Hamburg. Ex-Deutschlandchef der Einrichtungskette spricht über falsche Einkaufspolitik und zu hohe Mieten – auch in Hamburg.

Zur Eröffnung vor vier Jahren war ein roter Teppich ausgerollt worden. Hinter der großen Fensterfront am Großen Burstah standen trendige Wohnlandschaften ansprechend arrangiert. Die Einrichtungskette Habitat hatte sich beim Neustart in der Hamburger Innenstadt nicht lumpen lassen. Der Deutschlandchef Daniel Lambert reiste an gemeinsam mit dem Kreativdirektor aus Paris, Pierre Favresse, um die schöne neue Habitat-Welt zu erklären. Nach schwierigen Jahren, die in den Verkauf an den französischen Möbelkonzern Cafom gemündet waren, sollte die Marke wieder groß gemacht werden. „Wir möchten alle fünf Sinne der Menschen ansprechen“, hatte Designchef Favresse damals zu Protokoll gegeben.

In Hamburg haben elf Mitarbeiter ihre Kündigung erhalten

Jetzt sind die Schaufenster zugeklebt. „Totalausverkauf“ steht auf großen gelben Plakaten. Drinnen sieht es aus wie in einem Möbellager. Tische, Sessel, Sofas, Lampen, Kissen und Bilderrahmen sind auf der 1600 Quadratmeter großen Fläche zusammengewürfelt – auf alles gibt es 50 Prozent Rabatt bei Direktmitnahme. Der Umtausch ist ausgeschlossen. Das Obergeschoss ist schon fast leer. Auch die Ladeneinrichtung steht zum Verkauf. Seit vor gut zwei Wochen bekannt wurde, dass der insolvente Möbelhändler alle Filialen in Deutschland aufgibt, kommen an einem Tag mehr Kunden in den Laden als sonst in einer Woche. „Der Räumungsverkauf läuft gut, obwohl wir keine Werbung gemacht haben“, sagt Daniel Lambert, der aus der Deutschlandzentrale in Düsseldorf nach Hamburg gekommen ist. Sein Job ist es jetzt, den Laden zu schließen. In der vergangenen Woche haben die elf Hamburger Mitarbeiter ihre Kündigungen erhalten. Einige waren von Anfang an dabei, so der 56-Jährige, der sich selbst quasi mit abwickelt und demnächst wohl ebenfalls arbeitslos sein wird.

Insolvenzverwalter kritisiert Muttergesellschaft

Nachdem Habitat Deutschland Mitte Dezember 2018 Zahlungsunfähigkeit beim Amtsgericht Düsseldorf angemeldet hatte, war der Düsseldorfer Rechtsanwalt Nikolaos Antoniadis als Insolvenzverwalter eingesetzt worden. Gemeinsam habe man an einer Rettung für die Standorte gearbeitet und einen Investor gesucht, sagt Lambert im Gespräch mit dem Abendblatt. Trotz positiver Fortführungsprognose ohne Happy End. Das endgültige Aus für den Möbelhändler hatte Mitte März bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Auch weil der erfahrene Sanierungsexperte Antoniadis den französischen Eigentümer ungewöhnlich deutlich kritisiert hatte. Zumindest für die Filialen in Stuttgart und Köln hätten tragfähige Zukunftskonzepte vorgelegen“, sagte er der „Wirtschaftswoche“. Die Weiterführung sei an dem Vorgehen des Eigentümers gescheitert, der die Warenlieferungen eingestellt habe. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Der Online-Shop ist bereits geschlossen. Insgesamt sind etwa 110 Beschäftigte betroffen. Spätestens Ende Juni soll die Marke, die lange den Klang vom gutem und erschwinglichem Design hatte, dann ganz aus Deutschland verschwunden sein.

