Hamburg/Berlin/Frankfurt. Tag drei des Rekord-Streiks der GDL-Lokführer: Abendblatt.de hält Sie über die Auswirkungen des Tarifstreits auf dem Laufenden.

Der seit Dienstag laufende Streik im Personenverkehr führte am Mittwoch erneut zu massiven Verspätungen. Der Ausstand soll bis Sonntag andauern, es ist der achte in dem Tarif-Konflikt. Abendblatt.de hält Sie über die Auswirkungen des Tarifstreits auf dem Laufenden.

Produktion teilweise in Gefahr

19.05 Uhr: Wirtschaftsverbände warnen vor Produktionsausfällen wegen ausfallender Transporte durch den Ausstand, der noch bis Sonntag dauern soll.

Streik sorgt für Stau auf den Straßen

16.42 Uhr: Der Bahnstreik bremst die Pendler auf der Straße. Der Berufsverkehr sei um rund 20 Prozent dichter als üblich, sagte Thomas Läpple von der Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) in Hannover. „Wenn Sie morgens zwei bis drei Kilometer Stau im Berufsverkehr haben, sind es jetzt vier.“ Es lasse sich aber nicht direkt messen, wie viele Autos zusätzlich auf der Straße seien. „Gefühlte Daten müssen ausreichen.“ Auf der Autobahn 2 zwischen Garbsen und Wunstorf (Region Hannover) gebe es eine Baustelle, die mit Hinblick auf Staus „genug Explosionskraft alleine“ habe, sagte Läpple. Wegen des Streiks fallen die Behinderungen noch deutlicher aus.

Streik-Ersatzverkehr im Norden läuft problemlos

15.10 Uhr: Der Ersatzfahrplan der Bahn im Norden werde stabil und zuverlässig umgesetzt, sagte ein Bahnsprecher am Mittwoch in Hamburg. „Wenn nicht wieder ein Sturm dazwischenkommt, dann sehen wir keine zusätzlichen Beeinträchtigungen. Die Züge fahren so, wie es im Internet steht.“ Am Dienstag hatten Stürme und Gewitter am späten Nachmittag verschiedene Bahnstrecken im Norden blockiert und den Verkehr zusätzlich zum Streik behindert.

Im Fernverkehr fahren den Angaben zufolge ein Drittel, im Regionalverkehr zwei Drittel der Züge. In Hamburg verkehrt die S-Bahn auf den Stammlinien im 20-Minuten-Takt. Der Bahnstreik könnte sich auch auf den Hafengeburtstag am Wochenende auswirken, zu dem mehr als eine Million Besucher erwartet werden.

DB Netz: Abgestellte Züge behindern Bahnverkehr nicht

13.20 Uhr: Der Lokführerstreik hat im deutschen Schienennetz bislang nicht zu Engpässen geführt. In Folge des Ausstands seien Züge in Rangieranlagen oder auf wenig genutzten Überholgleisen abgestellt worden, teilte die Bahn-Tochter DB Netz in Frankfurt mit. Die Lage sei aber wie auch in den Grenzbahnhöfen „ruhig und absolut beherrschbar“, erklärte eine Sprecherin. Auf den Schienen fahren neben den verbliebenen DB-Zügen auch noch mehr als 300 Privatbahnen.

An den deutschen Grenzbahnhöfen besteht die Gefahr, dass sich dort aus dem Ausland einlaufende Güterzüge stauen, weil sie in Deutschland nicht weitergefahren werden können. Die Absprachen mit den ausländischen Bahnen funktionierten aber sehr gut, sagte die DB-Netz-Sprecherin. Grenzüberschreitende Güterzüge würden teilweise schon weit vor der Grenze gestoppt und an geeigneten Stellen abgestellt. Die weitere Entwicklung bis zum geplanten Streikende am Sonntag müsse man abwarten. „So einen langen Streik hatten wir noch nicht“, sagte sie.

Weselsky nennt Vermittlervorschlag der Bahn PR-Gag

12.55 Uhr: Die GDL will ihren Streik auch nach Grubes Vermittlungsvorschlag nicht abbrechen. Auf einer Kundgebung in Köln bezeichnete GDL-Chef Weselsky den Vorschlag des Bahnchefs, den SPD-Politiker Matthias Platzeck als Vermittler einzuschalten, als öffentlichkeitswirksamen Witz. "Niemand sollte davon ausgehen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund eines PR-Gags des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn die Streikaktionen beenden", sagte Weselsky. "Wir sind nach jetziger klarer und deutlicher Ansage bis sonntagfrüh 9 Uhr alle gemeinsam im Arbeitskampf." Weselsky sagte aber zu, die GDL werde Grubes Vorschlag bewerten, wenn ihr dieser schriftlich vorliege. "Und wir lassen uns Zeit dabei", fügte der Gewerkschaftschef hinzu.

