Hamburg. Um bis zu acht Prozent legte die Aktie zu, nachdem die Deutsche Bank den Rücktritt der Führungsspitze bekannt gab.

Fast drei Milliarden Euro war den Aktionären der Deutschen Bank der Wechsel an der Spitze wert: Um diesen Betrag ist die Börsenkapitalisierung des Konzerns am Montagmorgen in die Höhe gesprungen, das entsprach einem Plus von rund acht Prozent. Am Sonntag hatte die Bank mitgeteilt, dass die Co-Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen zum 30. Juni 2015 beziehungsweise zum 19. Mai 2016 ausscheiden und der Brite John Cryan, der Jain zum 1. Juli ersetzt, künftig alleiniger Vorstandsvorsitzender sein wird.

Hier die wichtigsten Fragen zum Wechsel bei der Deutschen Bank.

Wo liegen eigentlich die größtenProbleme der Bank?

Zwar lief das Tagesgeschäft zuletzt wieder besser, doch Milliardenkosten für Rechtsstreitigkeiten fressen die Fortschritte auf. Jüngster Rückschlag: Ende April musste die Bank eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar (rund 2,3 Milliarden Euro) für ihre Beteiligung an Manipulationen des Referenzzinses Libor schlucken. Etliche weitere Verfahren laufen noch. Ein Großteil der Altlasten hat seine Wurzeln im Investmentbanking, dessen oberster Chef Jain lange war. „Es reicht eben nicht aus, wenn von allerhöchster Stelle gesagt wird, wir wollen einen Kulturwandel, dann aber in den einzelnen Stabsabteilungen im Bereich des Investmentbankings dieser Kulturwandel gar nicht ankommt“, sagte Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), der Nachrichtenagentur dpa.

Bleibt die von der scheidendenBankspitze beschlossene Strategie?

Dass die erst Ende April beschlossene Strategie bis zum Jahr 2020 tatsächlich 1:1 umgesetzt wird, glaubt Nieding nicht: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der ein wirklich starker Mann an der Spitze der Deutschen Bank sein will, nicht eigene Akzente setzt und diese Strategie nicht noch einmal nachjustiert.“ Nach monatelangem Ringen hatten sich Vorstand und Aufsichtsrat auf einen Schrumpfkurs verständigt: Die Tochter Postbank wird abgestoßen, zudem will die Deutsche Bank bis zu 200 eigene Filialen schließen. Einschnitte gibt es auch im Kapitalmarkt-Geschäft.

Wie ist die Deutsche Bank imHamburger Markt aufgestellt?

Gemessen an der Zahl der Beschäftigten in Hamburg von 1800 Personen ist sie das drittgrößte Geldinstitut der Stadt hinter der Haspa (5000) und der Commerzbank (2600). Nimmt man die Zahl der Filialen (30) zum Maßstab, rangiert die Deutsche Bank nur auf Rang fünf – noch hinter der Hamburger Volksbank. Auf Basis der Kundenzahl hat die Frankfurter Großbank in der Hansestadt an Boden verloren. Zuletzt berichtete das Institut über 319.000 Privat- und Geschäftskunden, im Jahr 2010 waren es noch 365.000. Zum Vergleich: Die Haspa hat gut 1,5 Millionen Privat- und Firmenkunden.

Hat die Deutsche Bank jetzt die Wende beim Aktienkurs geschafft?

Zwar hat der Aktienmarkt den personellen Wechsel mit einem Kursfeuerwerk gefeiert. Es gibt aber Zweifel daran, wie nachhaltig die Freude der Börsianer sein wird. „Es kommt ein neuer Chef, er steht aber vor den alten Pro­blemen“, erklärte Analyst Jernej Omahen von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Vor allem bei der Rentabilität gebe es weiter Herausforderungen. Seit dem Amtsantritt des Duos Jain/Fitschen im Juni 2012 läuft die Aktie der Deutschen Bank dem DAX deutlich hinterher. „Nachhaltige Kursgewinne hängen jedoch davon ab, ob die Anleger den Nachfolger John Cryan wirklich als Heilsbringer sehen, der einen Strategiewechsel einleitet“, so ein Börsianer. „Daran dürfen Zweifel erlaubt sein.“ Kurz vor Handelsschluss lag das Papier noch mit 4,8 Prozent im Plus.

Wie hat sich der Börsenwert iminternationalen Vergleich entwickelt?

An der Börse spielt Deutschlands größtes Geldhaus schon seit Jahren nur die zweite Geige. Gehörte das Institut Mitte der 1990er-Jahre unter Leitung von Hilmar Kopper (1989-1997) gemessen am Börsenwert noch zu den größten der Branche weltweit, fiel der Konzern unter der Führung von Rolf Breuer (1997-2002), Josef Ackermann (2002-2012) sowie dessen Nachfolgern Jürgen Fitschen und Anshu Jain allmählich zurück. Zuletzt tauchte er mit einem Börsenwert von rund 40 Milliarden Euro nur noch abgeschlagen im Mittelfeld der wertvollsten Banken weltweit auf. Klar dominiert wird das Feld von Finanzinstituten aus China und den Vereinigten Staaten. So stieg etwa der Börsenwert von JPMorgan, einem Erzrivalen der Deutschen Bank, in den vergangenen Jahren um rund zwei Drittel auf zuletzt 250 Milliarden Dollar (225 Milliarden Euro). Doch auch in Europa liegt die Deutsche Bank trotz des Kurssprungs vom Montag nicht unter den ersten zehn.

Wie kommt der Wechsel an der Spitzein der Politik an?

„Ein personeller Neuanfang war überfällig“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider. Jetzt müsse die Bank Glaubwürdigkeit zurückgewinnen und wieder in die Erfolgsspur kommen. Auch der Sprecher für Finanzpolitik bei den Grünen, Gerhard Schick, betonte die Chance für einen Neuanfang. Die bisherigen Chefs seien zu stark mit den alten Problemen verbunden gewesen. „Der neue Vorstand muss jetzt aufräumen, vor allem im Investmentbanking, wo das teilweise kriminelle Verhalten strukturell bedingt war.“ Die Linkspartei warnte, mit dem Stühlerücken an der Konzernspitze sei es nicht getan. „Der Nachfolger wird kaum anders agieren als die alten Chefs“, meinte Fraktionsvize Dietmar Bartsch. Die Deutsche Bank und die gesamte Finanzwelt hätten aus der Krise nichts gelernt: „Wir brauchen eine Stärkung von Sparkassen und Volksbanken, und nicht von Großbanken.“