Hamburg. Flächen stehen lange leer. Grüne wollen „faire Mieten“. Citymanagerin fordert bessere „Baustellenkoordination“.

Tom Tailor, Diesel, ­Es­prit, Tchibo, Denim Culture und Flo­rencemoda haben eines gemeinsam. Diese Einzelhändler haben vor Kurzem geschlossen beziehungsweise befinden sich im Räumungsverkauf. Und all diese Flächen liegen in einem Radius von wenigen Hundert Metern im Bereich Gr0ße Bleichen, der Poststraße und der Gerhofstraße. In der Nachbarschaft am Jungfernstieg zieht der schwedische Elektro- und Haushaltswarenhändler Clas Ohlson im April wieder aus.

Das sind aber keine Einzelfälle. Wer den Rundgang an den Hohen Bleichen fortsetzt, sieht zwei weitere große leer stehende Ladenflächen: Die Restaurantkette Vapiano ist hier vor mehr als zwei Jahren ausgezogen. Wenige Meter weiter wird eine 488 Quadratmeter große Fläche angeboten.

Pop-up-Stores sollen Leerstand verschleiern

Am Neuen Wall hat die Luxusmodemarke Brioni ihr Gastspiel in Hamburg bereits im April 2017 beendet. Einen neuen Mieter gibt es immer noch nicht. Damit die Leerstände auf der Nobeleinkaufsmeile nicht zu offensichtlich sind, wurden zahlreiche Flächen an sogenannte Pop-up-Stores vermietet, die dort nur für eine begrenzte Zeit ihre Waren anbieten. Die Entwicklung in der Innenstadt beobachtet der Grünen-Fraktionschef im Bezirk Mitte, Michael Osterburg, mit Sorge: „Wenn in guten Innenstadtlagen horrende Mieten aufgerufen werden, die einfach nicht mehr von den Händlern bezahlt werden können, dann sind Geschäftsschließungen und Leerstände ein hausgemachtes Problem der Grundeigentümer.“ Osterburg forderte: „Es sollten sich Politik, Vermieter und das Citymanagement gemeinsam darüber Gedanken machen, wie man die Mieten für alle Beteiligten fair gestalten kann.“

Nach Abendblatt-Informationen werden für Ladenflächen auf dem Neuen Wall Spitzenmieten von bis zu 330 Euro pro Quadratmeter aufgerufen.

Es gibt immer weniger inhabergeführte Geschäfte

Auch wenn diese wohl an der Gerhof­straße nicht dieses Preisniveau erreichen, sind die Mieten einigen Unternehmen inzwischen zu hoch: Die dort ansässige Tchibo-Filiale wurde laut einem Sprecher im November 2018 geschlossen, weil diese nicht mehr wirtschaftlich war. Ähnlich waren die Gründe bei der Modekette Esprit, die direkt nebenan ihren Standort hatte: Diese musste aus „wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden, da der Vermieter nicht bereit war, die Bedingungen zu akzeptieren, unter denen Esprit den Store erfolgreich hätte weiterführen können“, so ein Sprecher. Auffällig ist auch, dass es immer weniger inhabergeführte Geschäfte in der Innenstadt gibt. Aktuelles Beispiel ist das traditionsreiche Schuhgeschäft Florencemoda an der Poststraße: „Wir schließen und danken unserer Kundschaft für 35 Jahre Treue“, steht in dicken grünen Lettern auf dem Schaufenster geschrieben. Der Besitzer gehe in den Ruhestand, und seine Kinder wollten das Geschäft nicht übernehmen, sagte eine Angestellte.

Die Entwicklung in der Innenstadt beobachtet Brigitte Engler aufmerksam. Die Citymanagerin sagte dem Abendblatt: „Generell verzeichnen wir einen rückläufigen Anteil der Ausgaben an Mode im Budget des privaten Verbrauchers. Der Textileinzelhandel bewegt sich auf einem gesättigten Markt.“ Dieses werde auch Auswirkungen auf den künftigen Besatz der Flächen und einen deutlichen Einfluss auf die Mietpreise haben, so Engler weiter.

Viele Läden haben den Großen Burstah verlassen

Ein Beispiel dafür, dass es nicht rundläuft in der Innenstadt, ist auch der Große Burstah unweit von Handelskammer und Rathaus. Die Einzelhändler kämpfen hier schon seit Jahren. Immer wieder neue Baustellen, veränderte Verkehrsführung, die Ruine des Allianz-Hochhauses nach dem Stillstand beim Abriss laden nicht gerade zum Bummeln ein.

Und das, obwohl der Straßenzug zum BID Nikolai-Quartier, dem größtem Business Improvement District Europas, gehört und unter anderem die Gehwege komplett erneuert wurden. Zahlreiche Läden haben den Großen Burstah verlassen, unter anderem das Traditionsgeschäft Lenffer, die Deko-Kette Butlers, das Reformhaus Engelhardt und zuletzt sogar ein Service-Shop von Bosch und Siemens. Was mit der Filiale der Einrichtungskette Habitat wird, die erst 2015 als wichtiger Ankermieter in ein neues Geschäftshaus gezogen ist, ist nach der Insolvenz von Habitat Deutschland noch offen. Optiker Schütt heißt nach einem Eigentümerwechsel jetzt Optiko.

Stimmung bei den Inhabern der Geschäfte ist gemischt

Teilweise sind Flächen neu vermietet, so hat etwa Janine Werth Ende Oktober einen Konzept-Store für Naturkosmetik und Fair Fashion eröffnet. Das Wäschehaus Möhring ist 2017 an den Standort umgezogen und auch der Flagship-Store des Outdoor-Händlers Mammut. Der Blumenhändler Blume Fresh hat gerade größere Räume bezogen. Auf der bisherigen Fläche soll ein Suppenladen eröffnen. Es stehen aber weiterhin Verkaufsflächen leer, etwa in der Nummer 45. An manchen Tagen hat es den Anschein, als werde nur im dm-Drogeriemarkt und bei der Günstig-Deko-Kette Tiger gekauft. Bei den Inhabern der Geschäfte ist die Stimmung nach einer Umfrage des Abendblatts gemischt. Viele klagen über Umsatzeinbrüche, aber es gibt auch positive Stimmen. Die große Hoffnung ist der Neubau auf der Allianz-Brache mit Wohnungen, Büros und Geschäften, der demnächst mit neuem Eigentümer starten soll. „Es ist eine Chance, wenn das, was kommt, ein attraktives Paket ist“, sagt die Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord in Hamburg, Brigitte Nolte.

Damit der Einzelhandel floriert und die Kunden sich in der Innenstadt wohlfühlen, hat Citymanagerin Engler zahlreiche Wünsche: „Für die Zukunft sehen wir eine Notwendigkeit darin, Baustellen besser zu koordinieren und die Erreichbarkeit der Quartiere zu gewährleisten.“ Das Verkehrs- und Logistikkonzept gehöre auf den Prüfstand. Engler spricht sich auch für „mehr Polizeipräsenz aus, damit das subjektive Sicherheitsgefühl gestärkt wird“. Der Grünen-Politiker Osterburg rät: „Die Geschäfte müssen durch einen besonders persönlichen Service dafür sorgen, dass die Umsätze im stationären Handel, trotz des immer größer werdenden Onlineangebots, konstant bleiben.“

Derweil stehen an der Mönckebergstraße und der Spitalerstraße so gut wie keine Flächen leer. Den Grund kennt Richard Winter, Niederlassungsleiter des Immobiliendienstleisters Jones Long La Salle: „Dort gibt es eine starke Frequenz. Sie wirkt sich positiv auf die Umsätze des Einzelhandels aus.“