München. Jürgen Fitschen, Josef Ackermann und Rolf Breuer müssen sich wegen Prozessbetrugs verantworten. Es drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse seit Jahren hat begonnen: Der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, und vier seiner früheren Kollegen aus der Führungsetage des Geldhauses stehen seit Dienstag in München vor Gericht. Die fünf Topbanker kamen unter großem Medieninteresse mit insgesamt 15 Verteidigern in den Gerichtssaal und nahmen auf der Anklagebank Platz.

Die Staatsanwaltschaft wirft Fitschen, seinen Vorgängern Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei weiteren früheren Topmanagern versuchten Prozessbetrug vor: Mit einem gezielten Täuschungsmanöver sollen sie vor vier Jahren versucht haben, Schadenersatzzahlungen für die Pleite des Medienkonzerns Kirch vor dem Oberlandesgericht München abzuwehren. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Prozess.

Warum müssen Fitschen und die anderen Angeklagten vor Gericht?

Fitschen, der die Deutsche Bank seit Juni 2012 zusammen mit Anshu Jain führt, hatte im Juni 2011 vor dem Oberlandesgericht (OLG) München ausgesagt. In dem Prozess ging es um Schadenersatz für die Pleite des Kirch-Konzerns 2002. Der Medienunternehmer machte bis zu seinem Tod Mitte Juli 2011 die Deutsche Bank für den Niedergang seines Konzerns verantwortlich. Nach Kirchs Tod führten seine Erben die Fehde fort.

Fitschen soll zusammen mit seinen Vorgängern Ackermann und Breuer sowie Ex-Personalchef Tessen von Heydebreck und Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig zusammengewirkt haben, um das Gericht durch falsche Angaben zu täuschen und Schadenersatzzahlungen zu vermeiden. Die Ankläger sprechen von einem „Tatplan“.

Was konkret wird Fitschen von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen?

Fitschens Aussage vor dem OLG war nach Ansicht der Münchner Staatsanwaltschaft nicht schlüssig. In der Anklage heißt es, Fitschen habe von falschen Angaben seiner Vorstandskollegen im Kirch-Prozess gewusst, habe aber nichts dagegen unternommen. Ursprünglich lautete der Vorwurf gegen die fünf Manager Prozessbetrug. Weil die Bank aber vor dem OLG verlor und im Dezember 2012 zu Schadenersatz verurteilt wurde, hält die Anklage ihnen nun versuchten Prozessbetrug vor – denn die angebliche Strategie der Angeklagten ging schließlich nicht auf. Im Februar 2014 einigte sich das Institut außergerichtlich mit Kirchs Erben auf eine Zahlung von rund 925 Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft ermittelte dennoch weiter gegen die Banker.

In welchen Punkten sollen sie falsch ausgesagt haben?

In den Aussagen ging es um die Frage, ob die Bank Kirch im Jahr 2002 absichtlich in die Enge getrieben hat, um danach durch einen Beratungsauftrag bei der Zerschlagung des Unternehmens Geld zu verdienen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft haben sich die Angeklagten vor Gericht in diesem Punkt nicht richtig geäußert: Denn sie hatten den Richtern erklärt, es habe keinen Beschluss für einen derartigen Beratungsauftrag der Kirch-Gruppe gegeben. Darin sehen die Ermittler einen Widerspruch zu dem Protokoll einer Vorstandssitzung aus dem Januar 2002, wenige Monate vor der Insolvenz der Kirch-Gruppe. Aus diesem ergäben sich Hinweise darauf, dass die Bank doch Interesse an einem Beratungsauftrag gehabt habe.

Was sagen die fünf Angeklagten zu diesen Vorwürfen?

Sie fühlen sich zu Unrecht beschuldigt. Fitschen hatte erklärt, er habe weder gelogen noch betrogen. Am Tag vor dem Prozessbeginn sagte Fitschen: „Ich habe die Zuversicht, dass sich das, was ich immer gesagt habe, vor Gericht validieren lässt. Nämlich, dass ich nicht verstehen kann, warum diese Anklage gegen mich erhoben wurde.“

Auch sein Vorgänger Ackermann hatte seine Unschuld mehrfach bekräftigt. „Den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, vor Gericht bewusst falsche Angaben gemacht zu haben, weise ich unverändert zurück“, sagte der Schweizer vor wenigen Monaten dem „Handelsblatt Magazin“.

Welche Strafe droht den Angeklagten im Fall der Verurteilung?

Die Anklage geht wegen der Höhe der Summe von rund zwei Milliarden Euro, die die Kirch-Erben ursprünglich als Schadenersatz gefordert hatten, von versuchtem Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall aus. Dafür sieht das Gesetz einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren vor.

Was bedeutet der Prozess für dieDeutsche Bank?

Für die Bank kommt der Prozess zur Unzeit: Sie steckt mitten in einem gewaltigen Umbauprogramm, um Kosten in Milliardenhöhe einzusparen. Bis zu 200 Filialen sollen geschlossen, die Tochter Postbank über die Börse verkauft werden.

Für Vorstandssitzungen über die künftige Strategie scheiden die meisten Dienstage in den nächsten Monaten aus: Als Angeklagter muss Fitschen an allen Prozesstagen persönlich erscheinen. Bis September sind zunächst 16 Verhandlungstage geplant – mit wenigen Ausnahmen immer dienstags.

Ist Fitschen der erste amtierende Bankchef auf der Anklagebank?

Sein Vorgänger Josef Ackermann musste im Januar 2004 im Mannesmann-Prozess vor Gericht erscheinen. Der Schweizer musste über etliche Monate sein Frankfurter Büro an vielen Tagen gegen den Düsseldorfer Gerichtssaal tauschen.

Erst nach fast drei Jahren wurde dieser Prozess gegen Geldauflage eingestellt. Ackermann musste damals 3,2 Millionen Euro zahlen.