Hamburg. Wie gut ist das maritime Hamburg für künftige Herausforderungen gewappnet? Branche steht vor großen Veränderungen.
Autonom fahrende Containerschiffe, von ferngesteuerten Schleppern in den Hafen bugsiert, docken selbstständig an Hamburgs Terminals an. Auch dort geschieht alles vollautomatisch. Riesige Drohnen verteilen die Container im Terminal, beladen sie auf Güterzüge und autonom fahrende Lkws. Doch nicht überall ist es menschenleer: An den Landungsbrücken strömen die Touristenmassen auf batteriebetriebene Hafenbarkassen, auf denen ehemalige Frachtschiffkapitäne von den guten alten Zeiten erzählen.
Diese Zukunftsvision könnte schon bald tatsächlich Realität werden. Denn Digitalisierung und Automatisierung sind am wichtigsten Wirtschaftsstandort der Region bereits heute ein großes Thema. Mit einer Brutto-Wertschöpfung von jährlich 21,8 Milliarden Euro und 155.000 angebundenen Arbeitsplätzen ist der Hamburger Hafen ein elementarer Handelsknotenpunkt und Konjunkturmotor Norddeutschlands.
Horch: Hamburg muss „ein Hafen 4.0“ werden
Nirgendwo waren in den vergangenen Jahren technischer Fortschritt und Effizienzsteigerung so deutlich sichtbar wie an der Waterkant: Immer weniger Menschen und immer weniger Schiffe bewegen hier immer größere Tonnagemengen. Eine Erfolgsstory ohne Ende? Leider nein, denn zuletzt blieb der Containerumschlag leicht rückläufig, zudem ist Hamburg im europäischen Ranking hinter Antwerpen auf Platz drei zurückgefallen.
Um langfristig nicht den Anschluss zu verlieren, müssen Digitalisierung und Innovation vorangetrieben werden. „Der Hamburger Hafen muss ein Hafen 4.0 werden“, sagt Frank Horch, Hamburgs Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation. „Wir sind bereit, neue Wege zu gehen – sowohl bei der Nutzung und bei der Art der Entwicklung als auch bei den Partnern, mit denen wir das umsetzen.“ Schon jetzt werden die Container am HHLA-Containerterminal Altenwerder (CTA) von unbemannten AGVs (Automated Guided Vehicles) hin- und hertransportiert.
„Autonome Schifffahrt“ nimmt Fahrt auf
In China ist man sogar etwas weiter. Im „Geisterhafen“ von Qingdao arbeiten überhaupt keine Hafenarbeiter mehr. Intelligente IT-Systeme und ein paar gut ausgebildete chinesische Spezialisten steuern und überwachen vom Büro aus die komplette Abfertigung am Containerterminal. Noch sind die Systeme nicht perfekt: „Komplett ferngesteuerte Brücken lassen sich schwerer steuern, insbesondere bei schlechten Sicht- und Witterungsbedingungen“, erklärt HHLA-Vorstand Jens Hansen. Hamburgs größter Terminalbetreiber setzt bei der Containerentladung deshalb zunächst weiterhin auf erfahrene Kranführer.
Auch auf den Schiffen selbst ist Manpower noch unverzichtbar. Doch die „Autonome Schifffahrt“ nimmt Fahrt auf. Auf der maritimen Weltleitmesse SMM, die am kommenden Dienstag in Hamburg ihre Tore öffnet, stellen Aussteller ihre Konzepte für die Zukunft vor – darunter das erste unbemannte Containerschiff der Welt. Die „Yara Birkeland“ ist eine Entwicklung des norwegischen Technologiekonzerns Kongsberg. Der batteriebetriebene, 80 Meter lange Zero-Emission-Frachter fasst bis zu 120 Stahlboxen und soll ab 2019 im küstennahen Containertransport eingesetzt werden – ein mögliches Vorbild auch für den Feederverkehr von und nach Hamburg.
Mit der traditionsreichen Zunft der Schlepperkapitäne stirbt dann womöglich der nächste klassische Hafenberuf aus. Das Hamburger Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) entwirft derzeit einen ferngesteuerten Schlepper mit automatisierter Leinenübergabe. Er soll später mal große Frachtschiffe beim An- und Ablegen unterstützen.
