Hamburg. Steinway & Sons freut sich über hohe Nachfrage nach teuren Instrumenten. Das Unternehmen erweitert die Produktion in Hamburg.
Wenn Guido Zimmermann aus seinem Bürofenster guckt, hat er einen guten Überblick über eine der traditionsreichsten Produktionsstätten Hamburgs. Seit 1928 baut Steinway & Sons in dem Backsteinkomplex am Rondenbarg Flügel und Klaviere, die nahezu in jedem Konzertsaal der Welt stehen. Es gibt ein großes Holzlager, Hallen mit großen Oberlichtern, ein modernes Blockheizkraftwerk. Ganz rechts auf dem großzügigen Grundstück sieht man eine Grünfläche mit alten Bäumen. „Da entsteht unser neues Lackierhaus“, sagt der Geschäftsführer von Steinway & Sons Europe. Der Bauantrag sei in der Vorbereitung. Die 2000 Quadratmeter große Erweiterung ist notwendig, weil die Nachfrage nach den Premium-Instrumenten gestiegen ist. Insgesamt zehn Millionen Euro will das Unternehmen mit Standorten in New York und Hamburg in diesem und im nächsten Jahr in den Ausbau der Flügelmanufaktur im Stadtteil Bahrenfeld investieren.
Die Wachstumsraten bei Steinway sind hoch
„Wir verzeichnen in den vergangenen Jahren deutliche Wachstumszahlen“, sagt Zimmermann. Der Marketing- und Vertriebsprofi war erst 2017 vom Edelfüller-Hersteller Montblanc zu Steinway gekommen und verantwortet seit gut einem Jahr allein von Deutschland aus das internationale Geschäft außerhalb der USA. Geholt hatte ihn der Eigentümer, Finanzinvestor John Paulson, höchstpersönlich, nicht zuletzt um das Angebot für den zuletzt schwächeren privaten Markt neu aufzustellen. Die Berufung an der Elbe kam einem Tabubruch gleich, weil die Führungsposition erstmals mit einem Zugang von außen besetzt wurde. Die erste Bilanz des 46-Jährigen fällt jetzt ausgesprochen gut aus. „2018 war bislang das Rekordjahr in der Steinway-Geschichte“, sagt er.
Konkrete Angaben zu Umsätzen und Gewinn gibt das Unternehmen nicht heraus. Aber, so Zimmermann, „die Zuwächse bewegen sich im zweistelligen Bereich“. Der Gewinn sei überproportional gestiegen. Auch 2019 läuft es für die Klavierbauer an der Elbe. Wichtigster Markt ist weiter China, wo etwa ein Drittel der Hamburger Produktion verkauft wird. Aber auch in Europa und in anderen Regionen Asiens steigt die Nachfrage. Unter anderen werden gerade 20 Flügel für ein neues Konzerthaus in der kasachischen Hauptstadt Astana ausgeliefert. „Wir sind praktisch schon bis Jahresende ausverkauft“, so Zimmermann.
Ein Steinway-Flügel besteht aus 12.000 Einzelteilen
Bis heute werden die Flügel und Klaviere von Steinway aus 12.000 Einzelteilen fast ausschließlich in Handarbeit gefertigt. Schnell mal die Produktion hochfahren, das funktioniert nicht. „Wir wollen weiter wachsen, aber behutsam“, sagt Zimmermann und betont die Bodenständigkeit des Instrumentenbauers, der vor 166 Jahren von dem deutschen Klavierbauer Heinrich Engelhard Steinweg in den USA gegründet worden war. In diesem Jahr werden in Bahrenfeld 1400 Instrumente hergestellt. 200 mehr als in früheren Jahren. „Das ist für uns ein enormer Sprung“, so der Wahl-Hamburger, der aus einer Tischlerfamilie stammt und in seiner Jugend Orgel gespielt hat.
