Hamburg. Die Ursprünge der bekannten Konditorei liegen im Jahr 1926. Nun ist daraus ein Unternehmen mit 123 Beschäftigten geworden.

Dieses Törtchen hat das Zeug zum Klassiker. Sagt Falk Hocquél. Überzogen mit dunkler Schokolade liegt die Halbkugel auf dem Teller. Oben drauf thront ein bisschen vorwitzig auf einem schmalen Streifen weißer Schokolade eine Weinbrand-Kirsche. „Wir haben es ,Lady Gedeck‘ genannt“, sagt der Chef der Konditorei Schmidt & Schmidtchen. Eine kleine Reminiszenz an Zeiten, als die Damen den Nachmittag im Café verbrachten und zum Kuchen gerne einen Likör tranken. Das Törtchen ist die jüngste Kreation aus Hocquéls kreativer Backstube. „Alles stimmt“, schwärmt er, „Form, Geschmack und auch der Name.“ So eine Neuentwicklung gelinge nur ein- bis zweimal im Jahr. Schon jetzt gehört Lady Gedeck zu den Rennern in seiner Kuchentheke.

Dabei ist die Entscheidung für Liebhaber süßer Leckereien sowieso schon eher eine Qual als eine Wahl. „Ida Wölkchen“, „Leichtes Mädchen“, „Lemon Tartelette“, „Death by Chocolate“ heißen andere Varianten der schmidtschen Törtchenlinie. „Unsere All-Stars“, sagt Hocquél und lächelt ziemlich zufrieden. Der 48-Jährige sitzt an einem der Tische im Café Schmidt Elbe unweit des Fischmarkts. Es ist noch ziemlich früh am Morgen, aber im Laden ist schon ordentlich Betrieb. Die meisten sind Stammkunden, trinken im blau-weißen Shabby-Chic-Ambiente ihren ersten Kaffee. Hinter hohen Glasscheiben sieht man Konditorinnen und Bäcker bei der Arbeit.

Inzwischen backt man auch Brot selbst

Vor knapp vier Jahren hat Hocquél den Traditionsbetrieb aus Othmarschen übernommen und seitdem konsequent zur Marke umgebaut. Der Quereinsteiger aus Leipzig, der schon mit der Pony-Bar auf dem Uni-Campus, dem Kulturhaus 73 auf der Schanze oder der Astra-Stube an der Sternbrücke erfolgreich Gastro-Projekte umgesetzt hat, setzt zielstrebig auf ein erweitertes Angebot und Expansion. Siebenmal gibt es Schmidt & Schmidtchen inzwischen in und um Hamburg. Drei Standorte eröffnete er allein 2017. In diesem Jahr sind weitere geplant, darunter ein Café in der HafenCity.

„Die Dynamik, mit der wir uns entwickeln, ist etwas Besonders“, sagt Hocquél. Konditoreien, in denen selbst gebacken wird, werden zwischen Flensburg und Füssen immer weniger. In Hamburg sank die Zahl seit 2006 um elf Betriebe. Aktuell sind es laut Statistik der Handwerkskammer noch 62. Bei Schmidt ist der Trend gegenläufig. Inzwischen backt Schmidt auch Brot selbst. 123 Mitarbeiter hat das Unternehmen, etwa 70 als Teilzeitbeschäftigte. Seit seiner Übernahme vom Vorgänger, der Cengiz & Kipping Confiserie & Conditorei GmbH, hat sich das Umsatzvolumen verdreifacht, auf geschätzt drei Millionen Euro in diesem Jahr. Dass es so gut läuft, habe auch etwas damit zu tun, dass er eben nicht aus der Branche komme, sagt der ausgebildete Schauspieler, der 1990 nach Hamburg kam und 2000, inspiriert von den Studentenclubs seiner sächsischen Heimat, mit der Pony Bar einen inzwischen legendären Treffpunkt initiierte. „Ich habe schon im Theaterbetrieb gelernt, dass eine Produktion nur gemeinschaftlich funktionieren kann“, sagt er.

Effektives Uhrwerk

Beim Blick in die gläserne Backstube lässt sich das effektive Uhrwerk der Produktion besichtigen. Gerade hat Julia Winkelmann eine ganze Ladung Quiches in den Ofen geschoben. Jetzt schlägt sie Eier in einem großen Metallbehälter. Auf einem langen Tisch dahinter hat die Konditormeisterin alles für die Herstellung von mehreren Dutzend Stück Lady Gedeck vorbereitet. Wenn sie gleich anfängt, aus Schokoböden und zwei Mousse-Varianten die kleinen Törtchen zu produzieren, soll es schnell gehen. „Temperatur, Festigkeit und Mengen müssen exakt stimmen“, sagt die Backstubenleiterin. Aus einer Spritztüte gibt die 35-Jährige weiße Schokocreme in Halbkugelförmchen, direkt danach füllt die Auszubildende Janine Engelhardt mit Espresso-Mousse auf. Ein kleiner runder Schokoboden darauf – fertig ist der erste Schritt zur zartschmelzenden Leckerei.