1964 wurde der erste Shop in London eröffnet

Habitat hat eine bewegte Geschichte. Gründer ist Kult-Designer Terence Conran, der 1964 den ersten Habitat-Shop in London eröffnet hatte. Von Beginn an legte Habitat besonderen Wert auf Stil und schuf neue Trends, die auch bekannte Persönlichkeiten wie Model Twiggy und Schauspieler Peter Sellers zu Fans machten. 1969 hatte Habitat bereits neun Filialen in Großbritannien und eine in Kanada eröffnet, und brachte einen eigenen Versandkatalog heraus. 1973 kam Habitat mit einem Laden in Paris aufs europäische Festland und expandierte. 1992 kaufte Ikea-Gründer Ingvar Kamprad das Unternehmen, um seine Gruppe um eine hochwertigere Marke zu ergänzen. Doch Habitat schrieb Verluste und wurde 2009 vom Finanzinvestor Hilco übernommen, der die damals 38 kontinentaleuropäischen Filialen 2011 an den französischen Möbelkonzern Cafom unter Hervé Giaoui verkaufte. In den vergangenen Jahren lief das Geschäft nicht nur in Deutschland unrund, unter anderem wurden die Filialen in Belgien und Norwegen geschlossen.

Fokus zu stark auf dem französischen Markt

Daniel Lambert war Deutschlandchef der Einrichtungskette Habitat
Daniel Lambert war Deutschlandchef der Einrichtungskette Habitat © Michael Rauhe

„Der Fokus von Cafom war sehr stark auf den französischen Markt ausgerichtet“, sagt Daniel Lambert nach dem Aus der deutschen Gesellschaft. Der Sohn des Mönchengladbacher Möbeldesigners und -herstellers Gunther Lambert hatte schon vor fast 25 Jahren vor anderen beruflichen Stationen etwa beim Kaufhof bei Habitat gearbeitet, damals als Store-Manager.

Trotz großer Pläne und einer massiven Expansion sei es nach der Übernahme durch Cafom nicht gelungen, „die unverwechselbare Design-Handschrift von Habitat“ wiederzufinden, sagt er im Rückblick. Marketing und Produktentwicklung hätten zudem die Notwendigkeiten anderer Landesgesellschaften zu wenig berücksichtigt.

Bettwäsche in unüblichen Maßen blieben im Regal

Als Beispiel nennt er Kampagnen mit Designern, die nur innerhalb Frankreichs bekannt gewesen seien. „Damit kann man in Deutschland nur einen kleinen Kreis von Szenekennern ansprechen“, so der Einrichtungsexperte. Ein anderer Fall betrifft das Sortiment der Bettwäsche, die vor allem in der in Frankreich relevanten Breite von zwei Metern angeboten worden sei – aber nur vereinzelt mit den hierzulande gebräuchlichen 1,40 Meter. „Das hat regelmäßig zu geringeren Umsätzen im Bereich Bettwäsche geführt“, so Lambert. Dazu habe sich die Kritik der Kunden an der Qualität der Produkte gemehrt. „Wir hatten es mit unterschiedlichen Meinungen zu diversen Vorgehensweisen und Aktivitäten zu tun.“ Dazu kamen hohe Mieten in den Innenstadtlagen und ein verändertes Kaufverhalten der Kunden, auf das Habitat zu spät reagierte. Dass die deutsche Tochter schon länger massiv unter Druck stand, lässt sich auch an den veröffentlichen Geschäftszahlen der vergangenen Jahre ablesen.

Der Sanierungsplan aus Deutschland kam zu spät

Im Bundesanzeiger, in dem deutsche Unternehmen gesetzlich verpflichtet sind, ihre Abschlüsse bekanntzugeben, erscheint als jüngster Eintrag der Jahresabschluss des Geschäftsjahrs 2014/15 (Stichtag: 30. September 2015) — mit dem Veröffentlichungsdatum Dezember 2018. Danach kämpfte Habitat Deutschland bereits vor mehr als drei Jahren mit deutlichen Rückgängen der Umsatzerlöse und machte Verluste. Der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag lag nach der Bekanntmachung bei mehr als fünf Millionen Euro. Die Insolvenz konnte nur abgewendet werden, weil die französische Eigentümerin letztlich eine unbefristete Patronatserklärung abgegeben hatte. Sprich: eine Kreditsicherheit für die Verbindlichkeiten der deutschen Tochter. Nach eigenen Angaben hatte Lambert 2017 einen Sanierungsplan erstellt und erste Maßnahmen wie Personalabbau und Mietminderungen umgesetzt. „Die Insolvenz hat uns zum Schluss überrollt“, sagt er im Rückblick. Bereits im Weihnachtsgeschäft 2018 hatte die französische Mutter die Warenlieferungen kurzfristig eingestellt, was zu Umsatzrückgängen führte.

