2.
Kaffee wird aus mehreren Sorten gemischt
Bis der Kaffee in der Tasse landet, dauert es noch einige Zeit. Die Bohnen müssen zwischen fünf und acht Stunden lagern, erst dann können sie je nach Sorte gemischt, gemahlen und verpackt werden. Tchibo setzt fast ausschließlich Arabica ein. „Viele unserer Kaffeeprodukte bestehen aus mehreren Provenienzen“, sagt Produktionschef Fliegel. Tchibos Erfolgsmarke Feine Milde etwa wird sogar aus drei Sorten gemischt. Genaueres wird nicht verraten. „Das ist unser Geheimrezept.“
Einige Stockwerke über der Rösterei stehen drei Frauen in weißen Kitteln und mit Netzen auf den Haaren um einen runden Tisch. Zweimal am Tag ruft Catharina Streit, Leiterin der Qualitätsentwicklung, Kollegen zur Verkostung der Tagesproduktion zusammen. 16 Tassen mit frisch aufgebrühtem und dann abgekühltem Kaffee stehen auf der Platte. Die zugehörigen Verpackungen weisen die einzelnen Tchibo-Produkte aus. Tchibo Family ist dabei, Eduscho Gala und ein neuer Türkischer Kaffee. Catharina Streit nimmt einen Schluck, lässt ihn im Mund kreisen und spuckt ihn in einen der vorgesehenen trichterförmigen Näpfe.
Tüten mit Aroma-Verschluss
„Wir überprüfen, ob der Kaffee dem vorgesehenen Profil entspricht“, sagt Christiane Kaufmann. Die Verwaltungsangestellte ist eine der Mitarbeiterinnen mit besonders feinem Gaumen. Vier Jahre lang hat sie eine spezielle sensorische Ausbildung gemacht. Wenn etwas nicht stimmt mit dem Kaffeegeschmack, beginnt die aufwendige Fehlersuche. Das kann eine schimmelige Bohne sein oder auch ein Fehler beim Rösten. An diesem Tag ist das nicht nötig: Es schmeckt alles, wie es schmecken soll.
Unterdessen läuft in der Verpackung die Arbeit auf Hochtouren. Auf den neun Maschinenlinien werden jeden Tag 230 Tonnen Röstkaffee in Tüten gefüllt. Ganze Bohnen in Kilo-Paketen, fein gemahlene Sorten in 250-Gramm-Vakuum-Verpackungen. Marc Schäfer, der den Packbereich mit 30 Mitarbeitern managt, steht an einer Maschine, die Tüten mit einem sogenannten Aroma-Verschluss abfüllen kann. „Das ist eine Innovation, die von den Kunden sehr gut angenommen wird“, sagt der 37 Jahre alte Lebensmitteltechniker. Schließlich soll es auch beim Öffnen der Packung in der heimischen Küche nach frisch gemahlenem Kaffee duften – fast wie in der Rösterei.