Hamburg. Warum Anshu Jain und Jürgen Fitschen ihre Posten an der Spitze der Deutschen Bank räumen müssen. Kritik gab es schon seit Jahren.
Es ging dann doch schneller als erwartet: Gerade einmal 17 Tage nach der für sie desaströsen Hauptversammlung am 21. Mai haben die Co-Chefs der Deutschen Bank am Sonntag ihren Rücktritt angekündigt. Zwar beteuerten Jürgen Fitschen und Anshu Jain auf dem Aktionärstreffen noch, sie fühlten sich auf „dem richtigen Weg.“ Aber mächtige Anteilseigner hatten da offensichtlich schon das Vertrauen zu den beiden verloren.
Während Vorstände großer Unternehmen von den Aktionären üblicherweise mit mehr als 90 Prozent entlastet werden, erhielten Jain und Fitschen nur 61 Prozent. Ein derart schlechtes Ergebnis sei ihm bei einem DAX-Unternehmen „noch nie untergekommen“, sagte Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), der jedes Jahr auf zahlreichen Hauptversammlungen spricht.
Und selbst der Aufsichtsratsvorsitzende des Frankfurter Geldhauses, Paul Achleitner, gab zu: „Keine Frage, das öffentliche Bild der Deutschen Bank ist derzeit stark angeschlagen.“ Am Sonntag nahm Achleitner die Rücktrittsgesuche von Jain und Fitschen an und dankte den beiden: „Ihre Entscheidung, ihr Amt früher als geplant niederzulegen, zeigt auf eine beeindruckende Weise ihre Einstellung, die Interessen der Bank vor ihre eigenen zu stellen“. Jain erklärte, nach der Aufstellung der neuen Strategie, die vor allem eine Schrumpfkur im Privatkundengeschäft und eine Trennung von der Postbank vorsieht, „ist es zu diesem Zeitpunkt die richtige Entscheidung für die Bank und für mich, eine neue Führung zu etablieren“.
Schon seit Jahren steht die Doppelspitze Jain/Fitschen in der Kritik. Nicht zuletzt milliardenschwere Rechtsstreitigkeiten belasteten den Aktienkurs. Bei der jüngsten Hauptversammlung räumten die Co-Chefs auch selbst ein, dass ihre bisherige Amtszeit seit Juni 2012 keine reine Erfolgsgeschichte gewesen sei. Der Abbau von Altlasten sei teurer und dauere länger als gedacht.
„Seit dem 21. Mai war klar, dass Jain und Fitschen keine lange Laufzeit mehr haben würden“, sagt der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann. Als Ende der vergangenen Woche auch noch bekannt wurde, dass die Deutsche Bank in einen milliardenschweren Geldwäscheskandal in Russland verwickelt sein könnte, sei dies womöglich „der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte.“
Ohnehin hätten die beiden Bankchefs mit einer „mickrigen“ Aktienkursbilanz den Unmut der Investoren geweckt: In den drei Jahren seit ihrem Amtsantritt ist der Kurs unter dem Strich nur minimal vorangekommen, während der DAX im gleichen Zeitraum um mehr als 80 Prozent zulegte und sich die Aktie der Commerzbank immerhin um 20 Prozent verteuerte.
Der Wechsel an der Spitze bringe nun positive Perspektiven für die Deutsche-Bank-Aktie, erwartet Hansmann: „Man wird sich sagen, dass ein unbelasteter Manager endlich mit den überfälligen Reformen beginnen kann.“ Der Brite John Cryan, 54, ist für das Unternehmen allerdings kein Unbekannter: Er ist seit 2013 Mitglied des Aufsichtsrates. Cryan wurde am Sonntag zum Co-Vorstandsvorsitzenden der Bank ernannt. Nach dem Ausscheiden von Fitschen, der noch bis Mai 2016 bleibt, soll Cryan alleiniger Vorstandsvorsitzender werden. Erfahrungen als Topmanager einer Großbank kann er vorweisen – von 2008 bis 2011 war Cryan Finanzvorstand der Schweizerischen UBS. Derzeit ist er Europa-Präsident des Staatsfonds von Singapur.
Hansmann hält es für eine kluge Entscheidung, dass Cryan noch für knapp ein Jahr lang Fitschen als „Coach“ an seiner Seite hat: „Für die Deutsche Bank ist ein gutes Verhältnis zur Bundesregierung ungemein wichtig.“ Es habe aber wohl noch ein anderes Motiv dafür gegeben, Fitschen bis ins nächste Jahr im Amt zu behalten: Im sogenannten Kirch-Prozess steht Fitschen als Angeklagter vor Gericht. „Wenn man ihn jetzt ablösen würde, könnte das wie ein Schuldeingeständnis aussehen“, sagt Hansmann. In dem Verfahren um versuchten Prozessbetrug beginnt in dieser Woche die entscheidende Phase. Neben Fitschen sitzen auch seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft warf den Top-Bankern zum Auftakt des Mammutverfahrens Ende April vor, gemeinsam einen Tatplan verfolgt zu haben: Durch unwahre Angaben vor Gericht sollen sie versucht haben, die Deutsche Bank vor milliardenschweren Schadenersatzzahlungen für die Pleite der Kirch-Mediengruppe zu bewahren. Es drohen jahrelange Haftstrafen. Die Angeklagten wiesen die Vorwürfe aber energisch zurück.