Hamburger Filiale ist mehrfach umgezogen

Auch in Hamburg konnten aufmerksame Beobachter verfolgen, wie es mit Habitat bergab ging. Die Einrichtungskette ist seit der Eröffnung des ersten Geschäfts am Neuen Wall 1996 mehrfach umgezogen. 2001 wechselte die Kette zunächst einige Häuser weiter in den hinteren Teil der Straße. Parallel zu den kleineren Geschäftsräumen betrieb der Möbelhändler an der Großen Elbstraße in Altona einen Outlet-Shop. 2014 schloss das Hauptgeschäft am Neuen Wall für einige Monate und eröffnete im März 2015 neu am Großen Burstah. Aber auch hier erfüllten sich die Erwartungen nicht.

„Der Standort hat nicht gehalten, was versprochen wurde“, sagt Lambert, der einen langfristigen Vertrag für die Anmietung der Ladenfläche durchgekämpft hatte. Der Neubau, in dem auch das Hamburger Abendblatt mit Geschäftsstelle und Redaktion sitzt, war zunächst als reines Bürogebäude geplant. Durch die Dauerbaustellen rundherum hätten sich Laufwege der Kunden nicht so entwickelt, wie es notwendig gewesen wäre, sagt der frühere Deutschlandchef. Mit immer neuen Rabatten sollten Kunden angelockt werden. „Der Laden hat schlichtweg zu wenig Kunden bekommen und seine Miete nicht verdient.“

Rechtsstreit um Mietminderung

Zwischen Habitat und dem Vermieter der Ladenflächen, einem Luxemburger Immobilienfonds, kam es zum Streit, nachdem der Möbelhändler die Miete wegen der andauernden Baumaßnahmen einseitig gemindert hatte. Der Fall landete vor Gericht, nachdem der Vermieter die Miete eingeklagt hatte. Mitte November 2018 entschied das Landgericht Hamburg nach Angaben eines Sprechers, „dass eine Minderung wegen der anhaltenden Bauarbeiten im Nikolai Quartier in diesem Einzelfall ausgeschlossen ist“. Es handele sich um mittelbare Beeinträchtigungen, ein Vermieter hafte aber nur für unmittelbare Beeinträchtigungen. Hinzu komme, dass Habitat über die Baustellensituation an der Straße informiert gewesen sei. Zu dem Zeitpunkt waren nach Angaben des Gerichts Mietrückstände in Höhe von fast 810.000 Euro aufgelaufen. Auf Nachfrage des Abendblatts wollten sich die Parteien nicht zu dem Rechtsstreit äußern. Eine Sprecherin des Fondsmanagers Nuveen Real Estate, der den Luxemburger Fonds verwaltet, sagte auf Anfrage, dass es für das Objekt keine offenen Mietforderungen gebe.

Wer in die Fläche am Großen Burstah zieht, ist noch unklar

Wann Habitat am Großen Burstah endgültig schließt, ist noch offen. Das ergebe sich aus den Kündigungsterminen der Mitarbeiter und der Geschwindigkeit, wie schnell der Laden leer sei, so Lambert. „Der Endtermin kann erst einige Tage vorher verkündet werden.“ Im Augenblick sieht es so aus, als ob das schnell gehen könnte. Wer nach Habitat auf die Fläche am Großen Burstah ziehen wird, ist offen. Es sei immer ein Anliegen, zeitnah eine geeignete Nutzung sicherzustellen und Vorbereitungen für eine mögliche Nachvermietung zu treffen, sagt die Nuveen-Sprecherin. Dazu würden Überlegungen angestellt, leere Flächen an den Einzelhandel zu vermieten. Aber auch eine Umnutzung als Coworking-Areal oder ein Mix aus Einzelhandels- und Bürofläche sei denkbar.