Seit seinem Einstieg hat er viel Zeit in den verschiedenen Werkstattbereichen verbracht und hat gelernt, wie viel Handwerkskunst und Leidenschaft dazugehören, die Position als weltweit führender Flügelbauer zu behaupten. „Die Maxime ist die perfekte Produktqualität, die wichtiger ist als betriebswirtschaftliche Kennzahlen“, sagt Zimmermann. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter von 430 auf 500 gestiegen. Weitere werden gesucht. „Wenn man generell von Fachkräftemangel spricht ist es bei uns Fachkräftemangel im Quadrat“, sagt der Steinway-Chef. Gesucht werden Tischler, Lackierer und vor allem Klavierbauer. Insgesamt 20 Stellen sind aktuell unbesetzt.
Wichtiger Erfolgsfaktor der vergangenen Jahre ist das Selbstspielsystem Spirio, das im Unternehmen als größte Produktinnovation seit 1935 gilt und in zwei der sieben Steinway-Flügelmodelle eingebaut wird. Steinway wollte damit vor allem Menschen, die selbst nicht Klavier spielen, als neue Kundengruppe gewinnen. Inzwischen sind 1700 Flügel mit der eingebauten Technik verkauft, die Star-Pianisten wie Lang Lang oder Igor Levit per App quasi ins eigene Wohnzimmer holt. „Es zeigt sich, dass auch gute und sehr gute Klavierspieler den Doppelnutzen unserer Instrumente zu schätzen wissen“, so Zimmermann selbstbewusst. „Wir sind gerade dabei, den Klaviermarkt zu revolutionieren.“
Charity-Serie der Elbphilharmonie-Flügel ist fast ausverkauft
Auch in und um Hamburg seien einige der Flügel zu Preisen zwischen 120.000 und 135.000 Euro verkauft worden. Es sind auch einige bekannte Besitzer darunter. Aber Namen, dafür möge man bitte Verständnis haben, könne das Unternehmen natürlich nicht öffentlich nennen. Zudem punktet Steinway mit mehreren limitierten Editionen. Von den acht Exemplaren der Charity-Serie Elbphilharmonie mit der Silhouette der Konzerthalle als Notenpult sind bis auf einen Flügel bereits alle verkauft. Auch die Sunburst-Kollektion, die als Hommage an die Kult-Gitarre verstanden werden soll, läuft gut.
Gerade ist in Zusammenarbeit mit Star-Pianist und Steinway-Artist Lang Lang eine Edition mit modernem Design gelauncht worden, die als Sammlerstücke die Verkaufszahlen ankurbeln sollen. Auch das Einzelhandelskonzept hat Zimmermann weiterentwickelt. 2,5 Millionen Euro investiert Steinway pro Jahr in Aus- und Umbauten der Läden. Seit 2016 sind es bereits zehn Millionen Euro. In Paris ist ein neuer Flagship-Store eröffnet worden, in London wird gerade umgebaut. Im Frühjahr wurden die modernisierten Läden in München und Hamburg direkt gegenüber der Klavierfabrik am Rondenbarg eröffnet. In der Hansestadt gibt es seit 2017 Jahren zudem die Spirit-Lounge in der HafenCity in direkter Nähe zur Elbphilharmonie.
John Paulson kaufte Steinway mit seinem Privatvermögen
Zimmermann sieht die Zukunft des Instrumentenbauers positiv: „Der Wert von Marken ohne Haltbarkeitsdatum als Gegenpol zu einer immer schneller drehenden Welt steigt.“ So sieht es offenbar auch Eigentümer Paulson. Der Finanzinvestor und Musikliebhaber, der Steinway 2013 für 500 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen kaufte, hat gerade eine chinesische Kaufofferte abgelehnt und einem Investitionsprogramm zugestimmt.
Auch für Zimmermann soll der Posten an der Spitze des Flügelbauers mehr sein als ein Job. Seit er bei Steinway angefangen hat, nimmt der Vater von zwei Teenagern Klavierunterricht. „Leider klappt es nicht jede Woche.“