Verhandlungsexperte: Weselsky sollte sich zurücknehmen

12.01 Uhr: Der festgefahrene Tarifstreit bei der Deutschen Bahn ist nach Einschätzung eines Experten von zahlreichen Verhandlungsfehlern geprägt. Für die Lokführergewerkschaft GDL empfiehlt der Verhandlungsforscher der Universität Hohenheim (Baden-Württemberg), Markus Voeth, dem Vorsitzenden Claus Weselsky mehr Zurückhaltung. Liege die Verhandlungslast und damit auch der öffentliche Druck allein auf den Schultern eines Einzelnen, so drohe sehr viel eher, dass er sich verrenne, da er die Verhandlung irgendwann vor allem als persönliche Auseinandersetzung begreife. Starker öffentlicher Druck auf einen Einzelnen führe unweigerlich zu unprofessionellem Verhandeln.

Beharrt auf seinem Streikrecht: Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL)
Beharrt auf seinem Streikrecht: Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) © dpa

Beiden Seiten hielt der Marketing-Professor am Mittwoch vor, zu viel über die Öffentlichkeit zu agieren. „Wer permanent über die Medien auf den Verhandlungspartner eindrischt, der darf sich nicht wundern, dass es im Verhandlungsraum immer frostiger wird, und eine Lösung immer mehr in weite Ferne rückt.“ Bahn und GDL beharrten auch zu sehr auf anfänglichen Positionen und verlören ihre Interessen aus den Augen. So sei beispielsweise nicht erkennbar, was für die Bahn so negativ an Tarifverträgen mit der GDL für zusätzliche Berufsgruppen sein solle.

GDL hat noch nicht auf Platzeck-Vorschlag reagiert

11.57 Uhr: Mit der Rolle des Schlichters würde Platzeck zu einer Art "Kronzeuge" in den Verhandlungen, die sich seit fast einem Jahr hinziehen. Grube sagte, Voraussetzung für ein solches Modell mit Platzeck sei, dass die Gespräche so schnell wie möglich begännen und der Bahnstreik der GDL sofort beendet werde. Die Bahn sei bereit, noch im Tagesverlauf in neue Verhandlungen einzutreten. Der Vorschlag sei der GDL übermittelt worden, ein Echo gebe es noch nicht.

Grube ergänzte, die Bahn halte eine Schlichtung unverändert für die beste Lösung. Wenn die GDL dazu zum derzeitigen Zeitpunkt nicht bereit sei, dann wolle die Bahn auf einem anderen Weg vorankommen. Personalvorstand Ulrich Weber sagte, der Konzern wolle nicht das Grundrecht der GDL infrage stellen, Tarifverträge auszuhandeln und dafür auch zu streiken. Das Unternehmen wolle aber zu einer Lösung kommen: "Und das geht nur ohne Streik."

Bahn schlägt Platzeck als Vermittler vor

11.40 Uhr: Die Deutsche Bahn hat im Tarifkonflikt mit der Lokführergewerkschaft GDL eine Vermittlung mit einer „unabhängigen Persönlichkeit“ vorgeschlagen. Dies könnte der brandenburgische Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sein. Dieser habe dazu seine Bereitschaft erklärt, sagte Bahnchef Rüdiger Grube am Mittwoch in Berlin. Die GDL könne zusätzlich eine eigene Person des Vertrauens hinzuziehen. Personalvorstand Ulrich Weber sagte, der Vorschlag bedeute formal keine Schlichtung. Eine Schlichtung wäre aber das Beste, um voranzukommen, fügte Weber hinzu. Die GDL lehnt eine Schlichtung bisher ab.

Verband: Gefahr von streikbedingten Produktionsausfällen steigt

11.28 Uhr: Am dritten Tag des Lokführerstreiks steigt nach Einschätzung des Logistik-Fachverbands BME die Gefahr von Produktionsausfällen wegen fehlenden Nachschubs. Die Gewerkschaft stoße mit der geplanten Dauer von einer Woche in eine völlig neue Dimension vor, erklärte BME-Hauptgeschäftsführer Christoph Feldmann am Mittwoch in Frankfurt.

Leere Materiallager, unterbrochene Wertschöpfungsketten und Produktionshindernisse ließen im Streikzeitraum volkswirtschaftliche Schäden im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich befürchten, sagte Feldmann unter Berufung auf Gutachten. Dazu kämen direkte Kosten für Notfallpläne und zusätzliche Lagerkapazitäten. Ein Umstieg auf die ohnehin schon überlasteten Straßen oder die weniger flexiblen Binnenschiffe sei nur bedingt möglich.

Die besonders von der Bahn abhängige Chemie-Industrie hat sich auf der Grundlage früherer Erfahrungen auf die mittlerweile achte Streikwelle der Lokführer eingestellt, wie der Verband der Chemischen Industrie mitteilte. „Die Unternehmen konnten sich darauf vorbereiten“, sagte eine VCI-Sprecherin. Der aktuelle Streik sei derzeit noch mit den vorhergehenden Ausständen vergleichbar. Die Unternehmen beobachteten die Lage. (HA/dpa/rtr)