Hamburg. Hamburger Konditorei Schmidt & Schmidtchen eröffnet Ende Januar ihre elfte Filiale in der Hansestadt. Nicht der einzige neue Standort.
Bauarbeiter reißen mit schwerem Gerät Wände ein, klopfen Fliesen von den dicken Wänden. Noch braucht man Fantasie, um sich vorzustellen, dass in dem alten Speicher direkt an der Poggenmühlenbrücke in der Speicherstadt demnächst frisch aufgebrühter Kaffee in Tassen dampft und Törtchen mit Schoko oder Limette verspeist werden.
Für Falk Hocquél ist das kein Problem. „In der Küche ist schon viel passiert“, sagt der Chef der Hamburger Konditorei Schmidt & Schmidtchen und zeigt auf Abluftrohre und weiß geflieste Flächen. Mit schnellen Schritten umrundet er Bauschutt und Gerätschaften, bleibt vor einer Metalltür stehen. „Das ist der Durchgang zu den Ausstellungsräumen.“ Ende Januar soll das neue Café im Dialoghaus Hamburg eröffnen, in direkter Nachbarschaft zur Erlebnisschau Dialog im Dunkeln. „Aber wir sind im Hellen“, sagt Hocquél und lacht.
Von wegen Systemgastronomie
Das Schmidtchen im Dialog ist Ableger Nummer elf von Hocquéls wachsendem Konditorei-Imperium. Neben dem Stammhaus an der Großen Elbstraße, wo die feinen Törtchen produziert und das preisgekrönte Brot gebacken wird, gibt es Filialen in Othmarschen, Barmbek, Wilhelmsburg, Ahrensburg, auf der Schanze und im Altonaer Museum. 2018 kam zusätzlich zum Café-Betrieb ein Schmidtchen-Angebot im Laden des Museums dazu, der umtriebige Unternehmer übernahm zudem die Gastronomie im Jenischpark-Haus, betreibt einen nahegelegenen Kiosk und managte in den Sommermonaten bereits ein Übergangscafé im Dialoghaus. „Wir suchen Schnittstellen und wollen historisch oder kulturell wichtige Orte mit neuer Nutzung erlebbar machen“, beschreibt der 49-Jährige das Schmidtchen-Konzept. „Trüffelschwein der Objekte“ wird er deshalb auch genannt. Da ist man bei einer wachsenden Zahl an Standorten aber auch schnell nah an der Systemgastronomie? Hocquél schüttelt energisch den Kopf. „Wir wollen kein nullachtfünfzehn. Kein Standort ist wie der andere.“
2014 hatte der Quereinsteiger in die Gastronomiebranche den Betrieb mit Wurzeln in einem Othmarscher Traditionscafé übernommen – und ist seitdem konsequent auf Expansionskurs. Wie man fast vergessene Orte mit neuem Leben füllen kann, hat der geschäftstüchtige Sachse unter anderem mit der Pony Bar auf dem Uni-Campus, der Astra-Stube an der Sternbrücke und dem Kulturhaus 73 auf der Schanze bewiesen. Inzwischen hat er alle Firmen, die er gegründet oder mitbegründet hat, wie etwa die Waterkant Event- und Location GmbH oder die Pferdestall Kultur GmbH, so umstrukturiert, dass sie ihre Spezialkenntnisse bündeln und mit Schmidt & Schmidtchen zusammenarbeiten.
Café im Jenischpark erst 2020
Mit der Café-Kette ist der ausgebildete Schauspieler und Regisseur im Handwerk angekommen und zeigt, dass er eine Qualitätsproduktion mit entsprechendem Preisniveau erfolgreich betreiben kann. Dabei setzt er auf seine kreative Backstube mit inzwischen 40 verschiedenen Kuchen und Konditoreiprodukten sowie zahlreichen Brotsorten. Erweitert wird das Sortiment mit eigenen Marken wie Waterkant-Kaffee und Fips-Eis, das zusammen mit Partnern produziert wird.
Allein die Schmidt & Schmidtchen GmbH, inzwischen ist Hocquél alleiniger Gesellschafter, beschäftigt 140 Mitarbeiter. In diesem Jahr sollen es noch 30 mehr werden. „Unser Umsatz ist in den vergangenen Jahren im Schnitt um jeweils etwa 25 Prozent gewachsen“, sagt Hocquél. Für das gerade zu Ende gegangene Jahr erwartet er Erlöse in Höhe von 3,4 Millionen Euro. Inzwischen sei das Unternehmen trotz hoher Investitionen im profitablen Bereich.
Auch wenn im vergangenen Jahr nicht immer alles so lief wie geplant. Wegen Verzögerungen beim Umbau des Dialoghauses musste der Eröffnungstermin für das neue Café in der Speicherstadt verschoben werden. Und auch bei einem seiner Herzensprojekte, der Eröffnung eines Schmidtchens in den denkmalgeschützten Gewächshäusern im Jenischpark, rechnet Hocquél mit einer Baugenehmigung nicht vor dem Frühjahr. Fertigstellung wird wohl nicht vor 2020 sein. „Wir machen das Schritt für Schritt“, sagt Hocquél betont gelassen, aber man merkt schon, dass für ihn alles auch ein bisschen schneller gehen könnte.
Im Herbst soll ein Café in der Zentralbibliothek eröffnen
Für 2019 hat der Geschäftsführer große Pläne. Spätestens im Herbst soll nach einem Umbau in der Zentralbibliothek am Hühnerposten das Schmidtchen in den Bücherhallen eröffnen. Mal wieder so ein gastronomisch unerschlossener Ort – und in dieser Kombination eine Premiere für Hamburg.
Auch Projekte in der HafenCity und auf St. Pauli seien im Gespräch, so der Unternehmer, der nach wie vor mit dem Rennrad zu Terminen fährt. „Wir haben sehr viele Anfragen, lehnen aber das meiste ab.“ Das liegt auch an dem Produktionsstandort an der Großen Elbstraße, der inzwischen aus allen Nähten platzt. Für 2019 ist ein Umzug in größere Räume fest eingeplant. Dort sollen die Produkte dann auch in Bio-Qualität hergestellt werden und das Sortiment um weitere Snacks und ein Mittagsangebot erweitert werden. Das schafft Möglichkeiten für weitere Expansionsideen. 20 Schmidtchen kann Hocquél sich in den nächsten Jahren vorstellen. Für die heutige Backstube hat er auch schon einen Plan. „Daraus machen wir eine Chocolaterie“, sagt der Unternehmer. Schmidtchen als Schokoladen-Marke – warum eigentlich nicht?