Hamburg. Hamburger Konditorei zieht mit Zentrale auf den Fleischgroßmarkt und eröffnet neuen Standort im beliebten Caféhaus.
Die ersten Brötchen haben sie schon in der Nacht nach dem Umzug gebacken. Falk Hocquél rollt schnell einen Gitterwagen mit Backblechen zur Seite. „Das sind noch Reste vom Probebacken“, sagt der Chef der Hamburger Bäckerei und Konditorei Schmidt & Schmidtchen. „Die neuen Öfen“, sagt er. Der Unternehmer sieht ein bisschen müde aus. Der Zeitplan war eng. Und natürlich ist es auch ziemlich aufregend, wenn eine Backstube mit dem gesamten Inventar umzieht und die Produktion trotzdem weitergehen soll.
„Aber wir haben es geschafft, direkt am Morgen danach unser gesamtes Sortiment an alle Verkaufsstellen auszuliefern“, sagt Hocquél stolz. Inzwischen gehören zu seinem Café-Imperium zehn Standorte. Da braucht man eine Menge Brötchen, Brote, Kuchen und natürlich die feinen Schmidtchen-Törtchen.
Seit dieser Woche ist die Zentrale von Schmidt & Schmidtchen mitten auf dem Fleischgroßmarkt, Halle G. Ein Industriebau aus dem Jahr 1956 mit gelben Kacheln an der Fassade, Lkw-Laderampen, Betonboden – und richtig viel Platz. Die Produktionsflächen im bisherigen Stammhaus an der Großen Elbstraße waren viel zu klein geworden. Fast drei Jahre hatte Hocquél nach einem geeigneten Standort in zentraler Lage gesucht.
Schon zwei Filialen dieses Jahr eröffnet
Dann kam ihm der Zufall und sein gutes Netzwerk zu Hilfe – und er sicherte sich einen Teil der Flächen, die nach dem Umzug des Großhändlers Delta Fleisch auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofs an der Lagerstraße freigeworden waren. „Wir haben jetzt gut 800 Quadratmeter. Das ist vier Mal so viel wie vorher“, so der umtriebige Geschäftsmann, der vor fünf Jahren in den Gastronomiebetrieb mit Wurzeln im Othmarscher Traditionscafé Schmidt eingestiegen war und seitdem auf Expansionskurs ist.
In diesem Jahr hat der 49-Jährige schon zwei Filialen eröffnet: das Schmidtchen Speicherstadt im Dialoghaus Hamburg an der Poggenmühlenbrücke und das Schmidtchen HafenCity am Sandtorkai 50 im Ex-Picnic, das er in Kooperation mit Sternekoch und Bianc-Chef Matteo Ferrantino weiterentwickeln will. Geplant ist zum Jahresende zudem eine Filiale in der Zentralbücherei im Hühnerposten. Sein neuster Coup: Schmidt & Schmidtchen übernimmt den Betrieb des beliebten Caféhauses in Rahlstedt.
Die Konditorei, die für ihre legendäre Marzipantorte berühmt ist, stand nach jahrelangem Rechtsstreit zwischen den Ex-Eheleuten Klaus und Susanne Lange vor der Schließung (das Abendblatt berichtete). Vom 1. Juli an wird das Mekka gepflegter Kuchenschlachten zu Schmidtchen Rahlstedt. Eine Woche vorher, zum kommenden Sonntag, hat Konditormeister Klaus Lange seinen Abschied angekündigt.
Übernahmeangebote für Mitarbeiter in Rahlstedt
„Wir führen den Betrieb weiter wie bisher“, sagt Hocquél, der einen Mietvertrag mit Susanne Lange geschlossen hat. Kuchenauswahl und Inventar – alles soll so bleiben, wie es ist. Alle zehn Mitarbeiter haben Übernahmeangebote bekommen. Gebacken wird weiter in der hauseigenen Backstube.
„Mein Anliegen ist es, einen so besonderen und eingesessenen Handwerksbetrieb zu erhalten“, sagt der Quereinsteiger aus Sachsen, der unter anderem die Pony-Bar auf dem Uni-Campus am Von-Melle-Park, die Astra-Stube an der Sternbrücke und das Kulturhaus 73 auf der Schanze mitinitiiert hat und bis heute dort engagiert ist. Mittelfristig sollten auch einzelne Produkte aus dem Schmidtchen-Sortiment in Rahlstedt erhältlich sein. Für die Zukunft kann Hocquél sich vorstellen, die Einrichtung aufzufrischen, „ohne den Geist des Kaffeehauses zu zerstören“.
Vier große Öfen sind eingebaut
Am neuen Firmensitz an der Schanze wird im Moment noch eingerichtet und geräumt. Alles braucht einen neuen Platz. Bäckerei und Konditorei haben jetzt von einander getrennte Bereiche. Vier große neue Öfen sind schon eingebaut. „Wir haben jetzt die doppelte Backkapazität“, sagt Hocquél. Für die Mitarbeiter seien die Arbeitsbedingungen deutlich besser. Hocquél hat einen Betrag im sechsstelliger Höhe in die neue Produktion investiert.
Für den geschäftstüchtigen Gastronomen ging es in den vergangenen Jahren vor allem in eine Richtung: bergauf. Knapp 150 Mitarbeiter, darunter viele Teilzeitkräfte, arbeiten inzwischen im Unternehmen. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten sie einen Umsatz von 3,4 Millionen Euro. Auch das erste Halbjahr 2019 lief gut. „Wir haben in den ersten sechs Monaten etwa zwei Millionen Euro umgesetzt.“
Eine kleine Delle in der Erfolgsbilanz gibt es: Das Schmidtchen in Ahrensburg ist von Schließung bedroht. „Es wäre das erste Mal, dass wir einen Laden dicht machen müssen“, sagt Hocquél. Er setzt weiter auf Wachstum. Es gebe mehrere Anfragen, weitere Filialen aufzumachen. Auch die Belieferung von Hotels mit Brot und Kuchen will Hocquél ausbauen. „Mit der alten Produktion wäre das nicht möglich gewesen“, sagt er. Dort will er etwas Neues starten. Was es ist, ist noch nicht entschieden. Eine Rösterei, Eismanufaktur oder Chocolaterie könnte er sich vorstellen.
Schaubackstube in neuer Lebensmittel-Manufaktur
Allerdings ist auch die neue Backstube in Halle G nur eine Übergangslösung. Der Schmidt & Schmidtchen-Chef bereitet schon den nächsten Umzug vor. Dass soll dann der ganz große Wurf werden. In der historischen Halle D plant der Fleischgroßmarkt eine Lebensmittel-Manufaktur. In dem Backsteingebäude aus dem Jahr 1932 mit der charakteristischen Turmuhr und einer Fläche von 7000 Quadratmetern sollen in den nächsten Wochen die Bauarbeiten beginnen.
„In der Art einer Gläsernen Manufaktur werden Betriebe ihre Waren herstellen und in kleinen Mengen verkaufen“, sagt Geschäftsführer Frank Seitz. Vorverträge mit Firmen aus den Sparten Fisch, Craftbier und mit einer Produktionsküche für Gastronomieprodukte sind geschlossen. Delta-Fleisch bleibt mit seinem Cash+Carry-Markt. Schmidt & Schmidtchen hat den Zuschlag für eine 1000-Quadratmeter-Fläche in der Tasche und will dort künftig Brötchen backen. Und noch einiges mehr.