Alles, was in den sieben Schmidt-Standorten angeboten wird, kommt aus eigener Herstellung. 50 verschiedene Produkte, jeden Tag mehrere Hundert Tartelettes und nicht selten eine dreistellige Zahl an Torten. Neben dem Ur-betrieb in Othmarschen, wo das Café 1926 am Beselerplatz gegründet worden war, ist Schmidt inzwischen an der Elbe, im Kulturhaus 73 am Schulterblatt, in Barmbek und seit dem vergangenen Jahr im Wasserwerk in Wilhelmsburg, in Ahrensburg und im Altonaer Museum zu finden.

„Wir haben sehr viele Anfragen“

Beliefert werden das Hotel Hafen Hamburg und das Empire Riverside Hotel mit Brot, im Jenischpark-Haus serviert Betreiber Louis C. Jacob schmidtsche Torten. „Wir haben sehr viele Anfragen“, sagt Falk Hocquél, „die meisten lehnen wir ab.“ Er arbeitet an einer Sortimenterweiterung mit eigenen Marken wie Waterkant-Kaffee oder Fips-Eis, das zusammen mit einem Partner produziert wird. Auch Marmeladen, Kekse, Baumkuchen gibt es von Schmidt. Gleichbleibende Qualität ist sein oberstes Gebot, die Produkte wurden mehrfach ausgezeichnet.

„Lady Gedeck“ gehört
zu den Rennern in der
Kuchentheke
„Lady Gedeck“ gehört zu den Rennern in der Kuchentheke © HA | Marcelo Hernandez

Mittlerweise stehen die Lady-Gedeck-Törtchen im Froster, bevor sie ihren Schokoüberzug bekommen. Erfunden hat die delikate Leckerei wie einige andere im Schmidt-Programm Konditormeister Karl Kipping, der 2010 den Grundstein für die Modernisierung des Traditionsbetriebs gelegt hatte und inzwischen als freiberuflicher Produktentwickler bei Schmidt & Schmidtchen arbeitet. Die Kooperation läuft gut. Aber die Backstube ist inzwischen zu klein. Hinter dem Gebäude hat Hocquél zwei Container als Behelfslösung aufstellen lassen. „Wir suchen dringend eine neue Produktionsstätte“, sagt der Chef der Café-Kette. Klar, dass er dabei im großen Maßstab denkt. Seine Vision: „Eine Produzenten-Kooperation mit anderen, die auch gute Lebensmittel erstellen.“ Der Fleischgroßmarkt wäre eine Option, die ihm gefallen könnte.

„Es wird was Größeres“

Aktuell laufen die Planungen für die Filiale in der HafenCity in der Nähe der U-Bahn-Station Meßberg. Wo genau, will er noch nicht verraten. „Aber es wird was Größeres“, sagt Hocquél. Am Altonaer Museum will er zusätzlich zu dem Café-Betrieb im Museumsshop ein Kaffee-to-go-Konzept integrieren. Parallel laufen die Planungen für den Bau und die Neueröffnung eines Schmidt & Schmidtchen am Standort der Gewächshäuser in Jenischpark in unmittelbarer Nähe des neuen Bargheer-Museums. Eröffnung werde wohl erst 2019 sein, „aber wir wollen für Besucher schon dieses Jahr was machen.“

„Wir haben 2017 drei neue Locations eröffnet, das kann man nicht beliebig weitermachen“, sagt Hocquél, der mit Ehefrau und zwei Kindern am Schulterblatt wohnt und jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt. Zehn Schmidt & Schmidtchen sind das Ziel, erst einmal. „Trüffelschwein der Objekte“ wurde er schon genannt. So ganz weiß er nicht, ob er das despektierlich findet oder schmeichelhaft. „Ich bin Spezialist darin, Dinge zu schaffen, die es noch nicht gibt“, sagt Falk Hocquél, „und die hinterher alle logisch finden.“ Er sagt es und springt auf. „Darf ich ein Lady Gedeck anbieten?“ Warum nicht, es schmeckt auch schon am Morgen richtig gut.