Noch handelt es sich nur um eine Studie. „Die Ergebnisse des Gesamtprojektes werden zeigen, ob der Einsatz machbar ist“, sagt CML-Experte Hans-Christoph Burmeister. Theoretisch wären küstennahe Revierfahrten auch im Hamburger Hafen möglich. Hier haben die politischen Entscheidungsträger in Berlin bereits die Zeichen der Zeit erkannt: Die Bundesregierung will künftig autonome Schiffe und Systeme auf Hamburger Wasserwegen testen. Um über kurz oder lang nicht den Anschluss zu verpassen, muss Hamburg seine Stellung als attraktiver Hub für die Containerriesen der neuesten Generation sichern. Dazu gehören wichtige politische Entscheidungen wie die Fahrrinnenanpassung der Elbe. Nach jahrelangem juristischen Gezerre und etlichen Auflagen gibt es nun grünes Licht für die Ausbaggerungen.
Tunnel oder neue Brücke über den Köhlbrand
Das zweite Großprojekt ist die Köhlbrand-Querung. Der mittlerweile 40 Jahre alten Brücke droht in einigen Jahren der sanierungsbedingte Abriss. Danach heißt es: Neubau oder Tunnelbau. HHLA-Vorstand Hansen: „Aus unserer Sicht ist ein Tunnel sinnvoller, weil wir dann keine Schiffsgrößen-Restriktionen mehr haben.“ Hintergrund: Große Frachter mit 18.000 und mehr Standardcontainern (TEU) sind zu hoch für die Brücke und können den hochmodernen CTA bislang nicht anfahren.
„Vor digitalen Attacken schützen“
Liegeplätze und Terminalkapazitäten sind ein wichtiger Faktor im Wettstreit mit Konkurrenten wie Rotterdam und Antwerpen. Damit die ganz großen Pötte künftig keinen Bogen um Hamburg machen, muss der Hafen auch in Sachen Effizienz ganz vorne mitspielen. Die Voraussetzungen sind nicht schlecht. „Die geografische Lage mit seiner exzellenten Hinterlandanbindung ist und bleibt ein hervorragender Standortvorteil für Hamburg“, so HHLA-Vorstand Hansen. Den gilt es zu nutzen.
Größter Eisenbahnhof Europas
Das klappt nur, wenn der Hafen eine schnelle Abfertigung von 20.000 TEU-Schiffen samt reibungslosem Umschlag gewährleisten kann. Vor allem der Intermodalverkehr vom Schiff auf die Bahn prosperiert kräftig. Mit über 2000 wöchentlichen Containerzügen ist Hamburg der größte Eisenbahnhof Europas. Hinzu kommen die vielen Verbindungen zu Chinas neuer Seidenstraße. Als Engpass am Terminal erweist sich dagegen der Lkw-Umschlag. „Hamburg mit seinen vielen Baustellen ist eine Stadt im Dauerstau“, klagt Gunther Bonz, Präsident des Unternehmerverbands Hafen. Das mache einen Teil der guten Anbindung ans Hinterland über Schiene und Straße zunichte.
Schon heute investiert die Hansestadt jährlich weit über 100 Millionen Euro in die Infrastruktur und die Weiterentwicklung des Hafens. Darüber hinaus fördert das Verkehrsministerium innovative Hafenprojekte – vom Einsatz automatisierter Systeme für den Güterumschlag über die IT-optimierte Prozesssteuerung in der Lagerhaltung bis hin zu Maßnahmen zur Bekämpfung von Cyberangriffen. Was auch immer die Zukunft bringt: Die Themen Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit stehen ganz oben auf der Agenda. Hamburg ist hier Vorreiter.
Umweltfreundliche Antriebe
Die Hamburg Port Authority (HPA) will künftig die komplette städtische Flotte auf umweltfreundliche Antriebe umstellen. Auch die Seeschifffahrt will und muss sauberer werden. Als alternativer Treibstoff der Zukunft gilt Flüssigerdgas (LNG). Hamburg setzt in Sachen Infrastruktur auf eine Kooperation mit den Häfen in Brunsbüttel und Stade. Künftig werden LNG-betriebene Frachter auf ihrer Hamburg-Reise an der Unterelbe einen Bunker-Stopp machen können.
Als Game-Changer im globalen Güterstrom könnte sich die zunehmende Automatisierung in der Industrie erweisen. Das Szenario: Dank 3-D-Druck-Technologie und Smart Factories würden in Zukunft immer mehr Produkte vor Ort produziert – was zu einem weltweiten Rückgang der Transport-Tonnage führt. Doch nicht alle Experten teilen diese Auffassung. „Bei niedrigen Seetransportkosten wird das globale Outsourcing der Fertigung weiterhin das dominierende Modell sein“, sagt Hafenkenner Olaf Merk vom International Transport Forum der OECD. Gute Chancen also für Hamburg, auch künftig in Sachen Logistik vorn mitzuspielen und als „Hafen der Zukunft“ das nächste Level zu erreichen.