Hamburg. Ob Mühlenkamp, Osterstraße oder Tibarg – viele Ketten haben inzwischen mehrere Filialen in direkter Nachbarschaft.
Ist das Monopoly fürs Bäckereigewerbe? Oder sind zwei Bäcker einer Kette in einer Straße der neue Trend? Ob Dat Backhus, Schanzenbäckerei, Nur Hier oder die Bäckerei Junge: Jeder größere Betrieb hat in Hamburg inzwischen seine Straßen-Duos. Erst jüngst eröffnete etwa die Bäckerei Junge am Mühlenkamp in Winterhude ihre zweite Filiale in Sichtweite zur ersten. Auch an der Eimsbütteler Osterstraße, an der Wandsbeker Chaussee oder in Ottensen gibt es zwei Verkaufsstellen des Lübecker Traditionsunternehmens in direkter Nachbarschaft. Ist der Doppelpack eine neue Expansionsstrategie oder Zufall?
Selbst wenn es eine Strategie wäre, sagt Junge-Unternehmenssprecher Gerd Hofrichter, würde er sie nicht preisgeben. Er verweist auf die zahlreichen Hamburger Wettbewerber, die ähnliche Doppelfilialen betreiben und mit betriebswirtschaftlichen Erwägungen auch nicht hausieren gingen. Nur so viel: „Manchmal ist es historisch gewachsen. Etwa, um der hohen Nachfrage in einer Straße gerecht werden zu können.“ Auch Platzprobleme führten dazu, eine zweite Verkaufsstelle mit mehr Raum in unmittelbarer Nähe zu eröffnen. Das gebe Gestaltungsspielraum und die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Filialkonzepten zu experimentieren. Der Markt sei ja ständig in Bewegung.
Steigendes Gesundheitsbewusstsein
Tatsächlich werde das Bäckereihandwerk laut Bundesverband getrieben von zeitgenössischen Entwicklungen wie einem steigenden Gesundheitsbewusstsein der Kunden, den günstigen Selbstbedienungsbacknischen in Supermärkten oder amerikanischen Backwaren wie Brownies, die das herkömmliche Sortiment ergänzen. Auch den ständig neuen Kaffeekonzepten, dem Burger-Trend oder dem zunehmenden Außer-Haus-Geschäft mit fertig belegten Brötchen müssten die Filialen begegnen, um nicht an Boden zu verlieren. Zwei Läden in einer Straße könnten deshalb unterschiedliche Charaktere haben und statt Konkurrenz oder gar Kannibalisierung einen „Ergänzungseffekt“ bringen.
Doppelverkaufsstellen hat wohl auch deshalb nicht nur Junge in Hamburg. Die Kette Dat Backhus etwa betreibt von ihren 110 Filialen gleich zwei an der Hamburger Straße oder der Eppendorfer Landstraße. Die Schanzenbäckerei, an 30 Standorten in der Stadt vertreten, gruppiert zwei benachbarte Filialen in der HafenCity oder in Hammerbrook. Und die Kette Nur Hier, Teil des Von-Allwörden-Imperiums mit mehr als 300 Filialen in ganz Norddeutschland, verdichtet sich beispielsweise mit zwei Läden am Tibarg, an der Grindelallee oder am Eppendorfer Weg. Hinzu kommen lokale Größen, die zwar nicht übers Stadtgebiet wirken, aber sich in einzelnen Stadtteilen konzentrieren und in kurzer Laufdistanz immer wieder zu finden sind, etwa Die Kleine Konditorei mit drei Filialen im Zentrum Eimsbüttels.
Ketten wachsen, Vielfalt der Bäcker nimmt ab
Von der Hamburger Bäckerinnung stammt die Empfehlung, sich an einem Standort unübersehbar zu machen, nicht. Und obwohl auf den ersten Blick kein Sinn in der Doppelbelegung einer Straße zu stecken scheint, kann es geschäftsfördernd sein, sagt Geschäftsführer Jan Loleit. „Oft sind es betriebswirtschaftlich bedingte Entscheidungen der großen Ketten.“ Hamburgs oberster Interessenvertreter der Bäcker ist sich jedenfalls sicher, dass vorher genau geprüft wurde, ob sich zwei Filialen rechnen. „Man kann davon ausgehen, dass jede zweite Filiale in einer Straße zuvor auf Rentabilität geprüft wurde.“ Oft würden große Unternehmen aber auch einfach nur die Gelegenheit ergreifen und kleine oder alteingesessene Bäckereien übernehmen, wenn sich die Chance bietet.
Dafür spricht, dass bundesweit die Zahl der einzelnen Bäckereibetriebe zwar abgenommen hat – aktuell gibt es 11.347 mit gut 46.000 Verkaufsstellen. Der Umsatz ist aber im gleichen Zeitraum um fast 500 Millionen Euro gestiegen, auf 14,5 Milliarden Euro in ganz Deutschland. Zwei Drittel des Kuchens teilen sich allerdings die wenigen großen Bäckereibetriebe und Ketten. Sie sind es auch, die immer neue Filialen mit neuen Konzepten eröffnen, und sei es zweimal an einer Straße, manchmal nur zu Testzwecken.
Auch die Bundesregierung kommt in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zu dem Schluss, dass das Kaufverhalten und der industrielle Wettbewerb im Bäckerhandwerk zu Konzentrationsprozessen mit der Tendenz der Filialisierung führen. Anzeichen dafür ist die geringer werdende Vielfalt. Die Zahl der Bäcker in Hamburg etwa ist in den vergangenen zehn Jahren von 92 auf 70 gesunken.